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Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Wissenschaft der Logik. Bd. 2. Nürnberg, 1816.

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III. Abschnitt. Idee.

Erstes Kapitel.
Das Leben
.

Die Idee des Lebens betrifft einen so concreten
und, wenn man will, reellen Gegenstand, daß mit der-
selben nach der gewöhnlichen Vorstellung der Logik ihr
Gebiet überschritten zu werden scheinen kann. Sollte
die Logik freylich nichts als leere, todte Gedankenformen
enthalten, so könnte in ihr überhaupt von keinem sol-
chen Inhalte, wie die Idee, oder das Leben ist, die Re-
de seyn. Wenn aber die absolute Wahrheit der Gegen-
stand der Logik, und die Wahrheit als solche wesent-
lich im Erkennen ist, so müßte das Erkennen we-
nigstens abgehandelt werden. -- Der sogenannten reinen
Logik pflegt man denn auch gewöhnlich eine ange-
wandte
Logik folgen zu lassen, -- eine Logik, welche
es mit dem concreten Erkennen zu thun hat; die
viele Psychologie und Anthropologie nicht mit
gerechnet, deren Einflechtung in die Logik häufig für
nöthig erachtet wird. Die anthropologische und psycho-
logische Seite des Erkennens aber betrifft dessen Er-
scheinung
, in welcher der Begriff für sich selbst noch
nicht dieses ist, eine ihm gleiche Objectivität, d. i. sich
selbst zum Objecte zu haben. Der Theil der Logik, der
dasselbe betrachtet, gehört nicht zur angewandten
Logik
als solchen; so wäre jede Wissenschaft in die Lo-
gik hereinzuziehen, denn jede ist insofern eine ange-
wandte Logik als sie darin besteht, ihren Gegenstand in

For-
III. Abſchnitt. Idee.

Erſtes Kapitel.
Das Leben
.

Die Idee des Lebens betrifft einen ſo concreten
und, wenn man will, reellen Gegenſtand, daß mit der-
ſelben nach der gewoͤhnlichen Vorſtellung der Logik ihr
Gebiet uͤberſchritten zu werden ſcheinen kann. Sollte
die Logik freylich nichts als leere, todte Gedankenformen
enthalten, ſo koͤnnte in ihr uͤberhaupt von keinem ſol-
chen Inhalte, wie die Idee, oder das Leben iſt, die Re-
de ſeyn. Wenn aber die abſolute Wahrheit der Gegen-
ſtand der Logik, und die Wahrheit als ſolche weſent-
lich im Erkennen iſt, ſo muͤßte das Erkennen we-
nigſtens abgehandelt werden. — Der ſogenannten reinen
Logik pflegt man denn auch gewoͤhnlich eine ange-
wandte
Logik folgen zu laſſen, — eine Logik, welche
es mit dem concreten Erkennen zu thun hat; die
viele Pſychologie und Anthropologie nicht mit
gerechnet, deren Einflechtung in die Logik haͤufig fuͤr
noͤthig erachtet wird. Die anthropologiſche und pſycho-
logiſche Seite des Erkennens aber betrifft deſſen Er-
ſcheinung
, in welcher der Begriff fuͤr ſich ſelbſt noch
nicht dieſes iſt, eine ihm gleiche Objectivitaͤt, d. i. ſich
ſelbſt zum Objecte zu haben. Der Theil der Logik, der
daſſelbe betrachtet, gehoͤrt nicht zur angewandten
Logik
als ſolchen; ſo waͤre jede Wiſſenſchaft in die Lo-
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wandte Logik als ſie darin beſteht, ihren Gegenſtand in

For-
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[276/0294] III. Abſchnitt. Idee. Erſtes Kapitel. Das Leben. Die Idee des Lebens betrifft einen ſo concreten und, wenn man will, reellen Gegenſtand, daß mit der- ſelben nach der gewoͤhnlichen Vorſtellung der Logik ihr Gebiet uͤberſchritten zu werden ſcheinen kann. Sollte die Logik freylich nichts als leere, todte Gedankenformen enthalten, ſo koͤnnte in ihr uͤberhaupt von keinem ſol- chen Inhalte, wie die Idee, oder das Leben iſt, die Re- de ſeyn. Wenn aber die abſolute Wahrheit der Gegen- ſtand der Logik, und die Wahrheit als ſolche weſent- lich im Erkennen iſt, ſo muͤßte das Erkennen we- nigſtens abgehandelt werden. — Der ſogenannten reinen Logik pflegt man denn auch gewoͤhnlich eine ange- wandte Logik folgen zu laſſen, — eine Logik, welche es mit dem concreten Erkennen zu thun hat; die viele Pſychologie und Anthropologie nicht mit gerechnet, deren Einflechtung in die Logik haͤufig fuͤr noͤthig erachtet wird. Die anthropologiſche und pſycho- logiſche Seite des Erkennens aber betrifft deſſen Er- ſcheinung, in welcher der Begriff fuͤr ſich ſelbſt noch nicht dieſes iſt, eine ihm gleiche Objectivitaͤt, d. i. ſich ſelbſt zum Objecte zu haben. Der Theil der Logik, der daſſelbe betrachtet, gehoͤrt nicht zur angewandten Logik als ſolchen; ſo waͤre jede Wiſſenſchaft in die Lo- gik hereinzuziehen, denn jede iſt inſofern eine ange- wandte Logik als ſie darin beſteht, ihren Gegenſtand in For-

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Zitationshilfe: Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Wissenschaft der Logik. Bd. 2. Nürnberg, 1816, S. 276. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_logik02_1816/294>, abgerufen am 28.11.2024.