Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Heffter, August Wilhelm: Das Europäische Völkerrecht der Gegenwart. Berlin, 1844.

Bild:
<< vorherige Seite
Zweites Buch. §. 192.

"Das Recht des Krieges giebt überhaupt keinem Kriegführenden
ein Recht des Eigenthums auf weggenommene Schiffe weder des
Feindes noch einer dritten Macht. Es bleibt daher während des
Krieges das Recht des ursprünglichen Eigenthümers wider Jeder-
mann bei Kräften; auch eine Wiedernahme kann ihm dasselbe nicht
entziehen, vielmehr nur die Verbindlichkeit einer Entschädigung und
Belohnung des Wiedernehmers gegen Rückempfang seines Eigen-
thums auferlegen. Erst mit dem Friedensschluß wird unter den
kriegführenden Theilen und deren Alliirten jede spätere Wiedernahme
der von dem einen Theil gegen den anderen weggenommenen Schiffe
und Ladungen ausgeschlossen; neutrale Mächte, sogar bloße Hilfs-
mächte, deren nicht im Kriegsstand befindlich gewesene Schiffe
weggenommen sind, behalten dagegen den Anspruch auf Wieder-
nahme des thatsächlich entzogenen Eigenthums, wo sie ihm beikom-
men können, auch noch ferner."

Vor dieser einfachen Wahrheit schwinden alle Controversen wie
die Schatten der Nacht vor der Sonne. Die Annahme dieses
Systems kann vorzüglich auch als Mittel dienen, um dem Raub-
system der bisherigen Seekriege oder einzelner Seemächte entgegen
zu wirken. Keine Prise muß gemacht werden können, ohne daß ihr
Wiederverlust sogar noch im Frieden (wenigstens den Neutralen
gegenüber) bevorstehen bleibt. Auch diese Zeit wird kommen, trotz
dem daß Sir William Scott das Verlangen, als müsse alles
wiedereroberte Eigenthum in Kriegszeiten dem Eigenthümer ohne
Unterschied der Zeit zurückgegeben werden, für leere Chimäre einer
vorsündfluthlichen Philosophie erklärt hat. 1



1 v. Martens Erzählungen I, S. 292.
Zweites Buch. §. 192.

„Das Recht des Krieges giebt überhaupt keinem Kriegführenden
ein Recht des Eigenthums auf weggenommene Schiffe weder des
Feindes noch einer dritten Macht. Es bleibt daher während des
Krieges das Recht des urſprünglichen Eigenthümers wider Jeder-
mann bei Kräften; auch eine Wiedernahme kann ihm daſſelbe nicht
entziehen, vielmehr nur die Verbindlichkeit einer Entſchädigung und
Belohnung des Wiedernehmers gegen Rückempfang ſeines Eigen-
thums auferlegen. Erſt mit dem Friedensſchluß wird unter den
kriegführenden Theilen und deren Alliirten jede ſpätere Wiedernahme
der von dem einen Theil gegen den anderen weggenommenen Schiffe
und Ladungen ausgeſchloſſen; neutrale Mächte, ſogar bloße Hilfs-
mächte, deren nicht im Kriegsſtand befindlich geweſene Schiffe
weggenommen ſind, behalten dagegen den Anſpruch auf Wieder-
nahme des thatſächlich entzogenen Eigenthums, wo ſie ihm beikom-
men können, auch noch ferner.“

Vor dieſer einfachen Wahrheit ſchwinden alle Controverſen wie
die Schatten der Nacht vor der Sonne. Die Annahme dieſes
Syſtems kann vorzüglich auch als Mittel dienen, um dem Raub-
ſyſtem der bisherigen Seekriege oder einzelner Seemächte entgegen
zu wirken. Keine Priſe muß gemacht werden können, ohne daß ihr
Wiederverluſt ſogar noch im Frieden (wenigſtens den Neutralen
gegenüber) bevorſtehen bleibt. Auch dieſe Zeit wird kommen, trotz
dem daß Sir William Scott das Verlangen, als müſſe alles
wiedereroberte Eigenthum in Kriegszeiten dem Eigenthümer ohne
Unterſchied der Zeit zurückgegeben werden, für leere Chimäre einer
vorſündfluthlichen Philoſophie erklärt hat. 1



1 v. Martens Erzählungen I, S. 292.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <pb facs="#f0346" n="322"/>
              <fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Zweites Buch</hi>. §. 192.</fw><lb/>
              <p>&#x201E;Das Recht des Krieges giebt überhaupt keinem Kriegführenden<lb/>
ein Recht des Eigenthums auf weggenommene Schiffe weder des<lb/>
Feindes noch einer dritten Macht. Es bleibt daher während des<lb/>
Krieges das Recht des ur&#x017F;prünglichen Eigenthümers wider Jeder-<lb/>
mann bei Kräften; auch eine Wiedernahme kann ihm da&#x017F;&#x017F;elbe nicht<lb/>
entziehen, vielmehr nur die Verbindlichkeit einer Ent&#x017F;chädigung und<lb/>
Belohnung des Wiedernehmers gegen Rückempfang &#x017F;eines Eigen-<lb/>
thums auferlegen. Er&#x017F;t mit dem Friedens&#x017F;chluß wird unter den<lb/>
kriegführenden Theilen und deren Alliirten jede &#x017F;pätere Wiedernahme<lb/>
der von dem einen Theil gegen den anderen weggenommenen Schiffe<lb/>
und Ladungen ausge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en; neutrale Mächte, &#x017F;ogar bloße Hilfs-<lb/>
mächte, deren nicht im Kriegs&#x017F;tand befindlich gewe&#x017F;ene Schiffe<lb/>
weggenommen &#x017F;ind, behalten dagegen den An&#x017F;pruch auf Wieder-<lb/>
nahme des that&#x017F;ächlich entzogenen Eigenthums, wo &#x017F;ie ihm beikom-<lb/>
men können, auch noch ferner.&#x201C;</p><lb/>
              <p>Vor die&#x017F;er einfachen Wahrheit &#x017F;chwinden alle Controver&#x017F;en wie<lb/>
die Schatten der Nacht vor der Sonne. Die Annahme die&#x017F;es<lb/>
Sy&#x017F;tems kann vorzüglich auch als Mittel dienen, um dem Raub-<lb/>
&#x017F;y&#x017F;tem der bisherigen Seekriege oder einzelner Seemächte entgegen<lb/>
zu wirken. Keine Pri&#x017F;e muß gemacht werden können, ohne daß ihr<lb/>
Wiederverlu&#x017F;t &#x017F;ogar noch im Frieden (wenig&#x017F;tens den Neutralen<lb/>
gegenüber) bevor&#x017F;tehen bleibt. Auch die&#x017F;e Zeit wird kommen, trotz<lb/>
dem daß Sir William Scott das Verlangen, als mü&#x017F;&#x017F;e alles<lb/>
wiedereroberte Eigenthum in Kriegszeiten dem Eigenthümer ohne<lb/>
Unter&#x017F;chied der Zeit zurückgegeben werden, für leere Chimäre einer<lb/>
vor&#x017F;ündfluthlichen Philo&#x017F;ophie erklärt hat. <note place="foot" n="1">v. Martens Erzählungen <hi rendition="#aq">I,</hi> S. 292.</note></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div><lb/>
      <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
    </body>
  </text>
</TEI>
[322/0346] Zweites Buch. §. 192. „Das Recht des Krieges giebt überhaupt keinem Kriegführenden ein Recht des Eigenthums auf weggenommene Schiffe weder des Feindes noch einer dritten Macht. Es bleibt daher während des Krieges das Recht des urſprünglichen Eigenthümers wider Jeder- mann bei Kräften; auch eine Wiedernahme kann ihm daſſelbe nicht entziehen, vielmehr nur die Verbindlichkeit einer Entſchädigung und Belohnung des Wiedernehmers gegen Rückempfang ſeines Eigen- thums auferlegen. Erſt mit dem Friedensſchluß wird unter den kriegführenden Theilen und deren Alliirten jede ſpätere Wiedernahme der von dem einen Theil gegen den anderen weggenommenen Schiffe und Ladungen ausgeſchloſſen; neutrale Mächte, ſogar bloße Hilfs- mächte, deren nicht im Kriegsſtand befindlich geweſene Schiffe weggenommen ſind, behalten dagegen den Anſpruch auf Wieder- nahme des thatſächlich entzogenen Eigenthums, wo ſie ihm beikom- men können, auch noch ferner.“ Vor dieſer einfachen Wahrheit ſchwinden alle Controverſen wie die Schatten der Nacht vor der Sonne. Die Annahme dieſes Syſtems kann vorzüglich auch als Mittel dienen, um dem Raub- ſyſtem der bisherigen Seekriege oder einzelner Seemächte entgegen zu wirken. Keine Priſe muß gemacht werden können, ohne daß ihr Wiederverluſt ſogar noch im Frieden (wenigſtens den Neutralen gegenüber) bevorſtehen bleibt. Auch dieſe Zeit wird kommen, trotz dem daß Sir William Scott das Verlangen, als müſſe alles wiedereroberte Eigenthum in Kriegszeiten dem Eigenthümer ohne Unterſchied der Zeit zurückgegeben werden, für leere Chimäre einer vorſündfluthlichen Philoſophie erklärt hat. 1 1 v. Martens Erzählungen I, S. 292.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/heffter_voelkerrecht_1844
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/heffter_voelkerrecht_1844/346
Zitationshilfe: Heffter, August Wilhelm: Das Europäische Völkerrecht der Gegenwart. Berlin, 1844, S. 322. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heffter_voelkerrecht_1844/346>, abgerufen am 27.11.2024.