Aufheben hat in der Sprache den gedoppelten Sinn, daß es so viel als aufbewahren, erhalten be- deutet, und so viel als aufhören lassen, ein Ende ma- chen. Das Aufbewahren schließt schon das Negative in sich, daß etwas seiner Unmittelbarkeit und damit einem den äusserlichen Einwirkungen offenen Daseyn entnom- men wird, um es zu erhalten. -- So ist das Aufgeho- bene ein zugleich Aufbewahrtes, das nur seine Unmittel- barkeit verloren hat, aber darum nicht verschwunden ist.
Das Aufgehobene genauer bestimmt, so ist hier et- was nur insofern aufgehoben, als es in die Einheit mit seinem Entgegengesetzten getreten ist; es ist in dieser nä- hern Bestimmung ein reflectirtes, und kann passend Moment genannt werden. -- Wie noch öfter die Be- merkung sich aufdringen wird, daß die philosophische Kunstsprache, für reflectirte Bestimmungen lateinische Ausdrücke gebraucht.
Der nähere Sinn aber und Ausdruck, den Seyn und Nichts, indem sie nunmehr Momente sind, er- halten, hat sich bey der Betrachtung des Daseyns, als der Einheit, in der sie aufbewahrt sind, näher zu erge- ben. Seyn ist Seyn, und Nichts ist Nichts, nur in ihrer Unterschiedenheit von einander; in ihrer Wahrheit aber, in ihrer Einheit sind sie als diese Bestimmungen verschwunden, und sind nun etwas anderes. Seyn und Nichts sind dasselbe; darum weil sie dasselbe sind, sind sie nicht mehr Seyn und Nichts, und haben eine ver- schiedene Bestimmung; im Werden waren sie Entstehen und Vergehen; im Daseyn als einer anders bestimmten Einheit sind sie wieder anders bestimmte Momente.
Zwey-
Erſtes Buch. I.Abſchnitt.
Aufheben hat in der Sprache den gedoppelten Sinn, daß es ſo viel als aufbewahren, erhalten be- deutet, und ſo viel als aufhoͤren laſſen, ein Ende ma- chen. Das Aufbewahren ſchließt ſchon das Negative in ſich, daß etwas ſeiner Unmittelbarkeit und damit einem den aͤuſſerlichen Einwirkungen offenen Daſeyn entnom- men wird, um es zu erhalten. — So iſt das Aufgeho- bene ein zugleich Aufbewahrtes, das nur ſeine Unmittel- barkeit verloren hat, aber darum nicht verſchwunden iſt.
Das Aufgehobene genauer beſtimmt, ſo iſt hier et- was nur inſofern aufgehoben, als es in die Einheit mit ſeinem Entgegengeſetzten getreten iſt; es iſt in dieſer naͤ- hern Beſtimmung ein reflectirtes, und kann paſſend Moment genannt werden. — Wie noch oͤfter die Be- merkung ſich aufdringen wird, daß die philoſophiſche Kunſtſprache, fuͤr reflectirte Beſtimmungen lateiniſche Ausdruͤcke gebraucht.
Der naͤhere Sinn aber und Ausdruck, den Seyn und Nichts, indem ſie nunmehr Momente ſind, er- halten, hat ſich bey der Betrachtung des Daſeyns, als der Einheit, in der ſie aufbewahrt ſind, naͤher zu erge- ben. Seyn iſt Seyn, und Nichts iſt Nichts, nur in ihrer Unterſchiedenheit von einander; in ihrer Wahrheit aber, in ihrer Einheit ſind ſie als dieſe Beſtimmungen verſchwunden, und ſind nun etwas anderes. Seyn und Nichts ſind daſſelbe; darum weil ſie daſſelbe ſind, ſind ſie nicht mehr Seyn und Nichts, und haben eine ver- ſchiedene Beſtimmung; im Werden waren ſie Entſtehen und Vergehen; im Daſeyn als einer anders beſtimmten Einheit ſind ſie wieder anders beſtimmte Momente.
Zwey-
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Erſtes Buch. I. Abſchnitt.
Aufheben hat in der Sprache den gedoppelten
Sinn, daß es ſo viel als aufbewahren, erhalten be-
deutet, und ſo viel als aufhoͤren laſſen, ein Ende ma-
chen. Das Aufbewahren ſchließt ſchon das Negative in
ſich, daß etwas ſeiner Unmittelbarkeit und damit einem
den aͤuſſerlichen Einwirkungen offenen Daſeyn entnom-
men wird, um es zu erhalten. — So iſt das Aufgeho-
bene ein zugleich Aufbewahrtes, das nur ſeine Unmittel-
barkeit verloren hat, aber darum nicht verſchwunden iſt.
Das Aufgehobene genauer beſtimmt, ſo iſt hier et-
was nur inſofern aufgehoben, als es in die Einheit mit
ſeinem Entgegengeſetzten getreten iſt; es iſt in dieſer naͤ-
hern Beſtimmung ein reflectirtes, und kann paſſend
Moment genannt werden. — Wie noch oͤfter die Be-
merkung ſich aufdringen wird, daß die philoſophiſche
Kunſtſprache, fuͤr reflectirte Beſtimmungen lateiniſche
Ausdruͤcke gebraucht.
Der naͤhere Sinn aber und Ausdruck, den Seyn
und Nichts, indem ſie nunmehr Momente ſind, er-
halten, hat ſich bey der Betrachtung des Daſeyns, als
der Einheit, in der ſie aufbewahrt ſind, naͤher zu erge-
ben. Seyn iſt Seyn, und Nichts iſt Nichts, nur in
ihrer Unterſchiedenheit von einander; in ihrer Wahrheit
aber, in ihrer Einheit ſind ſie als dieſe Beſtimmungen
verſchwunden, und ſind nun etwas anderes. Seyn und
Nichts ſind daſſelbe; darum weil ſie daſſelbe ſind, ſind
ſie nicht mehr Seyn und Nichts, und haben eine ver-
ſchiedene Beſtimmung; im Werden waren ſie Entſtehen
und Vergehen; im Daſeyn als einer anders beſtimmten
Einheit ſind ſie wieder anders beſtimmte Momente.
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Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Wissenschaft der Logik. Bd. 1,1. Nürnberg, 1812, S. 46. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_logik0101_1812/94>, abgerufen am 23.11.2024.
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