Heffter, August Wilhelm: Das Europäische Völkerrecht der Gegenwart. Berlin, 1844.
§. 211. Die Formen des völkerrechtlichen Verkehres. feindlichen Gebiete, so lange nicht seine Zurückweisung deutlich er-klärt, und die ihm erforderliche Zeit, um den fremden Staat wie- der zu verlassen, verstrichen ist. Ausfertigung und Zustellung von Pässen ist nur das gewöhnliche Zeichen der Genehmigung von Sei- ten der auswärtigen Staatsgewalt und die officielle Legitimation gegen die Behörden ihres Landes; eine Sicherstellung des völker- rechtlichen Characters. Die cerimoniellen Befugnisse und Vorrechte können natürlicher Weise nicht eher in Kraft treten, als bis der fremde Staat nach erhaltener Kenntniß von der Mission dieserhalb die nöthigen Verfügungen zu treffen vermocht und der Abgeordnete selbst dasjenige beobachtet hat, was zu seinem Auftreten bei der fremden Staatsgewalt erforderlich ist; in Beziehung auf die Aeu- ßerlichkeiten des Hoflebens also vorzüglich erst nach geschehener Vorstellung. 1 Erfolgt eine Veränderung in der amtlichen Stel- lung eines Gesandten, namentlich eine Beförderung in eine höhere Rangclasse, so wird auch hierüber eine neue Beglaubigung ausge- fertigt und hinsichtlich derselben dasjenige beobachtet, was bei dem ersten Auftreten in der neuen Eigenschaft in cerimonieller Weise er- forderlich gewesen sein würde. Rechte der gesandtschaftlichen Personen überhaupt. 211. Schon längst ist es an den Höfen und bei den mit ih- theils als herkömmliche Auffassung und Ausdehnung der je- dem Abgeordneten an fremde Staaten gebührenden Unver- letzbarkeit und Selbständigkeit, welche beide zu einem voll- 1 "Il est certain", sagt Merlin mit Recht in der schon §. 201. angeführ-
ten Stelle V, 3, 3, "que son caractere public ne se developpe dans toute son etendue, que lorsqu'il est reconnu et admis par le sou- verain a qui il remet ses lettres de creance. Mais pour ce qui est de la protection du droit des gens, de la surete et de l'inviolabilite de sa personne, il doit en jouir des qu'il a mis le pied dans le pays ou il est envoie, et qu'il s'est fait connaeitre." §. 211. Die Formen des voͤlkerrechtlichen Verkehres. feindlichen Gebiete, ſo lange nicht ſeine Zurückweiſung deutlich er-klärt, und die ihm erforderliche Zeit, um den fremden Staat wie- der zu verlaſſen, verſtrichen iſt. Ausfertigung und Zuſtellung von Päſſen iſt nur das gewöhnliche Zeichen der Genehmigung von Sei- ten der auswärtigen Staatsgewalt und die officielle Legitimation gegen die Behörden ihres Landes; eine Sicherſtellung des völker- rechtlichen Characters. Die cerimoniellen Befugniſſe und Vorrechte können natürlicher Weiſe nicht eher in Kraft treten, als bis der fremde Staat nach erhaltener Kenntniß von der Miſſion dieſerhalb die nöthigen Verfügungen zu treffen vermocht und der Abgeordnete ſelbſt dasjenige beobachtet hat, was zu ſeinem Auftreten bei der fremden Staatsgewalt erforderlich iſt; in Beziehung auf die Aeu- ßerlichkeiten des Hoflebens alſo vorzüglich erſt nach geſchehener Vorſtellung. 1 Erfolgt eine Veränderung in der amtlichen Stel- lung eines Geſandten, namentlich eine Beförderung in eine höhere Rangclaſſe, ſo wird auch hierüber eine neue Beglaubigung ausge- fertigt und hinſichtlich derſelben dasjenige beobachtet, was bei dem erſten Auftreten in der neuen Eigenſchaft in cerimonieller Weiſe er- forderlich geweſen ſein würde. Rechte der geſandtſchaftlichen Perſonen überhaupt. 211. Schon längſt iſt es an den Höfen und bei den mit ih- theils als herkömmliche Auffaſſung und Ausdehnung der je- dem Abgeordneten an fremde Staaten gebührenden Unver- letzbarkeit und Selbſtändigkeit, welche beide zu einem voll- 1 „Il est certain“, ſagt Merlin mit Recht in der ſchon §. 201. angeführ-
ten Stelle V, 3, 3, „que son caractère public ne se développe dans toute son étendue, que lorsqu’il est reconnu et admis par le sou- verain à qui il remet ses lettres de créance. Mais pour ce qui est de la protection du droit des gens, de la sureté et de l’inviolabilité de sa personne, il doit en jouir dès qu’il a mis le pied dans le pays où il est envoié, et qu’il s’est fait connaître.“ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <p><pb facs="#f0371" n="347"/><fw place="top" type="header">§. 211. <hi rendition="#g">Die Formen des voͤlkerrechtlichen Verkehres</hi>.</fw><lb/> feindlichen Gebiete, ſo lange nicht ſeine Zurückweiſung deutlich er-<lb/> klärt, und die ihm erforderliche Zeit, um den fremden Staat wie-<lb/> der zu verlaſſen, verſtrichen iſt. Ausfertigung und Zuſtellung von<lb/> Päſſen iſt nur das gewöhnliche Zeichen der Genehmigung von Sei-<lb/> ten der auswärtigen Staatsgewalt und die officielle Legitimation<lb/> gegen die Behörden ihres Landes; eine Sicherſtellung des völker-<lb/> rechtlichen Characters. Die cerimoniellen Befugniſſe und Vorrechte<lb/> können natürlicher Weiſe nicht eher in Kraft treten, als bis der<lb/> fremde Staat nach erhaltener Kenntniß von der Miſſion dieſerhalb<lb/> die nöthigen Verfügungen zu treffen vermocht und der Abgeordnete<lb/> ſelbſt dasjenige beobachtet hat, was zu ſeinem Auftreten bei der<lb/> fremden Staatsgewalt erforderlich iſt; in Beziehung auf die Aeu-<lb/> ßerlichkeiten des Hoflebens alſo vorzüglich erſt nach geſchehener<lb/> Vorſtellung. <note place="foot" n="1"><hi rendition="#aq">„Il est certain“,</hi> ſagt Merlin mit Recht in der ſchon §. 201. angeführ-<lb/> ten Stelle <hi rendition="#aq">V, 3, 3, „que son caractère public ne se développe <hi rendition="#g">dans<lb/> toute son étendue</hi>, que lorsqu’il est reconnu et admis par le sou-<lb/> verain à qui il remet ses lettres de créance. Mais pour ce qui est de<lb/> la protection du droit des gens, de la sureté et de l’inviolabilité de sa<lb/> personne, il doit en jouir dès qu’il a mis le pied dans le pays où il<lb/> est envoié, et qu’il s’est fait connaître.“</hi></note> Erfolgt eine Veränderung in der amtlichen Stel-<lb/> lung eines Geſandten, namentlich eine Beförderung in eine höhere<lb/> Rangclaſſe, ſo wird auch hierüber eine neue Beglaubigung ausge-<lb/> fertigt und hinſichtlich derſelben dasjenige beobachtet, was bei dem<lb/> erſten Auftreten in der neuen Eigenſchaft in cerimonieller Weiſe er-<lb/> forderlich geweſen ſein würde.</p> </div><lb/> <div n="5"> <head>Rechte der geſandtſchaftlichen Perſonen überhaupt.</head><lb/> <p>211. Schon längſt iſt es an den Höfen und bei den mit ih-<lb/> nen wetteifernden Republiken üblich geworden, ihren Geſandten,<lb/> welche ſie mit herkömmlichen Titeln und gehörigen Beglaubigungen<lb/> abſchicken, gewiſſe Rechte beizulegen, zu vindiciren und gegenſeitig<lb/> zuzugeſtehen, welche weit über den nothwendigen Bedarf hinausge-<lb/> hen. Dieſelben erſcheinen</p><lb/> <list> <item>theils als herkömmliche Auffaſſung und Ausdehnung der je-<lb/> dem Abgeordneten an fremde Staaten gebührenden Unver-<lb/> letzbarkeit und Selbſtändigkeit, welche beide zu einem voll-<lb/></item> </list> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [347/0371]
§. 211. Die Formen des voͤlkerrechtlichen Verkehres.
feindlichen Gebiete, ſo lange nicht ſeine Zurückweiſung deutlich er-
klärt, und die ihm erforderliche Zeit, um den fremden Staat wie-
der zu verlaſſen, verſtrichen iſt. Ausfertigung und Zuſtellung von
Päſſen iſt nur das gewöhnliche Zeichen der Genehmigung von Sei-
ten der auswärtigen Staatsgewalt und die officielle Legitimation
gegen die Behörden ihres Landes; eine Sicherſtellung des völker-
rechtlichen Characters. Die cerimoniellen Befugniſſe und Vorrechte
können natürlicher Weiſe nicht eher in Kraft treten, als bis der
fremde Staat nach erhaltener Kenntniß von der Miſſion dieſerhalb
die nöthigen Verfügungen zu treffen vermocht und der Abgeordnete
ſelbſt dasjenige beobachtet hat, was zu ſeinem Auftreten bei der
fremden Staatsgewalt erforderlich iſt; in Beziehung auf die Aeu-
ßerlichkeiten des Hoflebens alſo vorzüglich erſt nach geſchehener
Vorſtellung. 1 Erfolgt eine Veränderung in der amtlichen Stel-
lung eines Geſandten, namentlich eine Beförderung in eine höhere
Rangclaſſe, ſo wird auch hierüber eine neue Beglaubigung ausge-
fertigt und hinſichtlich derſelben dasjenige beobachtet, was bei dem
erſten Auftreten in der neuen Eigenſchaft in cerimonieller Weiſe er-
forderlich geweſen ſein würde.
Rechte der geſandtſchaftlichen Perſonen überhaupt.
211. Schon längſt iſt es an den Höfen und bei den mit ih-
nen wetteifernden Republiken üblich geworden, ihren Geſandten,
welche ſie mit herkömmlichen Titeln und gehörigen Beglaubigungen
abſchicken, gewiſſe Rechte beizulegen, zu vindiciren und gegenſeitig
zuzugeſtehen, welche weit über den nothwendigen Bedarf hinausge-
hen. Dieſelben erſcheinen
theils als herkömmliche Auffaſſung und Ausdehnung der je-
dem Abgeordneten an fremde Staaten gebührenden Unver-
letzbarkeit und Selbſtändigkeit, welche beide zu einem voll-
1 „Il est certain“, ſagt Merlin mit Recht in der ſchon §. 201. angeführ-
ten Stelle V, 3, 3, „que son caractère public ne se développe dans
toute son étendue, que lorsqu’il est reconnu et admis par le sou-
verain à qui il remet ses lettres de créance. Mais pour ce qui est de
la protection du droit des gens, de la sureté et de l’inviolabilité de sa
personne, il doit en jouir dès qu’il a mis le pied dans le pays où il
est envoié, et qu’il s’est fait connaître.“
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| Zitationshilfe: | Heffter, August Wilhelm: Das Europäische Völkerrecht der Gegenwart. Berlin, 1844, S. 347. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heffter_voelkerrecht_1844/371>, abgerufen am 27.11.2024. |
