Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Wissenschaft der Logik. Bd. 2. Nürnberg, 1816.

Bild:
<< vorherige Seite

Dritter Abschnitt.
Die Idee.

Die Idee ist der adäquate Begriff, das ob-
jective Wahre, oder das Wahre als solches.
Wenn irgend Etwas Wahrheit hat, hat es sie durch
seine Idee, oder Etwas hat nur Wahrheit, in-
sofern es Idee ist
. -- Der Ausdruck Idee ist
sonst oft in der Philosophie wie im gemeinen Leben,
auch für Begriff, ja gar für eine blosse Vorstel-
lung
gebraucht worden; ich habe noch keine Idee von
diesem Rechtshandel, Gebäude, Gegend, will weiter
nichts ausdrücken, als die Vorstellung. Kant hat
den Ausdruck: Idee wieder dem Vernunftbegriff
vindicirt. -- Der Vernunftbegriff soll nun nach Kant
der Begriff vom Unbedingten, in Ansehung der Er-
scheinungen aber transcendent seyn, d. h. von ihm
kein ihm ädäquater empirischer Gebrauch ge-
macht werden können. Die Vernunftbegriffe sollen zum
Begreiffen, die Verstandesbegriffe zum Verstehen
der Wahrnehmungen dienen. -- In der That aber,
wenn die letztern wirklich Begriffe sind, so sind sie
Begriffe
, -- es wird durch sie begriffen, und ein
Verstehen der Wahrnehmungen durch Verstandesbe-
griffe wird ein Begreiffen seyn. Ist aber das Ver-
stehen nur ein Bestimmen der Wahrnehmungen durch
solche Bestimmungen, z. B. Ganzes und Theile, Kraft,

Ur-

Dritter Abſchnitt.
Die Idee.

Die Idee iſt der adaͤquate Begriff, das ob-
jective Wahre, oder das Wahre als ſolches.
Wenn irgend Etwas Wahrheit hat, hat es ſie durch
ſeine Idee, oder Etwas hat nur Wahrheit, in-
ſofern es Idee iſt
. — Der Ausdruck Idee iſt
ſonſt oft in der Philoſophie wie im gemeinen Leben,
auch fuͤr Begriff, ja gar fuͤr eine bloſſe Vorſtel-
lung
gebraucht worden; ich habe noch keine Idee von
dieſem Rechtshandel, Gebaͤude, Gegend, will weiter
nichts ausdruͤcken, als die Vorſtellung. Kant hat
den Ausdruck: Idee wieder dem Vernunftbegriff
vindicirt. — Der Vernunftbegriff ſoll nun nach Kant
der Begriff vom Unbedingten, in Anſehung der Er-
ſcheinungen aber tranſcendent ſeyn, d. h. von ihm
kein ihm aͤdaͤquater empiriſcher Gebrauch ge-
macht werden koͤnnen. Die Vernunftbegriffe ſollen zum
Begreiffen, die Verſtandesbegriffe zum Verſtehen
der Wahrnehmungen dienen. — In der That aber,
wenn die letztern wirklich Begriffe ſind, ſo ſind ſie
Begriffe
, — es wird durch ſie begriffen, und ein
Verſtehen der Wahrnehmungen durch Verſtandesbe-
griffe wird ein Begreiffen ſeyn. Iſt aber das Ver-
ſtehen nur ein Beſtimmen der Wahrnehmungen durch
ſolche Beſtimmungen, z. B. Ganzes und Theile, Kraft,

Ur-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0285" n="267"/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <div n="2">
          <head>Dritter Ab&#x017F;chnitt.<lb/><hi rendition="#g">Die Idee</hi>.</head><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
          <p><hi rendition="#in">D</hi>ie Idee i&#x017F;t der <hi rendition="#g">ada&#x0364;quate Begriff</hi>, das ob-<lb/>
jective <hi rendition="#g">Wahre</hi>, oder das <hi rendition="#g">Wahre als &#x017F;olches</hi>.<lb/>
Wenn irgend Etwas Wahrheit hat, hat es &#x017F;ie durch<lb/>
&#x017F;eine Idee, oder <hi rendition="#g">Etwas hat nur Wahrheit, in-<lb/>
&#x017F;ofern es Idee i&#x017F;t</hi>. &#x2014; Der Ausdruck <hi rendition="#g">Idee</hi> i&#x017F;t<lb/>
&#x017F;on&#x017F;t oft in der Philo&#x017F;ophie wie im gemeinen Leben,<lb/>
auch fu&#x0364;r <hi rendition="#g">Begriff</hi>, ja gar fu&#x0364;r eine blo&#x017F;&#x017F;e <hi rendition="#g">Vor&#x017F;tel-<lb/>
lung</hi> gebraucht worden; ich habe noch keine <hi rendition="#g">Idee</hi> von<lb/>
die&#x017F;em Rechtshandel, Geba&#x0364;ude, Gegend, will weiter<lb/>
nichts ausdru&#x0364;cken, als die <hi rendition="#g">Vor&#x017F;tellung</hi>. Kant hat<lb/>
den Ausdruck: <hi rendition="#g">Idee</hi> wieder dem <hi rendition="#g">Vernunftbegriff</hi><lb/>
vindicirt. &#x2014; Der Vernunftbegriff &#x017F;oll nun nach Kant<lb/>
der Begriff vom <hi rendition="#g">Unbedingten</hi>, in An&#x017F;ehung der Er-<lb/>
&#x017F;cheinungen aber <hi rendition="#g">tran&#x017F;cendent</hi> &#x017F;eyn, d. h. von ihm<lb/><hi rendition="#g">kein ihm a&#x0364;da&#x0364;quater empiri&#x017F;cher Gebrauch</hi> ge-<lb/>
macht werden ko&#x0364;nnen. Die Vernunftbegriffe &#x017F;ollen zum<lb/><hi rendition="#g">Begreiffen</hi>, die Ver&#x017F;tandesbegriffe zum <hi rendition="#g">Ver&#x017F;tehen</hi><lb/>
der Wahrnehmungen dienen. &#x2014; In der That aber,<lb/>
wenn die letztern wirklich <hi rendition="#g">Begriffe</hi> &#x017F;ind, &#x017F;o <hi rendition="#g">&#x017F;ind &#x017F;ie<lb/>
Begriffe</hi>, &#x2014; es wird durch &#x017F;ie begriffen, und ein<lb/><hi rendition="#g">Ver&#x017F;tehen</hi> der Wahrnehmungen durch Ver&#x017F;tandesbe-<lb/>
griffe wird ein <hi rendition="#g">Begreiffen</hi> &#x017F;eyn. I&#x017F;t aber das Ver-<lb/>
&#x017F;tehen nur ein Be&#x017F;timmen der Wahrnehmungen durch<lb/>
&#x017F;olche Be&#x017F;timmungen, z. B. Ganzes und Theile, Kraft,<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Ur-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[267/0285] Dritter Abſchnitt. Die Idee. Die Idee iſt der adaͤquate Begriff, das ob- jective Wahre, oder das Wahre als ſolches. Wenn irgend Etwas Wahrheit hat, hat es ſie durch ſeine Idee, oder Etwas hat nur Wahrheit, in- ſofern es Idee iſt. — Der Ausdruck Idee iſt ſonſt oft in der Philoſophie wie im gemeinen Leben, auch fuͤr Begriff, ja gar fuͤr eine bloſſe Vorſtel- lung gebraucht worden; ich habe noch keine Idee von dieſem Rechtshandel, Gebaͤude, Gegend, will weiter nichts ausdruͤcken, als die Vorſtellung. Kant hat den Ausdruck: Idee wieder dem Vernunftbegriff vindicirt. — Der Vernunftbegriff ſoll nun nach Kant der Begriff vom Unbedingten, in Anſehung der Er- ſcheinungen aber tranſcendent ſeyn, d. h. von ihm kein ihm aͤdaͤquater empiriſcher Gebrauch ge- macht werden koͤnnen. Die Vernunftbegriffe ſollen zum Begreiffen, die Verſtandesbegriffe zum Verſtehen der Wahrnehmungen dienen. — In der That aber, wenn die letztern wirklich Begriffe ſind, ſo ſind ſie Begriffe, — es wird durch ſie begriffen, und ein Verſtehen der Wahrnehmungen durch Verſtandesbe- griffe wird ein Begreiffen ſeyn. Iſt aber das Ver- ſtehen nur ein Beſtimmen der Wahrnehmungen durch ſolche Beſtimmungen, z. B. Ganzes und Theile, Kraft, Ur-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_logik02_1816
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_logik02_1816/285
Zitationshilfe: Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Wissenschaft der Logik. Bd. 2. Nürnberg, 1816, S. 267. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_logik02_1816/285>, abgerufen am 29.11.2024.