Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Wissenschaft der Logik. Bd. 2. Nürnberg, 1816.

Bild:
<< vorherige Seite

III. Kapitel. Die absolute Idee.
ehe man an die Sache gehe, das Instrument des Er-
kennens kritisch zu untersuchen, -- sind selbst Voraus-
setzungen
, die als concrete Bestimmungen
die Foderung ihrer Vermittlung und Begründung mit
sich führen. Da sie hiemit formell nichts vor dem An-
fange
mit der Sache, gegen den sie protestiren, vor-
aus haben, und vielmehr wegen des concretern Inhalts
einer Ableitung bedürftig sind, so sind sie nur für eitle An-
massungen zu nehmen, daß auf sie vielmehr als etwas
anderes zu achten sey. Sie haben einen unwahren In-
halt, indem sie das als endlich und unwahr Bekannte
zu einem Unumstößlichen und Absoluten machen, nemlich
ein beschränktes, als Form und Instrument
gegen
seinen Inhalt bestimmtes Erkennen; dieses un-
wahre Erkennen ist selbst auch die Form, das Begründen,
das rückwarts geht. -- Auch die Methode der Wahr-
heit weiß den Anfang als ein Unvollkommenes, weil
er Anfang ist, aber zugleich diß Unvollkommene über-
haupt, als ein Nothwendiges, weil die Wahrheit nur
das Zu-sich-selbst-kommen durch die Negativität der Un-
mittelbarkeit ist. Die Ungeduld, die über das Be-
stimmte
, es heisse Anfang, Object, Endliches, oder
in welcher Form es sonst genommen werde, nur hin-
aus, und unmittelbar sich im Absoluten befinden will,
hat als Erkenntniß nichts vor sich, als das leere Ne-
gative, das abstracte Unendliche; -- oder ein gemeyn-
tes
Absolutes, das ein gemeyntes ist, weil es nicht
gesetzt, nicht erfaßt ist; erfassen läßt es sich nur
durch die Vermittlung des Erkennens, von der das
Allgemeine und Unmittelbare ein Moment, die Wahr-
heit selbst aber nur im ausgebreiteten Verlauf und im
Ende ist. -- Für das subjective Bedürfniß der Unbe-
kanntschaft und deren Ungeduld kann wohl eine Ueber-
sicht des Ganzen zum Voraus gegeben werden, --
durch eine Eintheilung für die Reflexion, die von dem

All-

III. Kapitel. Die abſolute Idee.
ehe man an die Sache gehe, das Inſtrument des Er-
kennens kritiſch zu unterſuchen, — ſind ſelbſt Voraus-
ſetzungen
, die als concrete Beſtimmungen
die Foderung ihrer Vermittlung und Begruͤndung mit
ſich fuͤhren. Da ſie hiemit formell nichts vor dem An-
fange
mit der Sache, gegen den ſie proteſtiren, vor-
aus haben, und vielmehr wegen des concretern Inhalts
einer Ableitung beduͤrftig ſind, ſo ſind ſie nur fuͤr eitle An-
maſſungen zu nehmen, daß auf ſie vielmehr als etwas
anderes zu achten ſey. Sie haben einen unwahren In-
halt, indem ſie das als endlich und unwahr Bekannte
zu einem Unumſtoͤßlichen und Abſoluten machen, nemlich
ein beſchraͤnktes, als Form und Inſtrument
gegen
ſeinen Inhalt beſtimmtes Erkennen; dieſes un-
wahre Erkennen iſt ſelbſt auch die Form, das Begruͤnden,
das ruͤckwarts geht. — Auch die Methode der Wahr-
heit weiß den Anfang als ein Unvollkommenes, weil
er Anfang iſt, aber zugleich diß Unvollkommene uͤber-
haupt, als ein Nothwendiges, weil die Wahrheit nur
das Zu-ſich-ſelbſt-kommen durch die Negativitaͤt der Un-
mittelbarkeit iſt. Die Ungeduld, die uͤber das Be-
ſtimmte
, es heiſſe Anfang, Object, Endliches, oder
in welcher Form es ſonſt genommen werde, nur hin-
aus, und unmittelbar ſich im Abſoluten befinden will,
hat als Erkenntniß nichts vor ſich, als das leere Ne-
gative, das abſtracte Unendliche; — oder ein gemeyn-
tes
Abſolutes, das ein gemeyntes iſt, weil es nicht
geſetzt, nicht erfaßt iſt; erfaſſen laͤßt es ſich nur
durch die Vermittlung des Erkennens, von der das
Allgemeine und Unmittelbare ein Moment, die Wahr-
heit ſelbſt aber nur im ausgebreiteten Verlauf und im
Ende iſt. — Fuͤr das ſubjective Beduͤrfniß der Unbe-
kanntſchaft und deren Ungeduld kann wohl eine Ueber-
ſicht des Ganzen zum Voraus gegeben werden, —
durch eine Eintheilung fuͤr die Reflexion, die von dem

All-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0415" n="397"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">III.</hi><hi rendition="#g">Kapitel. Die ab&#x017F;olute Idee</hi>.</fw><lb/>
ehe man an die Sache gehe, das In&#x017F;trument des Er-<lb/>
kennens kriti&#x017F;ch zu unter&#x017F;uchen, &#x2014; &#x017F;ind &#x017F;elb&#x017F;t <hi rendition="#g">Voraus-<lb/>
&#x017F;etzungen</hi>, die als <hi rendition="#g">concrete Be&#x017F;timmungen</hi><lb/>
die Foderung ihrer Vermittlung und Begru&#x0364;ndung mit<lb/>
&#x017F;ich fu&#x0364;hren. Da &#x017F;ie hiemit formell nichts vor dem <hi rendition="#g">An-<lb/>
fange</hi> mit der Sache, gegen den &#x017F;ie prote&#x017F;tiren, vor-<lb/>
aus haben, und vielmehr wegen des concretern Inhalts<lb/>
einer Ableitung bedu&#x0364;rftig &#x017F;ind, &#x017F;o &#x017F;ind &#x017F;ie nur fu&#x0364;r eitle An-<lb/>
ma&#x017F;&#x017F;ungen zu nehmen, daß auf &#x017F;ie vielmehr als etwas<lb/>
anderes zu achten &#x017F;ey. Sie haben einen unwahren In-<lb/>
halt, indem &#x017F;ie das als endlich und unwahr Bekannte<lb/>
zu einem Unum&#x017F;to&#x0364;ßlichen und Ab&#x017F;oluten machen, nemlich<lb/>
ein <hi rendition="#g">be&#x017F;chra&#x0364;nktes</hi>, als <hi rendition="#g">Form</hi> und <hi rendition="#g">In&#x017F;trument<lb/>
gegen</hi> &#x017F;einen <hi rendition="#g">Inhalt</hi> be&#x017F;timmtes Erkennen; die&#x017F;es un-<lb/>
wahre Erkennen i&#x017F;t &#x017F;elb&#x017F;t auch die Form, das Begru&#x0364;nden,<lb/>
das ru&#x0364;ckwarts geht. &#x2014; Auch die Methode der Wahr-<lb/>
heit weiß den Anfang als ein Unvollkommenes, weil<lb/>
er Anfang i&#x017F;t, aber zugleich diß Unvollkommene u&#x0364;ber-<lb/>
haupt, als ein Nothwendiges, weil die Wahrheit nur<lb/>
das Zu-&#x017F;ich-&#x017F;elb&#x017F;t-kommen durch die Negativita&#x0364;t der Un-<lb/>
mittelbarkeit i&#x017F;t. Die Ungeduld, die u&#x0364;ber das <hi rendition="#g">Be-<lb/>
&#x017F;timmte</hi>, es hei&#x017F;&#x017F;e Anfang, Object, Endliches, oder<lb/>
in welcher Form es &#x017F;on&#x017F;t genommen werde, <hi rendition="#g">nur</hi> hin-<lb/>
aus, und unmittelbar &#x017F;ich im Ab&#x017F;oluten befinden will,<lb/>
hat als Erkenntniß nichts vor &#x017F;ich, als das leere Ne-<lb/>
gative, das ab&#x017F;tracte Unendliche; &#x2014; oder ein <hi rendition="#g">gemeyn-<lb/>
tes</hi> Ab&#x017F;olutes, das ein gemeyntes i&#x017F;t, weil es nicht<lb/><hi rendition="#g">ge&#x017F;etzt</hi>, nicht <hi rendition="#g">erfaßt</hi> i&#x017F;t; erfa&#x017F;&#x017F;en la&#x0364;ßt es &#x017F;ich nur<lb/>
durch die <hi rendition="#g">Vermittlung</hi> des Erkennens, von der das<lb/>
Allgemeine und Unmittelbare ein Moment, die Wahr-<lb/>
heit &#x017F;elb&#x017F;t aber nur im ausgebreiteten Verlauf und im<lb/>
Ende i&#x017F;t. &#x2014; Fu&#x0364;r das &#x017F;ubjective Bedu&#x0364;rfniß der Unbe-<lb/>
kannt&#x017F;chaft und deren Ungeduld kann wohl eine Ueber-<lb/>
&#x017F;icht des <hi rendition="#g">Ganzen zum Voraus</hi> gegeben werden, &#x2014;<lb/>
durch eine Eintheilung fu&#x0364;r die Reflexion, die von dem<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">All-</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[397/0415] III. Kapitel. Die abſolute Idee. ehe man an die Sache gehe, das Inſtrument des Er- kennens kritiſch zu unterſuchen, — ſind ſelbſt Voraus- ſetzungen, die als concrete Beſtimmungen die Foderung ihrer Vermittlung und Begruͤndung mit ſich fuͤhren. Da ſie hiemit formell nichts vor dem An- fange mit der Sache, gegen den ſie proteſtiren, vor- aus haben, und vielmehr wegen des concretern Inhalts einer Ableitung beduͤrftig ſind, ſo ſind ſie nur fuͤr eitle An- maſſungen zu nehmen, daß auf ſie vielmehr als etwas anderes zu achten ſey. Sie haben einen unwahren In- halt, indem ſie das als endlich und unwahr Bekannte zu einem Unumſtoͤßlichen und Abſoluten machen, nemlich ein beſchraͤnktes, als Form und Inſtrument gegen ſeinen Inhalt beſtimmtes Erkennen; dieſes un- wahre Erkennen iſt ſelbſt auch die Form, das Begruͤnden, das ruͤckwarts geht. — Auch die Methode der Wahr- heit weiß den Anfang als ein Unvollkommenes, weil er Anfang iſt, aber zugleich diß Unvollkommene uͤber- haupt, als ein Nothwendiges, weil die Wahrheit nur das Zu-ſich-ſelbſt-kommen durch die Negativitaͤt der Un- mittelbarkeit iſt. Die Ungeduld, die uͤber das Be- ſtimmte, es heiſſe Anfang, Object, Endliches, oder in welcher Form es ſonſt genommen werde, nur hin- aus, und unmittelbar ſich im Abſoluten befinden will, hat als Erkenntniß nichts vor ſich, als das leere Ne- gative, das abſtracte Unendliche; — oder ein gemeyn- tes Abſolutes, das ein gemeyntes iſt, weil es nicht geſetzt, nicht erfaßt iſt; erfaſſen laͤßt es ſich nur durch die Vermittlung des Erkennens, von der das Allgemeine und Unmittelbare ein Moment, die Wahr- heit ſelbſt aber nur im ausgebreiteten Verlauf und im Ende iſt. — Fuͤr das ſubjective Beduͤrfniß der Unbe- kanntſchaft und deren Ungeduld kann wohl eine Ueber- ſicht des Ganzen zum Voraus gegeben werden, — durch eine Eintheilung fuͤr die Reflexion, die von dem All-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_logik02_1816
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_logik02_1816/415
Zitationshilfe: Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Wissenschaft der Logik. Bd. 2. Nürnberg, 1816, S. 397. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_logik02_1816/415>, abgerufen am 24.11.2024.