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Heffter, August Wilhelm: Das Europäische Völkerrecht der Gegenwart. Berlin, 1844.

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§. 233. Die Formen des völkerrechtlichen Verkehres.
nal Wolsey, sodann die beiden Cecil unter Elisabeth und, wenn
wir den noch der älteren Diplomatie angehörigen Henry Wot-
ton unter Jacob I übergehen, 1 als wahrhaft noblen Character
William Temple, der sich offen zu dem Grundsatz bekannte, daß
man in der Politik stets die Wahrheit sagen müsse. 2 Groß wie
im Felde so auch in der Unterhandlung war Marlborough mit ed-
ler Haltung und Feinheit; weniger groß, ihm gegenüber, Charles
Bolingbroke. Gewährten die Regierungen Georgs I und II mehr
nur ein Feld für untergeordnete, obwohl mannigfache diplomatische
Thätigkeit, so waren es wieder die Pitt, 3 welche vollkommen das
Ideal der britischen Politik in sich trugen und durch die That le-
bendig machten, wie sie auch noch in neuerer Zeit in Canning
einen nationalen Kern-Repräsentanten fand. Ebenbürtig den bri-
tischen Diplomaten zur Seite stehen Washington und Franklin.

Unter den übrigen Staaten waren bis zu Ende des vorigen
Jahrhunderts besonders die Republiken Venedig und der vereinig-
ten Niederlande ausgezeichnete Schulen für politische practische Ta-
lente; jene hatte ihre Contarini, Cornaro, Soranzo und Nani, letz-
tere ihren Franz von Aarssens, ihren Großpensionär Witt, Hiero-
nymus Beverning, Jan Oldenbarneveld, ihren Hugo und Peter
Groot. Spanien rühmt sich eines Olivarez, Don Haro, eines Gra-
fen von Pegneranda. -- Eine ununterbrochene Reihe sinniger Diplo-
maten hatte stets das Haus Oesterreich. Unsterbliches Verdienst nicht
nur für sein Land, sondern auch für den europäischen Frieden hat
sich darunter Graf Trautmannsdorf am Münster-Osnabrückischen
Friedenscongreß erworben, während in der Folge Graf Kaunitz
mehr die isolirten Interessen des Kaiserhauses wahrzunehmen Ge-
legenheit und Character hatte. Die höchste und glänzendste Stel-
lung war der östreichischen Diplomatie im gegenwärtigen Jahrhun-
dert vorbehalten. -- In Preußen hat die regelmäßige unmittelbare
Theilnahme der Regenten an den Staatsgeschäften den diplomati-
schen Capacitäten meist nur die Thätigkeit der Ausführung gelas-

1 Seine Maxime war noch: il volto sciolto, i pensieri stretti; und in Augs-
burg konnte er noch in ein Stammbuch schreiben: Legatus est vir bonus
peregre missus ad mentiendum reipublicae causa
.
2 Ueber ihn: Luden, Biographie v. W. Temple. Götting. 1808. Foreign
quarterly Rev.
a. a. O. S. 28.
3 Ueber diese vgl. Flassan, Th. IV.

§. 233. Die Formen des voͤlkerrechtlichen Verkehres.
nal Wolſey, ſodann die beiden Cecil unter Eliſabeth und, wenn
wir den noch der älteren Diplomatie angehörigen Henry Wot-
ton unter Jacob I übergehen, 1 als wahrhaft noblen Character
William Temple, der ſich offen zu dem Grundſatz bekannte, daß
man in der Politik ſtets die Wahrheit ſagen müſſe. 2 Groß wie
im Felde ſo auch in der Unterhandlung war Marlborough mit ed-
ler Haltung und Feinheit; weniger groß, ihm gegenüber, Charles
Bolingbroke. Gewährten die Regierungen Georgs I und II mehr
nur ein Feld für untergeordnete, obwohl mannigfache diplomatiſche
Thätigkeit, ſo waren es wieder die Pitt, 3 welche vollkommen das
Ideal der britiſchen Politik in ſich trugen und durch die That le-
bendig machten, wie ſie auch noch in neuerer Zeit in Canning
einen nationalen Kern-Repräſentanten fand. Ebenbürtig den bri-
tiſchen Diplomaten zur Seite ſtehen Washington und Franklin.

Unter den übrigen Staaten waren bis zu Ende des vorigen
Jahrhunderts beſonders die Republiken Venedig und der vereinig-
ten Niederlande ausgezeichnete Schulen für politiſche practiſche Ta-
lente; jene hatte ihre Contarini, Cornaro, Soranzo und Nani, letz-
tere ihren Franz von Aarsſens, ihren Großpenſionär Witt, Hiero-
nymus Beverning, Jan Oldenbarneveld, ihren Hugo und Peter
Groot. Spanien rühmt ſich eines Olivarez, Don Haro, eines Gra-
fen von Pegneranda. — Eine ununterbrochene Reihe ſinniger Diplo-
maten hatte ſtets das Haus Oeſterreich. Unſterbliches Verdienſt nicht
nur für ſein Land, ſondern auch für den europäiſchen Frieden hat
ſich darunter Graf Trautmannsdorf am Münſter-Osnabrückiſchen
Friedenscongreß erworben, während in der Folge Graf Kaunitz
mehr die iſolirten Intereſſen des Kaiſerhauſes wahrzunehmen Ge-
legenheit und Character hatte. Die höchſte und glänzendſte Stel-
lung war der öſtreichiſchen Diplomatie im gegenwärtigen Jahrhun-
dert vorbehalten. — In Preußen hat die regelmäßige unmittelbare
Theilnahme der Regenten an den Staatsgeſchäften den diplomati-
ſchen Capacitäten meiſt nur die Thätigkeit der Ausführung gelaſ-

1 Seine Maxime war noch: il volto sciolto, i pensieri stretti; und in Augs-
burg konnte er noch in ein Stammbuch ſchreiben: Legatus est vir bonus
peregre missus ad mentiendum reipublicae causa
.
2 Ueber ihn: Luden, Biographie v. W. Temple. Götting. 1808. Foreign
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a. a. O. S. 28.
3 Ueber dieſe vgl. Flaſſan, Th. IV.
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[379/0403] §. 233. Die Formen des voͤlkerrechtlichen Verkehres. nal Wolſey, ſodann die beiden Cecil unter Eliſabeth und, wenn wir den noch der älteren Diplomatie angehörigen Henry Wot- ton unter Jacob I übergehen, 1 als wahrhaft noblen Character William Temple, der ſich offen zu dem Grundſatz bekannte, daß man in der Politik ſtets die Wahrheit ſagen müſſe. 2 Groß wie im Felde ſo auch in der Unterhandlung war Marlborough mit ed- ler Haltung und Feinheit; weniger groß, ihm gegenüber, Charles Bolingbroke. Gewährten die Regierungen Georgs I und II mehr nur ein Feld für untergeordnete, obwohl mannigfache diplomatiſche Thätigkeit, ſo waren es wieder die Pitt, 3 welche vollkommen das Ideal der britiſchen Politik in ſich trugen und durch die That le- bendig machten, wie ſie auch noch in neuerer Zeit in Canning einen nationalen Kern-Repräſentanten fand. Ebenbürtig den bri- tiſchen Diplomaten zur Seite ſtehen Washington und Franklin. Unter den übrigen Staaten waren bis zu Ende des vorigen Jahrhunderts beſonders die Republiken Venedig und der vereinig- ten Niederlande ausgezeichnete Schulen für politiſche practiſche Ta- lente; jene hatte ihre Contarini, Cornaro, Soranzo und Nani, letz- tere ihren Franz von Aarsſens, ihren Großpenſionär Witt, Hiero- nymus Beverning, Jan Oldenbarneveld, ihren Hugo und Peter Groot. Spanien rühmt ſich eines Olivarez, Don Haro, eines Gra- fen von Pegneranda. — Eine ununterbrochene Reihe ſinniger Diplo- maten hatte ſtets das Haus Oeſterreich. Unſterbliches Verdienſt nicht nur für ſein Land, ſondern auch für den europäiſchen Frieden hat ſich darunter Graf Trautmannsdorf am Münſter-Osnabrückiſchen Friedenscongreß erworben, während in der Folge Graf Kaunitz mehr die iſolirten Intereſſen des Kaiſerhauſes wahrzunehmen Ge- legenheit und Character hatte. Die höchſte und glänzendſte Stel- lung war der öſtreichiſchen Diplomatie im gegenwärtigen Jahrhun- dert vorbehalten. — In Preußen hat die regelmäßige unmittelbare Theilnahme der Regenten an den Staatsgeſchäften den diplomati- ſchen Capacitäten meiſt nur die Thätigkeit der Ausführung gelaſ- 1 Seine Maxime war noch: il volto sciolto, i pensieri stretti; und in Augs- burg konnte er noch in ein Stammbuch ſchreiben: Legatus est vir bonus peregre missus ad mentiendum reipublicae causa. 2 Ueber ihn: Luden, Biographie v. W. Temple. Götting. 1808. Foreign quarterly Rev. a. a. O. S. 28. 3 Ueber dieſe vgl. Flaſſan, Th. IV.

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Zitationshilfe: Heffter, August Wilhelm: Das Europäische Völkerrecht der Gegenwart. Berlin, 1844, S. 379. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heffter_voelkerrecht_1844/403>, abgerufen am 27.11.2024.