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Heffter, August Wilhelm: Das Europäische Völkerrecht der Gegenwart. Berlin, 1844.

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§. 241. Die Formen des völkerrechtlichen Verkehres.
Canzleischreiben (lettres de chancellerie, de conseil ou de ce-
remonie
) oder in sogenannten Cabinets- und Handschreiben.

Canzleischreiben sind die feierlichste Art, wo Ceremonial
und Courtoisie (§. 196.) auf das Strengste beobachtet werden.
Der Eingang enthält die vollständige Titulatur des Schreibenden,
bei monarchischen Souveränen mit: Wir von Gottes Gnaden,
sodann die Titulatur desjenigen, an welchen sich der Schreibende
wendet; demnächst folgt die eigentliche Anrede in der üblichen Canz-
leiform nebst Beifügung etwaniger Ehrenprädicate, insbesondere des
Bruder- und Schwestertitels. Im Context nennt sich der Schrei-
bende Wir, den Addressaten dagegen mit dem Prädicat seiner Würde
(Ew. Majestät, Königl. Hoheit etc.). Den Schluß bilden Freund-
schaftsversicherungen oder fromme Wünsche, sodann eine nochma-
lige Anrede des Addressaten mit seinem Prädicat und üblichen Eh-
renwort, endlich Datum und Ort sowie die Unterschrift und die
Contrasignatur nebst Beifügung des großen Canzleisiegels.

Cabinetsschreiben enthalten nur eine einfache Anrede des
Addressaten mit dem Prädicat seiner Würde oder mit einem ver-
wandschaftlichen Ehrenwort. Man schreibt im Context von sich
in der Einzahl; der Schluß wird mit der Unterschrift durch ver-
bindliche Erklärungen in Eines zusammengefaßt. Das Ganze er-
hält ein kleineres Couvert und das kleinere Staatssiegel. 1

Noch verbindlicher als Cabinetsschreiben sind ganz eigen-
händige Schreiben
ohne alles Cerimoniell rücksichtlich der Titel.

Was nun den Gebrauch der einen oder der anderen Form be-
trifft, so setzen die eigenhändigen Schreiben besonderes Vertrauen,
persönliche Beziehungen oder eigenthümliche Vorfälle in den Fami-
lien und dgl. voraus. Zur förmlichen Staatscorrespondenz dienen
nur Canzlei- und Cabinetsschreiben. Eine Pflicht, die eine oder
die andere Form zu gebrauchen, existirt im Allgemeinen nicht. Canz-
leischreiben in der oben angezeigten gewöhnlichen Form, pflegen in-
deß nur unter Gleichen, oder von einem Höheren gegen einen Ge-
ringeren gebraucht zu werden. Will ein Souverän von geringe-

1 Die nähere Einrichtung und etwanigen Variationen dabei siehe in Mo-
ser Versuch II, 164 u. f. Sneedorf style des cours. chap. 2. Baron
Martens manuel dipl. chap. 9. Außerdem auch noch J. Chrstn. Lünig,
theatrum cerimoniale historico politicum. Leipz. 1720. Jeder Hof rich-
tet sich auch wohl sein eigenes Cerimonialbuch ein.

§. 241. Die Formen des voͤlkerrechtlichen Verkehres.
Canzleiſchreiben (lettres de chancellerie, de conseil ou de cé-
rémonie
) oder in ſogenannten Cabinets- und Handſchreiben.

Canzleiſchreiben ſind die feierlichſte Art, wo Ceremonial
und Courtoiſie (§. 196.) auf das Strengſte beobachtet werden.
Der Eingang enthält die vollſtändige Titulatur des Schreibenden,
bei monarchiſchen Souveränen mit: Wir von Gottes Gnaden,
ſodann die Titulatur desjenigen, an welchen ſich der Schreibende
wendet; demnächſt folgt die eigentliche Anrede in der üblichen Canz-
leiform nebſt Beifügung etwaniger Ehrenprädicate, insbeſondere des
Bruder- und Schweſtertitels. Im Context nennt ſich der Schrei-
bende Wir, den Addreſſaten dagegen mit dem Prädicat ſeiner Würde
(Ew. Majeſtät, Königl. Hoheit ꝛc.). Den Schluß bilden Freund-
ſchaftsverſicherungen oder fromme Wünſche, ſodann eine nochma-
lige Anrede des Addreſſaten mit ſeinem Prädicat und üblichen Eh-
renwort, endlich Datum und Ort ſowie die Unterſchrift und die
Contraſignatur nebſt Beifügung des großen Canzleiſiegels.

Cabinetsſchreiben enthalten nur eine einfache Anrede des
Addreſſaten mit dem Prädicat ſeiner Würde oder mit einem ver-
wandſchaftlichen Ehrenwort. Man ſchreibt im Context von ſich
in der Einzahl; der Schluß wird mit der Unterſchrift durch ver-
bindliche Erklärungen in Eines zuſammengefaßt. Das Ganze er-
hält ein kleineres Couvert und das kleinere Staatsſiegel. 1

Noch verbindlicher als Cabinetsſchreiben ſind ganz eigen-
händige Schreiben
ohne alles Cerimoniell rückſichtlich der Titel.

Was nun den Gebrauch der einen oder der anderen Form be-
trifft, ſo ſetzen die eigenhändigen Schreiben beſonderes Vertrauen,
perſönliche Beziehungen oder eigenthümliche Vorfälle in den Fami-
lien und dgl. voraus. Zur förmlichen Staatscorreſpondenz dienen
nur Canzlei- und Cabinetsſchreiben. Eine Pflicht, die eine oder
die andere Form zu gebrauchen, exiſtirt im Allgemeinen nicht. Canz-
leiſchreiben in der oben angezeigten gewöhnlichen Form, pflegen in-
deß nur unter Gleichen, oder von einem Höheren gegen einen Ge-
ringeren gebraucht zu werden. Will ein Souverän von geringe-

1 Die nähere Einrichtung und etwanigen Variationen dabei ſiehe in Mo-
ſer Verſuch II, 164 u. f. Sneedorf style des cours. chap. 2. Baron
Martens manuel dipl. chap. 9. Außerdem auch noch J. Chrſtn. Lünig,
theatrum cerimoniale historico politicum. Leipz. 1720. Jeder Hof rich-
tet ſich auch wohl ſein eigenes Cerimonialbuch ein.
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[391/0415] §. 241. Die Formen des voͤlkerrechtlichen Verkehres. Canzleiſchreiben (lettres de chancellerie, de conseil ou de cé- rémonie) oder in ſogenannten Cabinets- und Handſchreiben. Canzleiſchreiben ſind die feierlichſte Art, wo Ceremonial und Courtoiſie (§. 196.) auf das Strengſte beobachtet werden. Der Eingang enthält die vollſtändige Titulatur des Schreibenden, bei monarchiſchen Souveränen mit: Wir von Gottes Gnaden, ſodann die Titulatur desjenigen, an welchen ſich der Schreibende wendet; demnächſt folgt die eigentliche Anrede in der üblichen Canz- leiform nebſt Beifügung etwaniger Ehrenprädicate, insbeſondere des Bruder- und Schweſtertitels. Im Context nennt ſich der Schrei- bende Wir, den Addreſſaten dagegen mit dem Prädicat ſeiner Würde (Ew. Majeſtät, Königl. Hoheit ꝛc.). Den Schluß bilden Freund- ſchaftsverſicherungen oder fromme Wünſche, ſodann eine nochma- lige Anrede des Addreſſaten mit ſeinem Prädicat und üblichen Eh- renwort, endlich Datum und Ort ſowie die Unterſchrift und die Contraſignatur nebſt Beifügung des großen Canzleiſiegels. Cabinetsſchreiben enthalten nur eine einfache Anrede des Addreſſaten mit dem Prädicat ſeiner Würde oder mit einem ver- wandſchaftlichen Ehrenwort. Man ſchreibt im Context von ſich in der Einzahl; der Schluß wird mit der Unterſchrift durch ver- bindliche Erklärungen in Eines zuſammengefaßt. Das Ganze er- hält ein kleineres Couvert und das kleinere Staatsſiegel. 1 Noch verbindlicher als Cabinetsſchreiben ſind ganz eigen- händige Schreiben ohne alles Cerimoniell rückſichtlich der Titel. Was nun den Gebrauch der einen oder der anderen Form be- trifft, ſo ſetzen die eigenhändigen Schreiben beſonderes Vertrauen, perſönliche Beziehungen oder eigenthümliche Vorfälle in den Fami- lien und dgl. voraus. Zur förmlichen Staatscorreſpondenz dienen nur Canzlei- und Cabinetsſchreiben. Eine Pflicht, die eine oder die andere Form zu gebrauchen, exiſtirt im Allgemeinen nicht. Canz- leiſchreiben in der oben angezeigten gewöhnlichen Form, pflegen in- deß nur unter Gleichen, oder von einem Höheren gegen einen Ge- ringeren gebraucht zu werden. Will ein Souverän von geringe- 1 Die nähere Einrichtung und etwanigen Variationen dabei ſiehe in Mo- ſer Verſuch II, 164 u. f. Sneedorf style des cours. chap. 2. Baron Martens manuel dipl. chap. 9. Außerdem auch noch J. Chrſtn. Lünig, theatrum cerimoniale historico politicum. Leipz. 1720. Jeder Hof rich- tet ſich auch wohl ſein eigenes Cerimonialbuch ein.

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Zitationshilfe: Heffter, August Wilhelm: Das Europäische Völkerrecht der Gegenwart. Berlin, 1844, S. 391. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heffter_voelkerrecht_1844/415>, abgerufen am 28.11.2024.