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Heffter, August Wilhelm: Das Europäische Völkerrecht der Gegenwart. Berlin, 1844.

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Erstes Buch. §. 34.

Andere Verpflichtungen oder Beschränkungen der Staatsgewal-
ten fließen, abgesehen von den Grenzen, welche ihnen durch das in-
nere Staatsrecht gesetzt werden,
aus der anderen Staaten schuldigen Achtung (§. 31.), so
wie aus den Europäischen Rangverhältnissen (§. 28.);
aus den allgemeinen Menschenrechten, welche jeder Staat
selbst den ihm nicht Angehörigen zugestehen muß;
aus den Verhältnissen der Unterthanen zu auswärtigen spi-
rituellen Mächten, von welchen sie in Betreff ihres Religions-
cultus abhängig sind, wobei insbesondere die Institutionen
der Römisch-katholischen Kirche in Betracht kommen;
aus dem Verhältniß der Exterritorialität;
aus der Bestellung von Staatsservituten;
endlich können in einzelnen Fällen Interventionsrechte An-
derer begründet sein.

Von allen diesen ist, so weit es noch nicht geschehen, der Reihe
nach zu handeln, nachdem zuvor noch das Verhältniß verschiede-
ner Staatsgewalten in Collisionsfällen, in Betreff einzelner Ge-
genstände, erörtert sein wird.

Verhältniß der Staatsgewalten zu auswärtigen Souveränetätsacten und Rechts-
verhältnissen in Collisionsfällen.

34. Unmöglich kann dem Territorialprincip und dem Recht auf
Unabhängigkeit die ausgedehnte Deutung gegeben werden, daß Sou-
veränetätsacte und Rechtsverhältnisse fremder Staaten für einen an-
deren völlig gleichgiltig und ein Non ens seien. Schon das Recht
auf gegenseitige Achtung würde sich einem solchen Indifferentismus
widersetzen; es giebt aber noch außerdem bestimmte Gründe, welche
zur Berücksichtigung der Rechte fremder Staatsgewalten nöthigen;
namentlich

I. im völkerrechtlichen Verkehr, insofern die dabei concurriren-
den Personen oder Sachen verschiedener Staaten in Ansehung
ihrer staatsrechtlichen Eigenschaften lediglich nach dem Recht
desjenigen Staates zu beurtheilen sind, welchem sie angehö-
ren. Eine Anerkennung dieser Eigenschaften kann nur ver-
verweigert werden, wenn sie dem völkerrechtlichen Herkom-
ciebat, uti prohibeatur. L. 1. §. 11. D. de aqua l. 26. D. de damno
inf.
S. auch Cocceii, de iure nocendi aliis. in Vol. dissert. II, p. 1199.
Erſtes Buch. §. 34.

Andere Verpflichtungen oder Beſchränkungen der Staatsgewal-
ten fließen, abgeſehen von den Grenzen, welche ihnen durch das in-
nere Staatsrecht geſetzt werden,
aus der anderen Staaten ſchuldigen Achtung (§. 31.), ſo
wie aus den Europäiſchen Rangverhältniſſen (§. 28.);
aus den allgemeinen Menſchenrechten, welche jeder Staat
ſelbſt den ihm nicht Angehörigen zugeſtehen muß;
aus den Verhältniſſen der Unterthanen zu auswärtigen ſpi-
rituellen Mächten, von welchen ſie in Betreff ihres Religions-
cultus abhängig ſind, wobei insbeſondere die Inſtitutionen
der Römiſch-katholiſchen Kirche in Betracht kommen;
aus dem Verhältniß der Exterritorialität;
aus der Beſtellung von Staatsſervituten;
endlich können in einzelnen Fällen Interventionsrechte An-
derer begründet ſein.

Von allen dieſen iſt, ſo weit es noch nicht geſchehen, der Reihe
nach zu handeln, nachdem zuvor noch das Verhältniß verſchiede-
ner Staatsgewalten in Colliſionsfällen, in Betreff einzelner Ge-
genſtände, erörtert ſein wird.

Verhältniß der Staatsgewalten zu auswärtigen Souveränetätsacten und Rechts-
verhältniſſen in Colliſionsfällen.

34. Unmöglich kann dem Territorialprincip und dem Recht auf
Unabhängigkeit die ausgedehnte Deutung gegeben werden, daß Sou-
veränetätsacte und Rechtsverhältniſſe fremder Staaten für einen an-
deren völlig gleichgiltig und ein Non ens ſeien. Schon das Recht
auf gegenſeitige Achtung würde ſich einem ſolchen Indifferentismus
widerſetzen; es giebt aber noch außerdem beſtimmte Gründe, welche
zur Berückſichtigung der Rechte fremder Staatsgewalten nöthigen;
namentlich

I. im völkerrechtlichen Verkehr, inſofern die dabei concurriren-
den Perſonen oder Sachen verſchiedener Staaten in Anſehung
ihrer ſtaatsrechtlichen Eigenſchaften lediglich nach dem Recht
desjenigen Staates zu beurtheilen ſind, welchem ſie angehö-
ren. Eine Anerkennung dieſer Eigenſchaften kann nur ver-
verweigert werden, wenn ſie dem völkerrechtlichen Herkom-
ciebat, uti prohibeatur. L. 1. §. 11. D. de aqua l. 26. D. de damno
inf.
S. auch Cocceii, de iure nocendi aliis. in Vol. dissert. II, p. 1199.
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[60/0084] Erſtes Buch. §. 34. Andere Verpflichtungen oder Beſchränkungen der Staatsgewal- ten fließen, abgeſehen von den Grenzen, welche ihnen durch das in- nere Staatsrecht geſetzt werden, aus der anderen Staaten ſchuldigen Achtung (§. 31.), ſo wie aus den Europäiſchen Rangverhältniſſen (§. 28.); aus den allgemeinen Menſchenrechten, welche jeder Staat ſelbſt den ihm nicht Angehörigen zugeſtehen muß; aus den Verhältniſſen der Unterthanen zu auswärtigen ſpi- rituellen Mächten, von welchen ſie in Betreff ihres Religions- cultus abhängig ſind, wobei insbeſondere die Inſtitutionen der Römiſch-katholiſchen Kirche in Betracht kommen; aus dem Verhältniß der Exterritorialität; aus der Beſtellung von Staatsſervituten; endlich können in einzelnen Fällen Interventionsrechte An- derer begründet ſein. Von allen dieſen iſt, ſo weit es noch nicht geſchehen, der Reihe nach zu handeln, nachdem zuvor noch das Verhältniß verſchiede- ner Staatsgewalten in Colliſionsfällen, in Betreff einzelner Ge- genſtände, erörtert ſein wird. Verhältniß der Staatsgewalten zu auswärtigen Souveränetätsacten und Rechts- verhältniſſen in Colliſionsfällen. 34. Unmöglich kann dem Territorialprincip und dem Recht auf Unabhängigkeit die ausgedehnte Deutung gegeben werden, daß Sou- veränetätsacte und Rechtsverhältniſſe fremder Staaten für einen an- deren völlig gleichgiltig und ein Non ens ſeien. Schon das Recht auf gegenſeitige Achtung würde ſich einem ſolchen Indifferentismus widerſetzen; es giebt aber noch außerdem beſtimmte Gründe, welche zur Berückſichtigung der Rechte fremder Staatsgewalten nöthigen; namentlich I. im völkerrechtlichen Verkehr, inſofern die dabei concurriren- den Perſonen oder Sachen verſchiedener Staaten in Anſehung ihrer ſtaatsrechtlichen Eigenſchaften lediglich nach dem Recht desjenigen Staates zu beurtheilen ſind, welchem ſie angehö- ren. Eine Anerkennung dieſer Eigenſchaften kann nur ver- verweigert werden, wenn ſie dem völkerrechtlichen Herkom- 4 4 ciebat, uti prohibeatur. L. 1. §. 11. D. de aqua l. 26. D. de damno inf. S. auch Cocceii, de iure nocendi aliis. in Vol. dissert. II, p. 1199.

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Zitationshilfe: Heffter, August Wilhelm: Das Europäische Völkerrecht der Gegenwart. Berlin, 1844, S. 60. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heffter_voelkerrecht_1844/84>, abgerufen am 27.11.2024.