Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Wissenschaft der Logik. Bd. 2. Nürnberg, 1816.

Bild:
<< vorherige Seite

im Allgemeinen.
heit zu enthalten, und jener Satz, den jedes positive Ur-
theil ausspricht, ein wahrer sey; obschon unmittelbar
erhellt, daß ihm dasjenige fehlt, was die Definition der
Wahrheit fodert, nemlich die Uebereinstimmung des Be-
griffs und seines Gegenstandes; das Prädicat, welches
hier das Allgemeine ist, als den Begriff, das Subject,
welches das Einzelne ist, als den Gegenstand genom-
men, so stimmt das eine mit dem andern nicht überein.
Wenn aber das abstracte Allgemeine, welches
das Prädicat ist, noch nicht einen Begriff ausmacht,
als zu welchem allerdings mehr gehört; -- so wie auch
solches Subject noch nicht viel weiter als ein gramma-
tisches ist, wie sollte das Urtheil Wahrheit enthalten kön-
nen, da sein Begriff und Gegenstand nicht übereinstim-
men, oder ihm der Begriff, wohl auch der Gegenstand,
gar fehlt? -- Diß ist daher vielmehr das unmögliche
und ungereimte, in dergleichen Formen, wie ein
positives Urtheil und wie das Urtheil überhaupt ist,
die Wahrheit fassen zu wollen. So wie die Kantische
Philosophie die Kategorieen nicht an und für sich be-
trachtete, sondern sie nur aus dem schiefen Grunde,
weil sie subjective Formen des Selbstbewußtseyns seyen,
für endliche Bestimmungen, die das Wahre zu enthal-
ten unfähig seyen, erklärte, so hat sie noch weniger die
Formen des Begriffs, welche der Inhalt der gewöhn-
lichen Logik sind, der Critik unterworfen; sie hat viel-
mehr einen Theil derselben, nemlich die Functionen der
Urtheile für die Bestimmung der Kategorie aufgenom-
men, und sie als gültige Voraussetzungen gelten las-
sen. Soll in den logischen Formen auch weiter nichts
gesehen werden, als formelle Functionen des Denkens,
so wären sie schon darum der Untersuchung, in wiefern
sie für sich der Wahrheit entsprechen, würdig. Eine
Logik, welche diß nicht leistet, kann höchstens auf den
Werth einer naturhistorischen Beschreibung der Er-

schei-

im Allgemeinen.
heit zu enthalten, und jener Satz, den jedes poſitive Ur-
theil ausſpricht, ein wahrer ſey; obſchon unmittelbar
erhellt, daß ihm dasjenige fehlt, was die Definition der
Wahrheit fodert, nemlich die Uebereinſtimmung des Be-
griffs und ſeines Gegenſtandes; das Praͤdicat, welches
hier das Allgemeine iſt, als den Begriff, das Subject,
welches das Einzelne iſt, als den Gegenſtand genom-
men, ſo ſtimmt das eine mit dem andern nicht uͤberein.
Wenn aber das abſtracte Allgemeine, welches
das Praͤdicat iſt, noch nicht einen Begriff ausmacht,
als zu welchem allerdings mehr gehoͤrt; — ſo wie auch
ſolches Subject noch nicht viel weiter als ein gramma-
tiſches iſt, wie ſollte das Urtheil Wahrheit enthalten koͤn-
nen, da ſein Begriff und Gegenſtand nicht uͤbereinſtim-
men, oder ihm der Begriff, wohl auch der Gegenſtand,
gar fehlt? — Diß iſt daher vielmehr das unmoͤgliche
und ungereimte, in dergleichen Formen, wie ein
poſitives Urtheil und wie das Urtheil uͤberhaupt iſt,
die Wahrheit faſſen zu wollen. So wie die Kantiſche
Philoſophie die Kategorieen nicht an und fuͤr ſich be-
trachtete, ſondern ſie nur aus dem ſchiefen Grunde,
weil ſie ſubjective Formen des Selbſtbewußtſeyns ſeyen,
fuͤr endliche Beſtimmungen, die das Wahre zu enthal-
ten unfaͤhig ſeyen, erklaͤrte, ſo hat ſie noch weniger die
Formen des Begriffs, welche der Inhalt der gewoͤhn-
lichen Logik ſind, der Critik unterworfen; ſie hat viel-
mehr einen Theil derſelben, nemlich die Functionen der
Urtheile fuͤr die Beſtimmung der Kategorie aufgenom-
men, und ſie als guͤltige Vorausſetzungen gelten laſ-
ſen. Soll in den logiſchen Formen auch weiter nichts
geſehen werden, als formelle Functionen des Denkens,
ſo waͤren ſie ſchon darum der Unterſuchung, in wiefern
ſie fuͤr ſich der Wahrheit entſprechen, wuͤrdig. Eine
Logik, welche diß nicht leiſtet, kann hoͤchſtens auf den
Werth einer naturhiſtoriſchen Beſchreibung der Er-

ſchei-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0047" n="29"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">im Allgemeinen</hi>.</fw><lb/>
heit zu enthalten, und jener Satz, den jedes po&#x017F;itive Ur-<lb/>
theil aus&#x017F;pricht, ein wahrer &#x017F;ey; ob&#x017F;chon unmittelbar<lb/>
erhellt, daß ihm dasjenige fehlt, was die Definition der<lb/>
Wahrheit fodert, nemlich die Ueberein&#x017F;timmung des Be-<lb/>
griffs und &#x017F;eines Gegen&#x017F;tandes; das Pra&#x0364;dicat, welches<lb/>
hier das Allgemeine i&#x017F;t, als den Begriff, das Subject,<lb/>
welches das Einzelne i&#x017F;t, als den Gegen&#x017F;tand genom-<lb/>
men, &#x017F;o &#x017F;timmt das eine mit dem andern nicht u&#x0364;berein.<lb/>
Wenn aber das <hi rendition="#g">ab&#x017F;tracte Allgemeine</hi>, welches<lb/>
das Pra&#x0364;dicat i&#x017F;t, noch nicht einen Begriff ausmacht,<lb/>
als zu welchem allerdings mehr geho&#x0364;rt; &#x2014; &#x017F;o wie auch<lb/>
&#x017F;olches Subject noch nicht viel weiter als ein gramma-<lb/>
ti&#x017F;ches i&#x017F;t, wie &#x017F;ollte das Urtheil Wahrheit enthalten ko&#x0364;n-<lb/>
nen, da &#x017F;ein Begriff und Gegen&#x017F;tand nicht u&#x0364;berein&#x017F;tim-<lb/>
men, oder ihm der Begriff, wohl auch der Gegen&#x017F;tand,<lb/>
gar fehlt? &#x2014; Diß i&#x017F;t daher vielmehr das <hi rendition="#g">unmo&#x0364;gliche</hi><lb/>
und <hi rendition="#g">ungereimte</hi>, in dergleichen Formen, wie ein<lb/>
po&#x017F;itives Urtheil und wie das Urtheil u&#x0364;berhaupt i&#x017F;t,<lb/>
die Wahrheit fa&#x017F;&#x017F;en zu wollen. So wie die Kanti&#x017F;che<lb/>
Philo&#x017F;ophie die Kategorieen nicht an und fu&#x0364;r &#x017F;ich be-<lb/>
trachtete, &#x017F;ondern &#x017F;ie nur aus dem &#x017F;chiefen Grunde,<lb/>
weil &#x017F;ie &#x017F;ubjective Formen des Selb&#x017F;tbewußt&#x017F;eyns &#x017F;eyen,<lb/>
fu&#x0364;r endliche Be&#x017F;timmungen, die das Wahre zu enthal-<lb/>
ten unfa&#x0364;hig &#x017F;eyen, erkla&#x0364;rte, &#x017F;o hat &#x017F;ie noch weniger die<lb/>
Formen des Begriffs, welche der Inhalt der gewo&#x0364;hn-<lb/>
lichen Logik &#x017F;ind, der Critik unterworfen; &#x017F;ie hat viel-<lb/>
mehr einen Theil der&#x017F;elben, nemlich die Functionen der<lb/>
Urtheile fu&#x0364;r die Be&#x017F;timmung der Kategorie aufgenom-<lb/>
men, und &#x017F;ie als gu&#x0364;ltige Voraus&#x017F;etzungen gelten la&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en. Soll in den logi&#x017F;chen Formen auch weiter nichts<lb/>
ge&#x017F;ehen werden, als formelle Functionen des Denkens,<lb/>
&#x017F;o wa&#x0364;ren &#x017F;ie &#x017F;chon darum der Unter&#x017F;uchung, in wiefern<lb/>
&#x017F;ie fu&#x0364;r &#x017F;ich der <hi rendition="#g">Wahrheit</hi> ent&#x017F;prechen, wu&#x0364;rdig. Eine<lb/>
Logik, welche diß nicht lei&#x017F;tet, kann ho&#x0364;ch&#x017F;tens auf den<lb/>
Werth einer naturhi&#x017F;tori&#x017F;chen Be&#x017F;chreibung der Er-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x017F;chei-</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[29/0047] im Allgemeinen. heit zu enthalten, und jener Satz, den jedes poſitive Ur- theil ausſpricht, ein wahrer ſey; obſchon unmittelbar erhellt, daß ihm dasjenige fehlt, was die Definition der Wahrheit fodert, nemlich die Uebereinſtimmung des Be- griffs und ſeines Gegenſtandes; das Praͤdicat, welches hier das Allgemeine iſt, als den Begriff, das Subject, welches das Einzelne iſt, als den Gegenſtand genom- men, ſo ſtimmt das eine mit dem andern nicht uͤberein. Wenn aber das abſtracte Allgemeine, welches das Praͤdicat iſt, noch nicht einen Begriff ausmacht, als zu welchem allerdings mehr gehoͤrt; — ſo wie auch ſolches Subject noch nicht viel weiter als ein gramma- tiſches iſt, wie ſollte das Urtheil Wahrheit enthalten koͤn- nen, da ſein Begriff und Gegenſtand nicht uͤbereinſtim- men, oder ihm der Begriff, wohl auch der Gegenſtand, gar fehlt? — Diß iſt daher vielmehr das unmoͤgliche und ungereimte, in dergleichen Formen, wie ein poſitives Urtheil und wie das Urtheil uͤberhaupt iſt, die Wahrheit faſſen zu wollen. So wie die Kantiſche Philoſophie die Kategorieen nicht an und fuͤr ſich be- trachtete, ſondern ſie nur aus dem ſchiefen Grunde, weil ſie ſubjective Formen des Selbſtbewußtſeyns ſeyen, fuͤr endliche Beſtimmungen, die das Wahre zu enthal- ten unfaͤhig ſeyen, erklaͤrte, ſo hat ſie noch weniger die Formen des Begriffs, welche der Inhalt der gewoͤhn- lichen Logik ſind, der Critik unterworfen; ſie hat viel- mehr einen Theil derſelben, nemlich die Functionen der Urtheile fuͤr die Beſtimmung der Kategorie aufgenom- men, und ſie als guͤltige Vorausſetzungen gelten laſ- ſen. Soll in den logiſchen Formen auch weiter nichts geſehen werden, als formelle Functionen des Denkens, ſo waͤren ſie ſchon darum der Unterſuchung, in wiefern ſie fuͤr ſich der Wahrheit entſprechen, wuͤrdig. Eine Logik, welche diß nicht leiſtet, kann hoͤchſtens auf den Werth einer naturhiſtoriſchen Beſchreibung der Er- ſchei-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_logik02_1816
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_logik02_1816/47
Zitationshilfe: Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Wissenschaft der Logik. Bd. 2. Nürnberg, 1816, S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_logik02_1816/47>, abgerufen am 24.11.2024.