Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Heffter, August Wilhelm: Das Europäische Völkerrecht der Gegenwart. Berlin, 1844.

Bild:
<< vorherige Seite
§. 222. Die Formen des völkerrechtlichen Verkehres.
Verwaltung einer auswärtigen Privatbesitzung zu respiciren,
zu übernehmen und dgl. Hier kann überall nicht von ei-
nem öffentlichen Character und von damit verbundenen Pri-
vilegien die Rede sein.
II. Die sogenannten geheimen Agenten, welche zwar in Staats-
angelegenheiten versendet werden, jedoch ohne ostensiblen Auf-
trag mit einem auswärtigen Staat oder dessen Behörden zu
verhandeln, sondern lediglich nur um über gewisse Verhält-
nisse auf einem nicht verbotenen, oft geheimen Wege Er-
kundigungen einzuziehen, oder um außerordentliche Eröffnun-
gen zu machen und zu empfangen. Auch hier findet kein
Anspruch auf irgend ein gesandtschaftliches Privilegium Statt.

Endlich

III. solche Agenten und Commissarien, welche mit bestimmten
ostensiblen Vollmachten an die auswärtige Staatsgewalt, ob-
gleich ohne einen recipirten völkerrechtlichen Titel in öffent-
lichen Angelegenheiten abgesendet werden, weil vielleicht die
Umstände noch keine ordentliche oder dauernde Verbindung
gestatten, oder auch weil es auf eine minder förmliche Ab-
machung eines einzelnen bestimmten Geschäftes ankömmt.
Bei Personen dieser Art läßt sich wenigstens der allgemeine
Anspruch auf Unverletzbarkeit und Exemtion, wie er bereits
oben (§. 204 f.) dargelegt worden ist, nicht verkennen; 1 der
Mangel eines bestimmten Namens kann dem Wesen des
Auftrags nichts von seinen Wirkungen entziehen; auch ist
bekannt, daß es in älterer Zeit außer den Botschaftern blos
Agenten gab, deren diplomatische Eigenschaft jedennoch nie
verkannt wurde. Nur eine vollständige Exterritorialität ist
hier nicht üblich. 2

1 Selbst Vattel a. a. O. muß dies zuletzt einräumen. Bei den Staaten von
Holland war das Princip durch eine Ordonnanz vom 29. März 1651 an-
erkannt. Vgl. auch Moser Beitr. IV, 530. Allerdings scheint jedoch die
Praxis aller Staaten nicht darüber entschieden zu sein. Frankreich bewil-
ligte wenigstens vormals den Agenten der Hansestädte für ihre öffentlichen
Handelsangelegenheiten keine völkerrechtlichen Prärogativen. Merlin Sect. I,
Nr. 5. a. E.
2 So haben die Zollvereinscommissarien, welche sich die deutschen Vereins-
staaten wechselseitig zusenden, zwar eine Befreiung von der ausländischen
§. 222. Die Formen des voͤlkerrechtlichen Verkehres.
Verwaltung einer auswärtigen Privatbeſitzung zu reſpiciren,
zu übernehmen und dgl. Hier kann überall nicht von ei-
nem öffentlichen Character und von damit verbundenen Pri-
vilegien die Rede ſein.
II. Die ſogenannten geheimen Agenten, welche zwar in Staats-
angelegenheiten verſendet werden, jedoch ohne oſtenſiblen Auf-
trag mit einem auswärtigen Staat oder deſſen Behörden zu
verhandeln, ſondern lediglich nur um über gewiſſe Verhält-
niſſe auf einem nicht verbotenen, oft geheimen Wege Er-
kundigungen einzuziehen, oder um außerordentliche Eröffnun-
gen zu machen und zu empfangen. Auch hier findet kein
Anſpruch auf irgend ein geſandtſchaftliches Privilegium Statt.

Endlich

III. ſolche Agenten und Commiſſarien, welche mit beſtimmten
oſtenſiblen Vollmachten an die auswärtige Staatsgewalt, ob-
gleich ohne einen recipirten völkerrechtlichen Titel in öffent-
lichen Angelegenheiten abgeſendet werden, weil vielleicht die
Umſtände noch keine ordentliche oder dauernde Verbindung
geſtatten, oder auch weil es auf eine minder förmliche Ab-
machung eines einzelnen beſtimmten Geſchäftes ankömmt.
Bei Perſonen dieſer Art läßt ſich wenigſtens der allgemeine
Anſpruch auf Unverletzbarkeit und Exemtion, wie er bereits
oben (§. 204 f.) dargelegt worden iſt, nicht verkennen; 1 der
Mangel eines beſtimmten Namens kann dem Weſen des
Auftrags nichts von ſeinen Wirkungen entziehen; auch iſt
bekannt, daß es in älterer Zeit außer den Botſchaftern blos
Agenten gab, deren diplomatiſche Eigenſchaft jedennoch nie
verkannt wurde. Nur eine vollſtändige Exterritorialität iſt
hier nicht üblich. 2

1 Selbſt Vattel a. a. O. muß dies zuletzt einräumen. Bei den Staaten von
Holland war das Princip durch eine Ordonnanz vom 29. März 1651 an-
erkannt. Vgl. auch Moſer Beitr. IV, 530. Allerdings ſcheint jedoch die
Praxis aller Staaten nicht darüber entſchieden zu ſein. Frankreich bewil-
ligte wenigſtens vormals den Agenten der Hanſeſtädte für ihre öffentlichen
Handelsangelegenheiten keine völkerrechtlichen Prärogativen. Merlin Sect. I,
Nr. 5. a. E.
2 So haben die Zollvereinscommiſſarien, welche ſich die deutſchen Vereins-
ſtaaten wechſelſeitig zuſenden, zwar eine Befreiung von der ausländiſchen
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <list>
                <item><pb facs="#f0387" n="363"/><fw place="top" type="header">§. 222. <hi rendition="#g">Die Formen des vo&#x0364;lkerrechtlichen Verkehres</hi>.</fw><lb/>
Verwaltung einer auswärtigen Privatbe&#x017F;itzung zu re&#x017F;piciren,<lb/>
zu übernehmen und dgl. Hier kann überall nicht von ei-<lb/>
nem öffentlichen Character und von damit verbundenen Pri-<lb/>
vilegien die Rede &#x017F;ein.</item><lb/>
                <item><hi rendition="#aq">II.</hi> Die &#x017F;ogenannten geheimen Agenten, welche zwar in Staats-<lb/>
angelegenheiten ver&#x017F;endet werden, jedoch ohne o&#x017F;ten&#x017F;iblen Auf-<lb/>
trag mit einem auswärtigen Staat oder de&#x017F;&#x017F;en Behörden zu<lb/>
verhandeln, &#x017F;ondern lediglich nur um über gewi&#x017F;&#x017F;e Verhält-<lb/>
ni&#x017F;&#x017F;e auf einem nicht verbotenen, oft geheimen Wege Er-<lb/>
kundigungen einzuziehen, oder um außerordentliche Eröffnun-<lb/>
gen zu machen und zu empfangen. Auch hier findet kein<lb/>
An&#x017F;pruch auf irgend ein ge&#x017F;andt&#x017F;chaftliches Privilegium Statt.</item>
              </list><lb/>
              <p>Endlich</p><lb/>
              <list>
                <item><hi rendition="#aq">III.</hi> &#x017F;olche Agenten und Commi&#x017F;&#x017F;arien, welche mit be&#x017F;timmten<lb/>
o&#x017F;ten&#x017F;iblen Vollmachten an die auswärtige Staatsgewalt, ob-<lb/>
gleich ohne einen recipirten völkerrechtlichen Titel in öffent-<lb/>
lichen Angelegenheiten abge&#x017F;endet werden, weil vielleicht die<lb/>
Um&#x017F;tände noch keine ordentliche oder dauernde Verbindung<lb/>
ge&#x017F;tatten, oder auch weil es auf eine minder förmliche Ab-<lb/>
machung eines einzelnen be&#x017F;timmten Ge&#x017F;chäftes ankömmt.<lb/>
Bei Per&#x017F;onen die&#x017F;er Art läßt &#x017F;ich wenig&#x017F;tens der allgemeine<lb/>
An&#x017F;pruch auf Unverletzbarkeit und Exemtion, wie er bereits<lb/>
oben (§. 204 f.) dargelegt worden i&#x017F;t, nicht verkennen; <note place="foot" n="1">Selb&#x017F;t Vattel a. a. O. muß dies zuletzt einräumen. Bei den Staaten von<lb/>
Holland war das Princip durch eine Ordonnanz vom 29. März 1651 an-<lb/>
erkannt. Vgl. auch Mo&#x017F;er Beitr. <hi rendition="#aq">IV,</hi> 530. Allerdings &#x017F;cheint jedoch die<lb/>
Praxis aller Staaten nicht darüber ent&#x017F;chieden zu &#x017F;ein. Frankreich bewil-<lb/>
ligte wenig&#x017F;tens vormals den Agenten der Han&#x017F;e&#x017F;tädte für ihre öffentlichen<lb/>
Handelsangelegenheiten keine völkerrechtlichen Prärogativen. Merlin <hi rendition="#aq">Sect. I,</hi><lb/>
Nr. 5. a. E.</note> der<lb/>
Mangel eines be&#x017F;timmten Namens kann dem We&#x017F;en des<lb/>
Auftrags nichts von &#x017F;einen Wirkungen entziehen; auch i&#x017F;t<lb/>
bekannt, daß es in älterer Zeit außer den Bot&#x017F;chaftern blos<lb/>
Agenten gab, deren diplomati&#x017F;che Eigen&#x017F;chaft jedennoch nie<lb/>
verkannt wurde. Nur eine voll&#x017F;tändige Exterritorialität i&#x017F;t<lb/>
hier nicht üblich. <note xml:id="note-0387" next="#note-0388" place="foot" n="2">So haben die Zollvereinscommi&#x017F;&#x017F;arien, welche &#x017F;ich die deut&#x017F;chen Vereins-<lb/>
&#x017F;taaten wech&#x017F;el&#x017F;eitig zu&#x017F;enden, zwar eine Befreiung von der ausländi&#x017F;chen</note></item>
              </list>
            </div><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[363/0387] §. 222. Die Formen des voͤlkerrechtlichen Verkehres. Verwaltung einer auswärtigen Privatbeſitzung zu reſpiciren, zu übernehmen und dgl. Hier kann überall nicht von ei- nem öffentlichen Character und von damit verbundenen Pri- vilegien die Rede ſein. II. Die ſogenannten geheimen Agenten, welche zwar in Staats- angelegenheiten verſendet werden, jedoch ohne oſtenſiblen Auf- trag mit einem auswärtigen Staat oder deſſen Behörden zu verhandeln, ſondern lediglich nur um über gewiſſe Verhält- niſſe auf einem nicht verbotenen, oft geheimen Wege Er- kundigungen einzuziehen, oder um außerordentliche Eröffnun- gen zu machen und zu empfangen. Auch hier findet kein Anſpruch auf irgend ein geſandtſchaftliches Privilegium Statt. Endlich III. ſolche Agenten und Commiſſarien, welche mit beſtimmten oſtenſiblen Vollmachten an die auswärtige Staatsgewalt, ob- gleich ohne einen recipirten völkerrechtlichen Titel in öffent- lichen Angelegenheiten abgeſendet werden, weil vielleicht die Umſtände noch keine ordentliche oder dauernde Verbindung geſtatten, oder auch weil es auf eine minder förmliche Ab- machung eines einzelnen beſtimmten Geſchäftes ankömmt. Bei Perſonen dieſer Art läßt ſich wenigſtens der allgemeine Anſpruch auf Unverletzbarkeit und Exemtion, wie er bereits oben (§. 204 f.) dargelegt worden iſt, nicht verkennen; 1 der Mangel eines beſtimmten Namens kann dem Weſen des Auftrags nichts von ſeinen Wirkungen entziehen; auch iſt bekannt, daß es in älterer Zeit außer den Botſchaftern blos Agenten gab, deren diplomatiſche Eigenſchaft jedennoch nie verkannt wurde. Nur eine vollſtändige Exterritorialität iſt hier nicht üblich. 2 1 Selbſt Vattel a. a. O. muß dies zuletzt einräumen. Bei den Staaten von Holland war das Princip durch eine Ordonnanz vom 29. März 1651 an- erkannt. Vgl. auch Moſer Beitr. IV, 530. Allerdings ſcheint jedoch die Praxis aller Staaten nicht darüber entſchieden zu ſein. Frankreich bewil- ligte wenigſtens vormals den Agenten der Hanſeſtädte für ihre öffentlichen Handelsangelegenheiten keine völkerrechtlichen Prärogativen. Merlin Sect. I, Nr. 5. a. E. 2 So haben die Zollvereinscommiſſarien, welche ſich die deutſchen Vereins- ſtaaten wechſelſeitig zuſenden, zwar eine Befreiung von der ausländiſchen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/heffter_voelkerrecht_1844
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/heffter_voelkerrecht_1844/387
Zitationshilfe: Heffter, August Wilhelm: Das Europäische Völkerrecht der Gegenwart. Berlin, 1844, S. 363. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heffter_voelkerrecht_1844/387>, abgerufen am 27.11.2024.