Als diese Beziehung aber, daß in dem einen Mög- lichen, auch sein anderes enthalten ist, ist sie der Wi- derspruch, der sich aufhebt. Da sie nun ihrer Bestim- mung nach das Reflectirte, und wie sich gezeigt hat, das sich aufhebende Reflectirte ist, so ist sie somit auch das Un- mittelbare, und damit wird sie Wirklichkeit.
3. Diese Wirklichkeit ist nicht die erste, sondern die reflectirte, gesetzt als Einheit ihrer selbst und der Möglichkeit. Das Wirkliche als solches ist möglich; es ist in unmittelbarer positiver Identität mit der Möglich- keit; aber diese hat sich bestimmt als nur Möglichkeit; somit ist auch das Wirkliche bestimmt als nur ein Mögliches. Und unmittelbar, darum weil die Mög- lichkeit in der Wirklichkeit unmittelbar enthalten ist, ist sie darin als aufgehobene, als nur Möglichkeit. Umgekehrt die Wirklichkeit, die in Einheit ist mit der Möglichkeit, ist nur die aufgehobene Unmittelbarkeit; -- oder darum weil die formelle Wirklichkeit nur unmit- telbare erste ist, ist sie nur Moment, nur aufgehobene Wirklichkeit, oder nur Möglichkeit.
Hiemit ist zugleich näher die Bestimmung ausge- drükt, inwiefern die Möglichkeit Wirklichkeit ist. Die Möglichkeit ist nemlich noch nicht alle Wirk- lichkeit, von der realen und absoluten Wirklichkeit ist noch nicht die Rede gewesen; -- sie ist nur erst diejeni- ge, welche zuerst vorkam, nemlich die formelle, die sich bestimmt hat, nur Möglichkeit zu seyn, also die formelle Wirklichkeit, welche nur Seyn oder Existenz über- haupt ist. Alles Mögliche hat daher überhaupt ein Seyn oder eine Existenz.
Diese Einheit der Möglichkeit und Wirklichkeit ist die Zufälligkeit. -- Das Zufällige ist ein Wirkli-
ches,
Zweytes Buch. III.Abſchnitt.
Als dieſe Beziehung aber, daß in dem einen Moͤg- lichen, auch ſein anderes enthalten iſt, iſt ſie der Wi- derſpruch, der ſich aufhebt. Da ſie nun ihrer Beſtim- mung nach das Reflectirte, und wie ſich gezeigt hat, das ſich aufhebende Reflectirte iſt, ſo iſt ſie ſomit auch das Un- mittelbare, und damit wird ſie Wirklichkeit.
3. Dieſe Wirklichkeit iſt nicht die erſte, ſondern die reflectirte, geſetzt als Einheit ihrer ſelbſt und der Moͤglichkeit. Das Wirkliche als ſolches iſt moͤglich; es iſt in unmittelbarer poſitiver Identitaͤt mit der Moͤglich- keit; aber dieſe hat ſich beſtimmt als nur Moͤglichkeit; ſomit iſt auch das Wirkliche beſtimmt als nur ein Moͤgliches. Und unmittelbar, darum weil die Moͤg- lichkeit in der Wirklichkeit unmittelbar enthalten iſt, iſt ſie darin als aufgehobene, als nur Moͤglichkeit. Umgekehrt die Wirklichkeit, die in Einheit iſt mit der Moͤglichkeit, iſt nur die aufgehobene Unmittelbarkeit; — oder darum weil die formelle Wirklichkeit nur unmit- telbare erſte iſt, iſt ſie nur Moment, nur aufgehobene Wirklichkeit, oder nur Moͤglichkeit.
Hiemit iſt zugleich naͤher die Beſtimmung ausge- druͤkt, inwiefern die Moͤglichkeit Wirklichkeit iſt. Die Moͤglichkeit iſt nemlich noch nicht alle Wirk- lichkeit, von der realen und abſoluten Wirklichkeit iſt noch nicht die Rede geweſen; — ſie iſt nur erſt diejeni- ge, welche zuerſt vorkam, nemlich die formelle, die ſich beſtimmt hat, nur Moͤglichkeit zu ſeyn, alſo die formelle Wirklichkeit, welche nur Seyn oder Exiſtenz uͤber- haupt iſt. Alles Moͤgliche hat daher uͤberhaupt ein Seyn oder eine Exiſtenz.
Dieſe Einheit der Moͤglichkeit und Wirklichkeit iſt die Zufaͤlligkeit. — Das Zufaͤllige iſt ein Wirkli-
ches,
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><divn="5"><pbfacs="#f0250"n="238"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#g">Zweytes Buch</hi>. <hirendition="#aq">III.</hi><hirendition="#g">Abſchnitt</hi>.</fw><lb/><p>Als dieſe Beziehung aber, daß in dem einen Moͤg-<lb/>
lichen, auch ſein anderes enthalten iſt, iſt ſie der Wi-<lb/>
derſpruch, der ſich aufhebt. Da ſie nun ihrer Beſtim-<lb/>
mung nach das Reflectirte, und wie ſich gezeigt hat, das ſich<lb/>
aufhebende Reflectirte iſt, ſo iſt ſie ſomit auch das Un-<lb/>
mittelbare, und damit wird ſie <hirendition="#g">Wirklichkeit</hi>.</p><lb/><p>3. Dieſe Wirklichkeit iſt nicht die erſte, ſondern die<lb/>
reflectirte, <hirendition="#g">geſetzt als Einheit</hi> ihrer ſelbſt und der<lb/>
Moͤglichkeit. Das Wirkliche als ſolches iſt moͤglich; es<lb/>
iſt in unmittelbarer poſitiver Identitaͤt mit der Moͤglich-<lb/>
keit; aber dieſe hat ſich beſtimmt als <hirendition="#g">nur</hi> Moͤglichkeit;<lb/>ſomit iſt auch das Wirkliche beſtimmt <hirendition="#g">als nur ein<lb/>
Moͤgliches</hi>. Und unmittelbar, darum weil die Moͤg-<lb/>
lichkeit in der Wirklichkeit <hirendition="#g">unmittelbar</hi> enthalten iſt,<lb/>
iſt ſie darin als aufgehobene, als <hirendition="#g">nur</hi> Moͤglichkeit.<lb/>
Umgekehrt die Wirklichkeit, die in Einheit iſt mit der<lb/>
Moͤglichkeit, iſt nur die aufgehobene Unmittelbarkeit; —<lb/>
oder darum weil die formelle Wirklichkeit nur <hirendition="#g">unmit-<lb/>
telbare</hi> erſte iſt, iſt ſie nur Moment, nur aufgehobene<lb/>
Wirklichkeit, oder nur <hirendition="#g">Moͤglichkeit</hi>.</p><lb/><p>Hiemit iſt zugleich naͤher die Beſtimmung ausge-<lb/>
druͤkt, inwiefern die <hirendition="#g">Moͤglichkeit Wirklichkeit<lb/>
iſt</hi>. Die Moͤglichkeit iſt nemlich noch nicht <hirendition="#g">alle</hi> Wirk-<lb/>
lichkeit, von der realen und abſoluten Wirklichkeit iſt<lb/>
noch nicht die Rede geweſen; —ſie iſt nur erſt diejeni-<lb/>
ge, welche zuerſt vorkam, nemlich die formelle, die ſich<lb/>
beſtimmt hat, <hirendition="#g">nur</hi> Moͤglichkeit zu ſeyn, alſo die formelle<lb/>
Wirklichkeit, welche nur <hirendition="#g">Seyn</hi> oder <hirendition="#g">Exiſtenz</hi> uͤber-<lb/>
haupt iſt. Alles Moͤgliche hat daher uͤberhaupt ein<lb/><hirendition="#g">Seyn</hi> oder eine Exiſtenz.</p><lb/><p>Dieſe Einheit der Moͤglichkeit und Wirklichkeit iſt<lb/>
die <hirendition="#g">Zufaͤlligkeit</hi>. — Das Zufaͤllige iſt ein Wirkli-<lb/><fwplace="bottom"type="catch">ches,</fw><lb/></p></div></div></div></div></div></body></text></TEI>
[238/0250]
Zweytes Buch. III. Abſchnitt.
Als dieſe Beziehung aber, daß in dem einen Moͤg-
lichen, auch ſein anderes enthalten iſt, iſt ſie der Wi-
derſpruch, der ſich aufhebt. Da ſie nun ihrer Beſtim-
mung nach das Reflectirte, und wie ſich gezeigt hat, das ſich
aufhebende Reflectirte iſt, ſo iſt ſie ſomit auch das Un-
mittelbare, und damit wird ſie Wirklichkeit.
3. Dieſe Wirklichkeit iſt nicht die erſte, ſondern die
reflectirte, geſetzt als Einheit ihrer ſelbſt und der
Moͤglichkeit. Das Wirkliche als ſolches iſt moͤglich; es
iſt in unmittelbarer poſitiver Identitaͤt mit der Moͤglich-
keit; aber dieſe hat ſich beſtimmt als nur Moͤglichkeit;
ſomit iſt auch das Wirkliche beſtimmt als nur ein
Moͤgliches. Und unmittelbar, darum weil die Moͤg-
lichkeit in der Wirklichkeit unmittelbar enthalten iſt,
iſt ſie darin als aufgehobene, als nur Moͤglichkeit.
Umgekehrt die Wirklichkeit, die in Einheit iſt mit der
Moͤglichkeit, iſt nur die aufgehobene Unmittelbarkeit; —
oder darum weil die formelle Wirklichkeit nur unmit-
telbare erſte iſt, iſt ſie nur Moment, nur aufgehobene
Wirklichkeit, oder nur Moͤglichkeit.
Hiemit iſt zugleich naͤher die Beſtimmung ausge-
druͤkt, inwiefern die Moͤglichkeit Wirklichkeit
iſt. Die Moͤglichkeit iſt nemlich noch nicht alle Wirk-
lichkeit, von der realen und abſoluten Wirklichkeit iſt
noch nicht die Rede geweſen; — ſie iſt nur erſt diejeni-
ge, welche zuerſt vorkam, nemlich die formelle, die ſich
beſtimmt hat, nur Moͤglichkeit zu ſeyn, alſo die formelle
Wirklichkeit, welche nur Seyn oder Exiſtenz uͤber-
haupt iſt. Alles Moͤgliche hat daher uͤberhaupt ein
Seyn oder eine Exiſtenz.
Dieſe Einheit der Moͤglichkeit und Wirklichkeit iſt
die Zufaͤlligkeit. — Das Zufaͤllige iſt ein Wirkli-
ches,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Wissenschaft der Logik. Bd. 1,2. Nürnberg, 1813, S. 238. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_logik0102_1813/250>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.