Es pflegt bey solchen Fragen in Ansehung des Aus- drucks, die Billigkeit in Anspruch genommen zu werden, daß es auf die Worte nicht ankomme, sondern in einer oder andern Weise des Ausdrucks verständlich sey, wor- auf es ankomme? Ausdrücke der sinnlichen Vorstellung, wie herausgehen und dergleichen, die gern bey der Frage gebraucht werden, erwecken den Verdacht, daß die Heimath, aus der sie stammt, der Boden des ge- wöhnlichen Vorstellens ist, und daß für die Beantwor- tung auch Vorstellungen, die im gemeinen Leben gangbar sind, und die Gestalt eines sinnlichen Gleichnisses erwar- tet werden.
Wenn statt des Unendlichen das Seyn überhaupt genommen wird, so scheint das Bestimmen des Seyns, eine Negation an ihm, leichter begreiflich. Denn Seyn ist zwar selbst das Unbestimmte; insofern es also be- stimmt ist, ist es das bestimmte Unbestimmte, Einheit der Bestimmtheit und Unbestimmtheit. Aber es ist nicht un- mittelbar an ihm ausgedrückt, daß es das Gegentheil des Bestimmten sey. Das Unendliche hingegen enthält diß ausgedrückt; es ist das Nicht-endliche. Die Ein- heit des Endlichen und Unendlichen scheint somit unmit- telbar ausgeschlossen; die unvollendete, vorstellende Re- flexion ist daher am hartnäckigsten gegen diese Einheit.
Es ist aber gezeigt worden, und es erhellt unmit- telbar, daß das Unendliche, und zwar in dem Sinne, in dem es von jenem Reflectiren genommen wird, -- nemlich als dem Endlichen gegenüberstehend, -- darum weil es ihm gegenübersteht, an ihm sein Anderes hat, daher be- grenzt und selbst endlich ist. Die Antwort auf die Frage, wie das Unendliche endlich werde, ist somit diese, daß es nicht ein Unendliches gibt, das vorerst unendlich ist, und das nachher erst endlich zu werden,
zur
Qualitaͤt.
Es pflegt bey ſolchen Fragen in Anſehung des Aus- drucks, die Billigkeit in Anſpruch genommen zu werden, daß es auf die Worte nicht ankomme, ſondern in einer oder andern Weiſe des Ausdrucks verſtaͤndlich ſey, wor- auf es ankomme? Ausdruͤcke der ſinnlichen Vorſtellung, wie herausgehen und dergleichen, die gern bey der Frage gebraucht werden, erwecken den Verdacht, daß die Heimath, aus der ſie ſtammt, der Boden des ge- woͤhnlichen Vorſtellens iſt, und daß fuͤr die Beantwor- tung auch Vorſtellungen, die im gemeinen Leben gangbar ſind, und die Geſtalt eines ſinnlichen Gleichniſſes erwar- tet werden.
Wenn ſtatt des Unendlichen das Seyn uͤberhaupt genommen wird, ſo ſcheint das Beſtimmen des Seyns, eine Negation an ihm, leichter begreiflich. Denn Seyn iſt zwar ſelbſt das Unbeſtimmte; inſofern es alſo be- ſtimmt iſt, iſt es das beſtimmte Unbeſtimmte, Einheit der Beſtimmtheit und Unbeſtimmtheit. Aber es iſt nicht un- mittelbar an ihm ausgedruͤckt, daß es das Gegentheil des Beſtimmten ſey. Das Unendliche hingegen enthaͤlt diß ausgedruͤckt; es iſt das Nicht-endliche. Die Ein- heit des Endlichen und Unendlichen ſcheint ſomit unmit- telbar ausgeſchloſſen; die unvollendete, vorſtellende Re- flexion iſt daher am hartnaͤckigſten gegen dieſe Einheit.
Es iſt aber gezeigt worden, und es erhellt unmit- telbar, daß das Unendliche, und zwar in dem Sinne, in dem es von jenem Reflectiren genommen wird, — nemlich als dem Endlichen gegenuͤberſtehend, — darum weil es ihm gegenuͤberſteht, an ihm ſein Anderes hat, daher be- grenzt und ſelbſt endlich iſt. Die Antwort auf die Frage, wie das Unendliche endlich werde, iſt ſomit dieſe, daß es nicht ein Unendliches gibt, das vorerſt unendlich iſt, und das nachher erſt endlich zu werden,
zur
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><divn="5"><divn="6"><divn="7"><pbfacs="#f0137"n="89"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#g">Qualitaͤt</hi>.</fw><lb/><p>Es pflegt bey ſolchen Fragen in Anſehung des Aus-<lb/>
drucks, die Billigkeit in Anſpruch genommen zu werden,<lb/>
daß es auf die Worte nicht ankomme, ſondern in einer<lb/>
oder andern Weiſe des Ausdrucks verſtaͤndlich ſey, wor-<lb/>
auf es ankomme? Ausdruͤcke der ſinnlichen Vorſtellung,<lb/>
wie <hirendition="#g">herausgehen</hi> und dergleichen, die gern bey der<lb/>
Frage gebraucht werden, erwecken den Verdacht, daß<lb/>
die Heimath, aus der ſie ſtammt, der Boden des ge-<lb/>
woͤhnlichen Vorſtellens iſt, und daß fuͤr die Beantwor-<lb/>
tung auch Vorſtellungen, die im gemeinen Leben gangbar<lb/>ſind, und die Geſtalt eines ſinnlichen Gleichniſſes erwar-<lb/>
tet werden.</p><lb/><p>Wenn ſtatt des Unendlichen das Seyn uͤberhaupt<lb/>
genommen wird, ſo ſcheint das Beſtimmen des Seyns,<lb/>
eine Negation an ihm, leichter begreiflich. Denn Seyn<lb/>
iſt zwar ſelbſt das Unbeſtimmte; inſofern es alſo be-<lb/>ſtimmt iſt, iſt es das beſtimmte Unbeſtimmte, Einheit der<lb/>
Beſtimmtheit und Unbeſtimmtheit. Aber es iſt nicht un-<lb/>
mittelbar an ihm ausgedruͤckt, daß es das Gegentheil<lb/>
des Beſtimmten ſey. Das Unendliche hingegen enthaͤlt<lb/>
diß ausgedruͤckt; es iſt das <hirendition="#g">Nicht-</hi>endliche. Die Ein-<lb/>
heit des Endlichen und Unendlichen ſcheint ſomit unmit-<lb/>
telbar ausgeſchloſſen; die unvollendete, vorſtellende Re-<lb/>
flexion iſt daher am hartnaͤckigſten gegen dieſe Einheit.</p><lb/><p>Es iſt aber gezeigt worden, und es erhellt unmit-<lb/>
telbar, daß das Unendliche, und zwar in dem Sinne, in dem<lb/>
es von jenem Reflectiren genommen wird, — nemlich<lb/>
als dem Endlichen gegenuͤberſtehend, — darum weil es<lb/>
ihm gegenuͤberſteht, an ihm ſein Anderes hat, daher be-<lb/>
grenzt und ſelbſt endlich iſt. Die Antwort auf die Frage,<lb/><hirendition="#g">wie das Unendliche endlich werde</hi>, iſt ſomit<lb/>
dieſe, daß es nicht ein Unendliches <hirendition="#g">gibt</hi>, das <hirendition="#g">vorerſt</hi><lb/>
unendlich iſt, und das nachher erſt endlich zu werden,<lb/><fwplace="bottom"type="catch">zur</fw><lb/></p></div></div></div></div></div></div></div></body></text></TEI>
[89/0137]
Qualitaͤt.
Es pflegt bey ſolchen Fragen in Anſehung des Aus-
drucks, die Billigkeit in Anſpruch genommen zu werden,
daß es auf die Worte nicht ankomme, ſondern in einer
oder andern Weiſe des Ausdrucks verſtaͤndlich ſey, wor-
auf es ankomme? Ausdruͤcke der ſinnlichen Vorſtellung,
wie herausgehen und dergleichen, die gern bey der
Frage gebraucht werden, erwecken den Verdacht, daß
die Heimath, aus der ſie ſtammt, der Boden des ge-
woͤhnlichen Vorſtellens iſt, und daß fuͤr die Beantwor-
tung auch Vorſtellungen, die im gemeinen Leben gangbar
ſind, und die Geſtalt eines ſinnlichen Gleichniſſes erwar-
tet werden.
Wenn ſtatt des Unendlichen das Seyn uͤberhaupt
genommen wird, ſo ſcheint das Beſtimmen des Seyns,
eine Negation an ihm, leichter begreiflich. Denn Seyn
iſt zwar ſelbſt das Unbeſtimmte; inſofern es alſo be-
ſtimmt iſt, iſt es das beſtimmte Unbeſtimmte, Einheit der
Beſtimmtheit und Unbeſtimmtheit. Aber es iſt nicht un-
mittelbar an ihm ausgedruͤckt, daß es das Gegentheil
des Beſtimmten ſey. Das Unendliche hingegen enthaͤlt
diß ausgedruͤckt; es iſt das Nicht-endliche. Die Ein-
heit des Endlichen und Unendlichen ſcheint ſomit unmit-
telbar ausgeſchloſſen; die unvollendete, vorſtellende Re-
flexion iſt daher am hartnaͤckigſten gegen dieſe Einheit.
Es iſt aber gezeigt worden, und es erhellt unmit-
telbar, daß das Unendliche, und zwar in dem Sinne, in dem
es von jenem Reflectiren genommen wird, — nemlich
als dem Endlichen gegenuͤberſtehend, — darum weil es
ihm gegenuͤberſteht, an ihm ſein Anderes hat, daher be-
grenzt und ſelbſt endlich iſt. Die Antwort auf die Frage,
wie das Unendliche endlich werde, iſt ſomit
dieſe, daß es nicht ein Unendliches gibt, das vorerſt
unendlich iſt, und das nachher erſt endlich zu werden,
zur
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Wissenschaft der Logik. Bd. 1,1. Nürnberg, 1812, S. 89. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_logik0101_1812/137>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.