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Heffter, August Wilhelm: Das Europäische Völkerrecht der Gegenwart. Berlin, 1844.

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§. 25. Völkerrecht im Zustand des Friedens.
durch völlige Auflösung der ausschließlichen Genossenschaft, z. B.
mittelst Auswanderung oder Vertreibung der Einzelnen in
andere Gegenden, wie dem Judenvolk widerfuhr; oder auch
durch Vermischung einer Staatsgemeinde mit einer anderen für
sich seienden (unio per confusionem), wo entweder jede
ihre Besonderheit aufgiebt, oder eine sich der anderen unter-
ordnet. 1

Nur theilweis verliert er seine Existenz durch Substanzverminde-
derung, nämlich:

durch Dismembration oder Trennung in mehrere Einzelstaaten;
durch Avulsion oder Abtrennung eines Theils der Staatsge-
meinde und Verbindung derselben mit einem anderen Staat;
durch Incorporation in einen andern oder durch Reducirung
auf Halbsouveränetät (§. 19.).

Dagegen bleibt es derselbe Staat
wenn bloß in der Regierungsform oder im Subject der Staats-
gewalt eine Aenderung eintritt, 2 wohin auch der Fall einer
gleichen Vereinigung mit einem anderen Staat gehört; sodann
bei Uebersiedelung aus einem Territorium in ein anderes, wo-
bei Ersterer ganz aufgehoben wird, 3

während die Staatsgemeinde selbst in ihrer Ausschließlichkeit und
Selbständigkeit verbleibt.

Durch Fälle der letzteren Art wird natürlich in den Rechtsver-
hältnissen des bisherigen Staates Nichts geändert; sie äußern nur
dann einen Einfluß auf letztere, wenn und so weit solche von der
unveränderten Beschaffenheit der bisherigen Zustände abhängig sind,
z. B. in Betreff der Verträge.

25. Hinsichtlich der Fälle eines gänzlichen oder theilweisen Staa-
ten-Erlöschens entsteht nun die Frage: ob und für wen dabei eine

1 Vgl. Groot a. a. O. §. 6. Pufendorf §. 9.
2 Aristoteles nahm bei dieser schon damals berühmten Frage das Gegentheil
an (Polit. III, 1.). Allein bei den neueren Publicisten ist nur eine Stimme
darüber. S. Groot, §. 8, 1. a. a. O. Pufendorf, §. 1. a. a. O. Böcler,
de actis civitat. (Diss. acad. Vol. I, p. 881). Hert, de plurib. homi-
nib. unam person. sustinentib.
§. 7. 8. Die Elemente des Staats blei-
ben ja unverändert.
3 Feste Sitze erachten wir freilich für wesentlich zu einem wahren Staat,
aber dieselbe Scholle macht nicht den Staat. S. auch Groot, §. 7. a. a. O.
Pufendorf, §. 9.
§. 25. Voͤlkerrecht im Zuſtand des Friedens.
durch völlige Auflöſung der ausſchließlichen Genoſſenſchaft, z. B.
mittelſt Auswanderung oder Vertreibung der Einzelnen in
andere Gegenden, wie dem Judenvolk widerfuhr; oder auch
durch Vermiſchung einer Staatsgemeinde mit einer anderen für
ſich ſeienden (unio per confusionem), wo entweder jede
ihre Beſonderheit aufgiebt, oder eine ſich der anderen unter-
ordnet. 1

Nur theilweis verliert er ſeine Exiſtenz durch Subſtanzverminde-
derung, nämlich:

durch Dismembration oder Trennung in mehrere Einzelſtaaten;
durch Avulſion oder Abtrennung eines Theils der Staatsge-
meinde und Verbindung derſelben mit einem anderen Staat;
durch Incorporation in einen andern oder durch Reducirung
auf Halbſouveränetät (§. 19.).

Dagegen bleibt es derſelbe Staat
wenn bloß in der Regierungsform oder im Subject der Staats-
gewalt eine Aenderung eintritt, 2 wohin auch der Fall einer
gleichen Vereinigung mit einem anderen Staat gehört; ſodann
bei Ueberſiedelung aus einem Territorium in ein anderes, wo-
bei Erſterer ganz aufgehoben wird, 3

während die Staatsgemeinde ſelbſt in ihrer Ausſchließlichkeit und
Selbſtändigkeit verbleibt.

Durch Fälle der letzteren Art wird natürlich in den Rechtsver-
hältniſſen des bisherigen Staates Nichts geändert; ſie äußern nur
dann einen Einfluß auf letztere, wenn und ſo weit ſolche von der
unveränderten Beſchaffenheit der bisherigen Zuſtände abhängig ſind,
z. B. in Betreff der Verträge.

25. Hinſichtlich der Fälle eines gänzlichen oder theilweiſen Staa-
ten-Erlöſchens entſteht nun die Frage: ob und für wen dabei eine

1 Vgl. Groot a. a. O. §. 6. Pufendorf §. 9.
2 Ariſtoteles nahm bei dieſer ſchon damals berühmten Frage das Gegentheil
an (Polit. III, 1.). Allein bei den neueren Publiciſten iſt nur eine Stimme
darüber. S. Groot, §. 8, 1. a. a. O. Pufendorf, §. 1. a. a. O. Böcler,
de actis civitat. (Diss. acad. Vol. I, p. 881). Hert, de plurib. homi-
nib. unam person. sustinentib.
§. 7. 8. Die Elemente des Staats blei-
ben ja unverändert.
3 Feſte Sitze erachten wir freilich für weſentlich zu einem wahren Staat,
aber dieſelbe Scholle macht nicht den Staat. S. auch Groot, §. 7. a. a. O.
Pufendorf, §. 9.
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[41/0065] §. 25. Voͤlkerrecht im Zuſtand des Friedens. durch völlige Auflöſung der ausſchließlichen Genoſſenſchaft, z. B. mittelſt Auswanderung oder Vertreibung der Einzelnen in andere Gegenden, wie dem Judenvolk widerfuhr; oder auch durch Vermiſchung einer Staatsgemeinde mit einer anderen für ſich ſeienden (unio per confusionem), wo entweder jede ihre Beſonderheit aufgiebt, oder eine ſich der anderen unter- ordnet. 1 Nur theilweis verliert er ſeine Exiſtenz durch Subſtanzverminde- derung, nämlich: durch Dismembration oder Trennung in mehrere Einzelſtaaten; durch Avulſion oder Abtrennung eines Theils der Staatsge- meinde und Verbindung derſelben mit einem anderen Staat; durch Incorporation in einen andern oder durch Reducirung auf Halbſouveränetät (§. 19.). Dagegen bleibt es derſelbe Staat wenn bloß in der Regierungsform oder im Subject der Staats- gewalt eine Aenderung eintritt, 2 wohin auch der Fall einer gleichen Vereinigung mit einem anderen Staat gehört; ſodann bei Ueberſiedelung aus einem Territorium in ein anderes, wo- bei Erſterer ganz aufgehoben wird, 3 während die Staatsgemeinde ſelbſt in ihrer Ausſchließlichkeit und Selbſtändigkeit verbleibt. Durch Fälle der letzteren Art wird natürlich in den Rechtsver- hältniſſen des bisherigen Staates Nichts geändert; ſie äußern nur dann einen Einfluß auf letztere, wenn und ſo weit ſolche von der unveränderten Beſchaffenheit der bisherigen Zuſtände abhängig ſind, z. B. in Betreff der Verträge. 25. Hinſichtlich der Fälle eines gänzlichen oder theilweiſen Staa- ten-Erlöſchens entſteht nun die Frage: ob und für wen dabei eine 1 Vgl. Groot a. a. O. §. 6. Pufendorf §. 9. 2 Ariſtoteles nahm bei dieſer ſchon damals berühmten Frage das Gegentheil an (Polit. III, 1.). Allein bei den neueren Publiciſten iſt nur eine Stimme darüber. S. Groot, §. 8, 1. a. a. O. Pufendorf, §. 1. a. a. O. Böcler, de actis civitat. (Diss. acad. Vol. I, p. 881). Hert, de plurib. homi- nib. unam person. sustinentib. §. 7. 8. Die Elemente des Staats blei- ben ja unverändert. 3 Feſte Sitze erachten wir freilich für weſentlich zu einem wahren Staat, aber dieſelbe Scholle macht nicht den Staat. S. auch Groot, §. 7. a. a. O. Pufendorf, §. 9.

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Zitationshilfe: Heffter, August Wilhelm: Das Europäische Völkerrecht der Gegenwart. Berlin, 1844, S. 41. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heffter_voelkerrecht_1844/65>, abgerufen am 27.11.2024.