Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Wissenschaft der Logik. Bd. 2. Nürnberg, 1816.

Bild:
<< vorherige Seite

I. Abschnitt. Subjectivität.
Philosophen in Zweiffel gestellt gewesen, aus irgend ei-
nem Grunde aber die angegebenen Zahlen behauptet
würden. Denn in diesem Falle, würden dieselben als
etwas allgemeines, auch ohne jenen bestimmten Inhalt
des Todes des Aristoteles bestehende, mit anderem er-
füllte oder auch leere Zeit genommen. So ist die Nach-
richt: mein Freund N. ist gestorben, ein Satz; und
wäre nur dann ein Urtheil, wenn die Frage wäre, ob
er wirklich todt, oder nur scheintodt wäre.

Wenn das Urtheil gewöhnlich so erklärt wird, daß
es die Verbindung zweyer Begriffe sey, so
kann man für die äusserliche Copula wohl den unbestimmten
Ausdruck: Verbindung gelten lassen, ferner daß die
Verbundenen wenigstens Begriffe seyn sollen. Sonst
aber ist diese Erklärung wohl höchst oberflächlich; nicht
nur daß z. B. im disjunctiven Urtheile mehr als zwey
sogenannte Begriffe verbunden sind, sondern daß viel-
mehr die Erklärung viel besser ist, als die Sache; denn
es sind überhaupt keine Begriffe, die gemeint sind, kaum
Begriffs-, eigentlich nur Vorstellungs-Bestimmun-
gen
; beym Begriffe überhaupt, und beym bestimm-
ten Begriff ist bemerkt worden, daß das, was man so
zu benennen pflegt, keineswegs den Nahmen von Be-
griffen verdient; wo sollten nun beym Urtheile Begriffe
herkommen? -- Vornemlich ist in jener Erklärung das
Wesentliche des Urtheils, nemlich der Unterschied seiner
Bestimmungen übergangen; noch weniger das Verhält-
niß des Urtheils zum Begriffe berücksichtigt.

Was die weitere Bestimmung des Subjects und
Prädicats betrifft, so ist erinnert worden, daß sie im
Urtheil eigentlich erst ihre Bestimmung zu erhalten ha-
ben. Insofern dasselbe aber die gesetzte Bestimmt-
heit des Begriffs ist, so hat sie die angegebenen Un-

ter-

I. Abſchnitt. Subjectivitaͤt.
Philoſophen in Zweiffel geſtellt geweſen, aus irgend ei-
nem Grunde aber die angegebenen Zahlen behauptet
wuͤrden. Denn in dieſem Falle, wuͤrden dieſelben als
etwas allgemeines, auch ohne jenen beſtimmten Inhalt
des Todes des Ariſtoteles beſtehende, mit anderem er-
fuͤllte oder auch leere Zeit genommen. So iſt die Nach-
richt: mein Freund N. iſt geſtorben, ein Satz; und
waͤre nur dann ein Urtheil, wenn die Frage waͤre, ob
er wirklich todt, oder nur ſcheintodt waͤre.

Wenn das Urtheil gewoͤhnlich ſo erklaͤrt wird, daß
es die Verbindung zweyer Begriffe ſey, ſo
kann man fuͤr die aͤuſſerliche Copula wohl den unbeſtimmten
Ausdruck: Verbindung gelten laſſen, ferner daß die
Verbundenen wenigſtens Begriffe ſeyn ſollen. Sonſt
aber iſt dieſe Erklaͤrung wohl hoͤchſt oberflaͤchlich; nicht
nur daß z. B. im disjunctiven Urtheile mehr als zwey
ſogenannte Begriffe verbunden ſind, ſondern daß viel-
mehr die Erklaͤrung viel beſſer iſt, als die Sache; denn
es ſind uͤberhaupt keine Begriffe, die gemeint ſind, kaum
Begriffs-, eigentlich nur Vorſtellungs-Beſtimmun-
gen
; beym Begriffe uͤberhaupt, und beym beſtimm-
ten Begriff iſt bemerkt worden, daß das, was man ſo
zu benennen pflegt, keineswegs den Nahmen von Be-
griffen verdient; wo ſollten nun beym Urtheile Begriffe
herkommen? — Vornemlich iſt in jener Erklaͤrung das
Weſentliche des Urtheils, nemlich der Unterſchied ſeiner
Beſtimmungen uͤbergangen; noch weniger das Verhaͤlt-
niß des Urtheils zum Begriffe beruͤckſichtigt.

Was die weitere Beſtimmung des Subjects und
Praͤdicats betrifft, ſo iſt erinnert worden, daß ſie im
Urtheil eigentlich erſt ihre Beſtimmung zu erhalten ha-
ben. Inſofern daſſelbe aber die geſetzte Beſtimmt-
heit des Begriffs iſt, ſo hat ſie die angegebenen Un-

ter-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0094" n="76"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">I.</hi><hi rendition="#g">Ab&#x017F;chnitt. Subjectivita&#x0364;t</hi>.</fw><lb/>
Philo&#x017F;ophen in Zweiffel ge&#x017F;tellt gewe&#x017F;en, aus irgend ei-<lb/>
nem Grunde aber die angegebenen Zahlen behauptet<lb/>
wu&#x0364;rden. Denn in die&#x017F;em Falle, wu&#x0364;rden die&#x017F;elben als<lb/>
etwas allgemeines, auch ohne jenen be&#x017F;timmten Inhalt<lb/>
des Todes des Ari&#x017F;toteles be&#x017F;tehende, mit anderem er-<lb/>
fu&#x0364;llte oder auch leere Zeit genommen. So i&#x017F;t die Nach-<lb/>
richt: mein Freund N. i&#x017F;t ge&#x017F;torben, ein Satz; und<lb/>
wa&#x0364;re nur dann ein Urtheil, wenn die Frage wa&#x0364;re, ob<lb/>
er wirklich todt, oder nur &#x017F;cheintodt wa&#x0364;re.</p><lb/>
            <p>Wenn das Urtheil gewo&#x0364;hnlich &#x017F;o erkla&#x0364;rt wird, daß<lb/>
es die <hi rendition="#g">Verbindung zweyer Begriffe</hi> &#x017F;ey, &#x017F;o<lb/>
kann man fu&#x0364;r die a&#x0364;u&#x017F;&#x017F;erliche <hi rendition="#aq">Copula</hi> wohl den unbe&#x017F;timmten<lb/>
Ausdruck: <hi rendition="#g">Verbindung</hi> gelten la&#x017F;&#x017F;en, ferner daß die<lb/>
Verbundenen wenig&#x017F;tens Begriffe &#x017F;eyn <hi rendition="#g">&#x017F;ollen</hi>. Son&#x017F;t<lb/>
aber i&#x017F;t die&#x017F;e Erkla&#x0364;rung wohl ho&#x0364;ch&#x017F;t oberfla&#x0364;chlich; nicht<lb/>
nur daß z. B. im disjunctiven Urtheile mehr als <hi rendition="#g">zwey</hi><lb/>
&#x017F;ogenannte Begriffe verbunden &#x017F;ind, &#x017F;ondern daß viel-<lb/>
mehr die Erkla&#x0364;rung viel be&#x017F;&#x017F;er i&#x017F;t, als die Sache; denn<lb/>
es &#x017F;ind u&#x0364;berhaupt keine Begriffe, die gemeint &#x017F;ind, kaum<lb/>
Begriffs-, eigentlich nur <hi rendition="#g">Vor&#x017F;tellungs-Be&#x017F;timmun-<lb/>
gen</hi>; beym Begriffe u&#x0364;berhaupt, und beym be&#x017F;timm-<lb/>
ten Begriff i&#x017F;t bemerkt worden, daß das, was man &#x017F;o<lb/>
zu benennen pflegt, keineswegs den Nahmen von Be-<lb/>
griffen verdient; wo &#x017F;ollten nun beym Urtheile Begriffe<lb/>
herkommen? &#x2014; Vornemlich i&#x017F;t in jener Erkla&#x0364;rung das<lb/>
We&#x017F;entliche des Urtheils, nemlich der Unter&#x017F;chied &#x017F;einer<lb/>
Be&#x017F;timmungen u&#x0364;bergangen; noch weniger das Verha&#x0364;lt-<lb/>
niß des Urtheils zum Begriffe beru&#x0364;ck&#x017F;ichtigt.</p><lb/>
            <p>Was die weitere Be&#x017F;timmung des Subjects und<lb/>
Pra&#x0364;dicats betrifft, &#x017F;o i&#x017F;t erinnert worden, daß &#x017F;ie im<lb/>
Urtheil eigentlich er&#x017F;t ihre Be&#x017F;timmung zu erhalten ha-<lb/>
ben. In&#x017F;ofern da&#x017F;&#x017F;elbe aber die ge&#x017F;etzte Be&#x017F;timmt-<lb/>
heit des Begriffs i&#x017F;t, &#x017F;o hat &#x017F;ie die angegebenen Un-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">ter-</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[76/0094] I. Abſchnitt. Subjectivitaͤt. Philoſophen in Zweiffel geſtellt geweſen, aus irgend ei- nem Grunde aber die angegebenen Zahlen behauptet wuͤrden. Denn in dieſem Falle, wuͤrden dieſelben als etwas allgemeines, auch ohne jenen beſtimmten Inhalt des Todes des Ariſtoteles beſtehende, mit anderem er- fuͤllte oder auch leere Zeit genommen. So iſt die Nach- richt: mein Freund N. iſt geſtorben, ein Satz; und waͤre nur dann ein Urtheil, wenn die Frage waͤre, ob er wirklich todt, oder nur ſcheintodt waͤre. Wenn das Urtheil gewoͤhnlich ſo erklaͤrt wird, daß es die Verbindung zweyer Begriffe ſey, ſo kann man fuͤr die aͤuſſerliche Copula wohl den unbeſtimmten Ausdruck: Verbindung gelten laſſen, ferner daß die Verbundenen wenigſtens Begriffe ſeyn ſollen. Sonſt aber iſt dieſe Erklaͤrung wohl hoͤchſt oberflaͤchlich; nicht nur daß z. B. im disjunctiven Urtheile mehr als zwey ſogenannte Begriffe verbunden ſind, ſondern daß viel- mehr die Erklaͤrung viel beſſer iſt, als die Sache; denn es ſind uͤberhaupt keine Begriffe, die gemeint ſind, kaum Begriffs-, eigentlich nur Vorſtellungs-Beſtimmun- gen; beym Begriffe uͤberhaupt, und beym beſtimm- ten Begriff iſt bemerkt worden, daß das, was man ſo zu benennen pflegt, keineswegs den Nahmen von Be- griffen verdient; wo ſollten nun beym Urtheile Begriffe herkommen? — Vornemlich iſt in jener Erklaͤrung das Weſentliche des Urtheils, nemlich der Unterſchied ſeiner Beſtimmungen uͤbergangen; noch weniger das Verhaͤlt- niß des Urtheils zum Begriffe beruͤckſichtigt. Was die weitere Beſtimmung des Subjects und Praͤdicats betrifft, ſo iſt erinnert worden, daß ſie im Urtheil eigentlich erſt ihre Beſtimmung zu erhalten ha- ben. Inſofern daſſelbe aber die geſetzte Beſtimmt- heit des Begriffs iſt, ſo hat ſie die angegebenen Un- ter-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_logik02_1816
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_logik02_1816/94
Zitationshilfe: Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Wissenschaft der Logik. Bd. 2. Nürnberg, 1816, S. 76. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_logik02_1816/94>, abgerufen am 24.11.2024.