Was real möglich ist, ist also nach seinem Ansich- seyn, ein formelles identisches, das nach seiner ein- fachen Inhaltsbestimmung sich nicht widerspricht; aber auch nach seinen entwickelten und unterschiedenen Umstän- den und allem, womit es im Zusammenhange steht, muß es als das mit sich identische sich nicht widersprechen. Aber zweytens weil es in sich mannichfaltig und mit anderem in mannichfaltigem Zusammenhange ist, die Ver- schiedenheit aber an sich selbst in Entgegensetzung über- geht, ist es ein widersprechendes. Wenn von einer Möglichkeit die Rede ist und deren Widerspruch aufgezeigt werden soll, so hat man sich nur an die Mannichfaltig- keit, die sie als Inhalt oder als ihre bedingende Exi- stenz enthält, zu halten; woraus sich leicht ihr Wider- spruch auffinden läßt. -- Diß ist aber nicht ein Wider- spruch der Vergleichung, sondern die mannichfaltige Exi- stenz ist an sich selbst diß, sich aufzuheben und zu Grunde zu gehen; und hat darin wesentlich die Bestim- mung, nur ein Mögliches zu seyn, an ihr selbst. -- Wenn alle Bedingungen einer Sache vollständig vorhan- den sind, so tritt sie in Wirklichkeit; -- die Vollständig- keit der Bedingungen ist die Totalität als am Inhalte, und die Sache selbst ist dieser Inhalt bestimmt eben so ein Wirkliches als Mögliches zu seyn. In der Sphäre des bedingten Grundes haben die Bedingungen die Form, nemlich den Grund oder die für sich seyende Reflexion, ausser ihnen, welche sie zu Momenten der Sache bezieht und die Existenz an ihnen hervorbringt. Hier hingegen ist die unmittelbare Wirklichkeit nicht durch eine voraussetzende Reflexion bestimmt, Bedingung zu seyn, sondern es ist gesetzt, daß sie selbst die Möglich- keit ist.
In der sich aufhebenden realen Möglichkeit ist es nun ein gedoppeltes, das aufgehoben wird; denn sie ist
selbst
Zweytes Buch. III.Abſchnitt.
Was real moͤglich iſt, iſt alſo nach ſeinem Anſich- ſeyn, ein formelles identiſches, das nach ſeiner ein- fachen Inhaltsbeſtimmung ſich nicht widerſpricht; aber auch nach ſeinen entwickelten und unterſchiedenen Umſtaͤn- den und allem, womit es im Zuſammenhange ſteht, muß es als das mit ſich identiſche ſich nicht widerſprechen. Aber zweytens weil es in ſich mannichfaltig und mit anderem in mannichfaltigem Zuſammenhange iſt, die Ver- ſchiedenheit aber an ſich ſelbſt in Entgegenſetzung uͤber- geht, iſt es ein widerſprechendes. Wenn von einer Moͤglichkeit die Rede iſt und deren Widerſpruch aufgezeigt werden ſoll, ſo hat man ſich nur an die Mannichfaltig- keit, die ſie als Inhalt oder als ihre bedingende Exi- ſtenz enthaͤlt, zu halten; woraus ſich leicht ihr Wider- ſpruch auffinden laͤßt. — Diß iſt aber nicht ein Wider- ſpruch der Vergleichung, ſondern die mannichfaltige Exi- ſtenz iſt an ſich ſelbſt diß, ſich aufzuheben und zu Grunde zu gehen; und hat darin weſentlich die Beſtim- mung, nur ein Moͤgliches zu ſeyn, an ihr ſelbſt. — Wenn alle Bedingungen einer Sache vollſtaͤndig vorhan- den ſind, ſo tritt ſie in Wirklichkeit; — die Vollſtaͤndig- keit der Bedingungen iſt die Totalitaͤt als am Inhalte, und die Sache ſelbſt iſt dieſer Inhalt beſtimmt eben ſo ein Wirkliches als Moͤgliches zu ſeyn. In der Sphaͤre des bedingten Grundes haben die Bedingungen die Form, nemlich den Grund oder die fuͤr ſich ſeyende Reflexion, auſſer ihnen, welche ſie zu Momenten der Sache bezieht und die Exiſtenz an ihnen hervorbringt. Hier hingegen iſt die unmittelbare Wirklichkeit nicht durch eine vorausſetzende Reflexion beſtimmt, Bedingung zu ſeyn, ſondern es iſt geſetzt, daß ſie ſelbſt die Moͤglich- keit iſt.
In der ſich aufhebenden realen Moͤglichkeit iſt es nun ein gedoppeltes, das aufgehoben wird; denn ſie iſt
ſelbſt
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><divn="5"><pbfacs="#f0256"n="244"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#g">Zweytes Buch</hi>. <hirendition="#aq">III.</hi><hirendition="#g">Abſchnitt</hi>.</fw><lb/><p>Was real moͤglich iſt, iſt alſo nach ſeinem <hirendition="#g">Anſich-<lb/>ſeyn</hi>, ein formelles identiſches, das nach ſeiner <hirendition="#g">ein-<lb/>
fachen</hi> Inhaltsbeſtimmung ſich nicht widerſpricht; aber<lb/>
auch nach ſeinen entwickelten und unterſchiedenen Umſtaͤn-<lb/>
den und allem, womit es im Zuſammenhange ſteht, muß<lb/>
es als das mit ſich identiſche ſich nicht widerſprechen.<lb/>
Aber <hirendition="#g">zweytens</hi> weil es in ſich mannichfaltig und mit<lb/>
anderem in mannichfaltigem Zuſammenhange iſt, die Ver-<lb/>ſchiedenheit aber an ſich ſelbſt in Entgegenſetzung uͤber-<lb/>
geht, iſt es ein widerſprechendes. Wenn von einer<lb/>
Moͤglichkeit die Rede iſt und deren Widerſpruch aufgezeigt<lb/>
werden ſoll, ſo hat man ſich nur an die Mannichfaltig-<lb/>
keit, die ſie als Inhalt oder als ihre bedingende Exi-<lb/>ſtenz enthaͤlt, zu halten; woraus ſich leicht ihr Wider-<lb/>ſpruch auffinden laͤßt. — Diß iſt aber nicht ein Wider-<lb/>ſpruch der Vergleichung, ſondern die mannichfaltige Exi-<lb/>ſtenz iſt <hirendition="#g">an ſich ſelbſt</hi> diß, ſich aufzuheben und zu<lb/>
Grunde zu gehen; und hat darin weſentlich die Beſtim-<lb/>
mung, <hirendition="#g">nur ein Moͤgliches</hi> zu ſeyn, an ihr ſelbſt. —<lb/>
Wenn alle Bedingungen einer Sache vollſtaͤndig vorhan-<lb/>
den ſind, ſo tritt ſie in Wirklichkeit; — die Vollſtaͤndig-<lb/>
keit der Bedingungen iſt die Totalitaͤt als am Inhalte,<lb/>
und <hirendition="#g">die Sache ſelbſt</hi> iſt dieſer Inhalt beſtimmt eben<lb/>ſo ein Wirkliches als Moͤgliches zu ſeyn. In der<lb/>
Sphaͤre des bedingten Grundes haben die Bedingungen<lb/>
die Form, nemlich den Grund oder die fuͤr ſich ſeyende<lb/>
Reflexion, <hirendition="#g">auſſer ihnen</hi>, welche ſie zu Momenten der<lb/>
Sache bezieht und die Exiſtenz <hirendition="#g">an ihnen</hi> hervorbringt.<lb/>
Hier hingegen iſt die unmittelbare Wirklichkeit nicht durch<lb/>
eine vorausſetzende Reflexion beſtimmt, Bedingung zu<lb/>ſeyn, ſondern es iſt geſetzt, daß ſie ſelbſt die Moͤglich-<lb/>
keit iſt.</p><lb/><p>In der ſich aufhebenden realen Moͤglichkeit iſt es<lb/>
nun ein gedoppeltes, das aufgehoben wird; denn ſie iſt<lb/><fwplace="bottom"type="catch">ſelbſt</fw><lb/></p></div></div></div></div></div></body></text></TEI>
[244/0256]
Zweytes Buch. III. Abſchnitt.
Was real moͤglich iſt, iſt alſo nach ſeinem Anſich-
ſeyn, ein formelles identiſches, das nach ſeiner ein-
fachen Inhaltsbeſtimmung ſich nicht widerſpricht; aber
auch nach ſeinen entwickelten und unterſchiedenen Umſtaͤn-
den und allem, womit es im Zuſammenhange ſteht, muß
es als das mit ſich identiſche ſich nicht widerſprechen.
Aber zweytens weil es in ſich mannichfaltig und mit
anderem in mannichfaltigem Zuſammenhange iſt, die Ver-
ſchiedenheit aber an ſich ſelbſt in Entgegenſetzung uͤber-
geht, iſt es ein widerſprechendes. Wenn von einer
Moͤglichkeit die Rede iſt und deren Widerſpruch aufgezeigt
werden ſoll, ſo hat man ſich nur an die Mannichfaltig-
keit, die ſie als Inhalt oder als ihre bedingende Exi-
ſtenz enthaͤlt, zu halten; woraus ſich leicht ihr Wider-
ſpruch auffinden laͤßt. — Diß iſt aber nicht ein Wider-
ſpruch der Vergleichung, ſondern die mannichfaltige Exi-
ſtenz iſt an ſich ſelbſt diß, ſich aufzuheben und zu
Grunde zu gehen; und hat darin weſentlich die Beſtim-
mung, nur ein Moͤgliches zu ſeyn, an ihr ſelbſt. —
Wenn alle Bedingungen einer Sache vollſtaͤndig vorhan-
den ſind, ſo tritt ſie in Wirklichkeit; — die Vollſtaͤndig-
keit der Bedingungen iſt die Totalitaͤt als am Inhalte,
und die Sache ſelbſt iſt dieſer Inhalt beſtimmt eben
ſo ein Wirkliches als Moͤgliches zu ſeyn. In der
Sphaͤre des bedingten Grundes haben die Bedingungen
die Form, nemlich den Grund oder die fuͤr ſich ſeyende
Reflexion, auſſer ihnen, welche ſie zu Momenten der
Sache bezieht und die Exiſtenz an ihnen hervorbringt.
Hier hingegen iſt die unmittelbare Wirklichkeit nicht durch
eine vorausſetzende Reflexion beſtimmt, Bedingung zu
ſeyn, ſondern es iſt geſetzt, daß ſie ſelbſt die Moͤglich-
keit iſt.
In der ſich aufhebenden realen Moͤglichkeit iſt es
nun ein gedoppeltes, das aufgehoben wird; denn ſie iſt
ſelbſt
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Wissenschaft der Logik. Bd. 1,2. Nürnberg, 1813, S. 244. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_logik0102_1813/256>, abgerufen am 17.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.