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Heffter, August Wilhelm: Das Europäische Völkerrecht der Gegenwart. Berlin, 1844.

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§. 11. Einleitung.
der freien Person geltend macht. Muß darum selbst das gesetzliche
Recht im Innern der Staaten dem Besitz einen gewissen Schutz
leihen, so versteht sich jene Geltung des Besitzes um so viel mehr
nach dem freien Recht der Nationen unter sich. Und auch für
Dritte außer den Betheiligten und deren Angehörigen ist wenigstens
einstweilen der Besitzstand eine Thatsache, welche das Recht selbst
vertritt und die unter ihm entstandenen Rechtsverhältnisse sanctio-
nirt, als wären sie von dem wirklich Berechtigten ausgegangen; 1
nur mag dem Willen und Rechtszustand desselben für die Zukunft
kein Zwang oder Eintrag angethan werden. Anwendungen dieses
Satzes werden in der Folge sich ergeben.

Die Natur des Besitzes für sich selbst ist übrigens im Völker-
recht keine andere, als im Privatrecht. Nur die näheren Bedingun-
gen zum richterlichen Schutz des Besitzes kommen dort nicht in
Betrag: Es genügt die Thatsache des für sich Selbst-Besitzens,
ausgenommen in Staatensystemen, wo es eine unblutige Dikäo-
dosie der Genossen nach bestimmten Gesetzen giebt, wie im Deut-
schen Bunde nach vormaligen gemeinen Reichsrechten. Nicht bloß
Sachen, sondern auch Gerechtsame (iuris quasi possessio) kann
ein völkerrechtlicher Besitzstand ergreifen. Unwissend übt man kei-
nen Besitz; 2 den Staat aber vertreten hier die Organe der Staats-
gewalt und deren Beauftragte.

In welchen Fällen der Besitz auch ein wirkliches Recht giebt,
wird im Folgenden bemerkt werden.

Quellen der Specialrechte einzelner Staaten.

11. Rechtsverhältnisse einzelner Staaten, die nicht schon nach
gemeingiltigen Grundsätzen des Völkerrechts existiren, können nur ge-
gründet werden auf Verträge, sodann auf Besitzergreifung herren-
oder staatloser Gegenstände, wovon weiterhin erst im Zusammen-
hang zu handeln ist; außerdem aber noch auf unvordenklichen Be-
sitz (vetustas, antiquitas, res quarum memoria non existit);

1 Wir finden diese Lehre bei Groot, I, 4, 20. II, 4, 8. §. 3. und sonst.
Schmalz Völkerr. 208. Klüber dr. des gens. §. 6. Dieses Princip be-
folgt auch der Päbstliche Stuhl. M. s. die Erklärung desselben d. non.
Aug.
1831.
2 S. schon Groot, III, 21, 26.

§. 11. Einleitung.
der freien Perſon geltend macht. Muß darum ſelbſt das geſetzliche
Recht im Innern der Staaten dem Beſitz einen gewiſſen Schutz
leihen, ſo verſteht ſich jene Geltung des Beſitzes um ſo viel mehr
nach dem freien Recht der Nationen unter ſich. Und auch für
Dritte außer den Betheiligten und deren Angehörigen iſt wenigſtens
einſtweilen der Beſitzſtand eine Thatſache, welche das Recht ſelbſt
vertritt und die unter ihm entſtandenen Rechtsverhältniſſe ſanctio-
nirt, als wären ſie von dem wirklich Berechtigten ausgegangen; 1
nur mag dem Willen und Rechtszuſtand deſſelben für die Zukunft
kein Zwang oder Eintrag angethan werden. Anwendungen dieſes
Satzes werden in der Folge ſich ergeben.

Die Natur des Beſitzes für ſich ſelbſt iſt übrigens im Völker-
recht keine andere, als im Privatrecht. Nur die näheren Bedingun-
gen zum richterlichen Schutz des Beſitzes kommen dort nicht in
Betrag: Es genügt die Thatſache des für ſich Selbſt-Beſitzens,
ausgenommen in Staatenſyſtemen, wo es eine unblutige Dikäo-
doſie der Genoſſen nach beſtimmten Geſetzen giebt, wie im Deut-
ſchen Bunde nach vormaligen gemeinen Reichsrechten. Nicht bloß
Sachen, ſondern auch Gerechtſame (iuris quasi possessio) kann
ein völkerrechtlicher Beſitzſtand ergreifen. Unwiſſend übt man kei-
nen Beſitz; 2 den Staat aber vertreten hier die Organe der Staats-
gewalt und deren Beauftragte.

In welchen Fällen der Beſitz auch ein wirkliches Recht giebt,
wird im Folgenden bemerkt werden.

Quellen der Specialrechte einzelner Staaten.

11. Rechtsverhältniſſe einzelner Staaten, die nicht ſchon nach
gemeingiltigen Grundſätzen des Völkerrechts exiſtiren, können nur ge-
gründet werden auf Verträge, ſodann auf Beſitzergreifung herren-
oder ſtaatloſer Gegenſtände, wovon weiterhin erſt im Zuſammen-
hang zu handeln iſt; außerdem aber noch auf unvordenklichen Be-
ſitz (vetustas, antiquitas, res quarum memoria non existit);

1 Wir finden dieſe Lehre bei Groot, I, 4, 20. II, 4, 8. §. 3. und ſonſt.
Schmalz Völkerr. 208. Klüber dr. des gens. §. 6. Dieſes Princip be-
folgt auch der Päbſtliche Stuhl. M. ſ. die Erklärung deſſelben d. non.
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1831.
2 S. ſchon Groot, III, 21, 26.
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[23/0047] §. 11. Einleitung. der freien Perſon geltend macht. Muß darum ſelbſt das geſetzliche Recht im Innern der Staaten dem Beſitz einen gewiſſen Schutz leihen, ſo verſteht ſich jene Geltung des Beſitzes um ſo viel mehr nach dem freien Recht der Nationen unter ſich. Und auch für Dritte außer den Betheiligten und deren Angehörigen iſt wenigſtens einſtweilen der Beſitzſtand eine Thatſache, welche das Recht ſelbſt vertritt und die unter ihm entſtandenen Rechtsverhältniſſe ſanctio- nirt, als wären ſie von dem wirklich Berechtigten ausgegangen; 1 nur mag dem Willen und Rechtszuſtand deſſelben für die Zukunft kein Zwang oder Eintrag angethan werden. Anwendungen dieſes Satzes werden in der Folge ſich ergeben. Die Natur des Beſitzes für ſich ſelbſt iſt übrigens im Völker- recht keine andere, als im Privatrecht. Nur die näheren Bedingun- gen zum richterlichen Schutz des Beſitzes kommen dort nicht in Betrag: Es genügt die Thatſache des für ſich Selbſt-Beſitzens, ausgenommen in Staatenſyſtemen, wo es eine unblutige Dikäo- doſie der Genoſſen nach beſtimmten Geſetzen giebt, wie im Deut- ſchen Bunde nach vormaligen gemeinen Reichsrechten. Nicht bloß Sachen, ſondern auch Gerechtſame (iuris quasi possessio) kann ein völkerrechtlicher Beſitzſtand ergreifen. Unwiſſend übt man kei- nen Beſitz; 2 den Staat aber vertreten hier die Organe der Staats- gewalt und deren Beauftragte. In welchen Fällen der Beſitz auch ein wirkliches Recht giebt, wird im Folgenden bemerkt werden. Quellen der Specialrechte einzelner Staaten. 11. Rechtsverhältniſſe einzelner Staaten, die nicht ſchon nach gemeingiltigen Grundſätzen des Völkerrechts exiſtiren, können nur ge- gründet werden auf Verträge, ſodann auf Beſitzergreifung herren- oder ſtaatloſer Gegenſtände, wovon weiterhin erſt im Zuſammen- hang zu handeln iſt; außerdem aber noch auf unvordenklichen Be- ſitz (vetustas, antiquitas, res quarum memoria non existit); 1 Wir finden dieſe Lehre bei Groot, I, 4, 20. II, 4, 8. §. 3. und ſonſt. Schmalz Völkerr. 208. Klüber dr. des gens. §. 6. Dieſes Princip be- folgt auch der Päbſtliche Stuhl. M. ſ. die Erklärung deſſelben d. non. Aug. 1831. 2 S. ſchon Groot, III, 21, 26.

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Zitationshilfe: Heffter, August Wilhelm: Das Europäische Völkerrecht der Gegenwart. Berlin, 1844, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heffter_voelkerrecht_1844/47>, abgerufen am 23.11.2024.