Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: System der Wissenschaft. Erster Theil: Die Phänomenologie des Geistes. Bamberg u. a., 1807.

Bild:
<< vorherige Seite

beyder über ihr Wissen; die eine verschwindet aber
in der andern.

Was darin nicht verschwindet, ist Ich, als all-
gemeines
, dessen Sehen weder ein Sehen des Baums
noch dieses Hauses, sondern ein einfaches Sehen ist,
das durch die Negation dieses Hauses und so fort
vermittelt, darin eben so einfach und gleichgültig
gegen das, was noch beyher spielt, gegen das Haus,
den Baum ist. Ich ist nur allgemeines, wie Itzt,
Hier oder Dieses
überhaupt; ich meyne wohl einen
einz[e]lnen Ich, aber so wenig ich das, was ich bey
Itzt, Hier meyne, sagen kann, so wenig bey Ich.
Indem ich sage, dieses Hier, Itzt oder ein einzelnes,
sage ich alle diese, alle Hier, Itzt, einzelne; ebenso
indem ich sage, Ich, dieser einzelne Ich, sage ich
überhaupt, alle Ich; jeder ist das was ich sage; Ich,
dieser, einzelne, Ich
. Wenn der Wissenschafft diese
Forderung, als ihr Probierstein, auf dem sie schlecht-
hin nicht aushalten könnte, vorgelegt wird, ein so-
genanntes dieses Ding, oder einen diesen Menschen, zu
deduciren, construiren, a priori zu finden oder wie
man diss ausdrücken will, so ist billig, dass die Forde-
rung sage, welches dieses Ding oder welchen diesen
Ich, sie meyne; aber diss zu sagen ist unmöglich.

Die sinnliche Gewissheit erfährt also, dass ihr
Wesen, weder in dem Gegenstande, noch in dem
Ich, und die Unmittelbarkeit weder eine Unmittel-
barkeit des einen noch des andern ist, denn an bey-
den ist das was Ich meyne, vielmehr ein unwesent-

beyder über ihr Wissen; die eine verschwindet aber
in der andern.

Was darin nicht verschwindet, ist Ich, als all-
gemeines
, dessen Sehen weder ein Sehen des Baums
noch dieses Hauses, sondern ein einfaches Sehen ist,
das durch die Negation dieses Hauses und so fort
vermittelt, darin eben so einfach und gleichgültig
gegen das, was noch beyher spielt, gegen das Haus,
den Baum ist. Ich ist nur allgemeines, wie Itzt,
Hier oder Dieses
überhaupt; ich meyne wohl einen
einz[e]lnen Ich, aber so wenig ich das, was ich bey
Itzt, Hier meyne, sagen kann, so wenig bey Ich.
Indem ich sage, dieses Hier, Itzt oder ein einzelnes,
sage ich alle diese, alle Hier, Itzt, einzelne; ebenso
indem ich sage, Ich, dieser einzelne Ich, sage ich
überhaupt, alle Ich; jeder ist das was ich sage; Ich,
dieser, einzelne, Ich
. Wenn der Wissenschafft diese
Forderung, als ihr Probierstein, auf dem sie schlecht-
hin nicht aushalten könnte, vorgelegt wird, ein so-
genanntes dieses Ding, oder einen diesen Menschen, zu
deduciren, construiren, à priori zu finden oder wie
man diſs ausdrücken will, so ist billig, daſs die Forde-
rung sage, welches dieses Ding oder welchen diesen
Ich, sie meyne; aber diſs zu sagen ist unmöglich.

Die sinnliche Gewiſsheit erfährt also, daſs ihr
Wesen, weder in dem Gegenstande, noch in dem
Ich, und die Unmittelbarkeit weder eine Unmittel-
barkeit des einen noch des andern ist, denn an bey-
den ist das was Ich meyne, vielmehr ein unwesent-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0138" n="29"/>
beyder über ihr Wissen; die eine verschwindet aber<lb/>
in der andern.</p><lb/>
          <p>Was darin nicht verschwindet, ist <hi rendition="#i">Ich</hi>, als <hi rendition="#i">all-<lb/>
gemeines</hi>, dessen Sehen weder ein Sehen des Baums<lb/>
noch dieses Hauses, sondern ein einfaches Sehen ist,<lb/>
das durch die Negation dieses Hauses und so fort<lb/>
vermittelt, darin eben so einfach und gleichgültig<lb/>
gegen das, was noch beyher spielt, gegen das Haus,<lb/>
den Baum ist. Ich ist nur allgemeines, wie <hi rendition="#i">Itzt,<lb/>
Hier oder Dieses</hi> überhaupt; ich meyne wohl einen<lb/><hi rendition="#i">einz<supplied>e</supplied>lnen Ich</hi>, aber so wenig ich das, was ich bey<lb/>
Itzt, Hier meyne, sagen kann, so wenig bey Ich.<lb/>
Indem ich sage, <hi rendition="#i">dieses Hier, Itzt</hi> oder ein <hi rendition="#i">einzelnes</hi>,<lb/>
sage ich <hi rendition="#i"><hi rendition="#g">alle</hi> diese, alle Hier, Itzt, einzelne;</hi> ebenso<lb/>
indem ich sage, <hi rendition="#i">Ich, dieser einzelne</hi> Ich, sage ich<lb/>
überhaupt, <hi rendition="#i"><hi rendition="#g">alle</hi></hi> Ich; jeder ist das was ich sage; <hi rendition="#i">Ich,<lb/>
dieser, einzelne, Ich</hi>. Wenn der Wissenschafft diese<lb/>
Forderung, als ihr Probierstein, auf dem sie schlecht-<lb/>
hin nicht aushalten könnte, vorgelegt wird, ein so-<lb/>
genanntes <hi rendition="#i">dieses Ding</hi>, oder <hi rendition="#i">einen diesen Menschen</hi>, zu<lb/>
deduciren, construiren, à priori zu finden oder wie<lb/>
man di&#x017F;s ausdrücken will, so ist billig, da&#x017F;s die Forde-<lb/>
rung <hi rendition="#i">sage</hi>, welches <hi rendition="#i">dieses</hi> Ding oder welchen <hi rendition="#i">diesen</hi><lb/>
Ich, sie meyne; aber di&#x017F;s zu sagen ist unmöglich.</p><lb/>
          <p>Die sinnliche Gewi&#x017F;sheit erfährt also, da&#x017F;s ihr<lb/>
Wesen, weder in dem Gegenstande, noch in dem<lb/>
Ich, und die Unmittelbarkeit weder eine Unmittel-<lb/>
barkeit des einen noch des andern ist, denn an bey-<lb/>
den ist das was Ich meyne, vielmehr ein unwesent-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[29/0138] beyder über ihr Wissen; die eine verschwindet aber in der andern. Was darin nicht verschwindet, ist Ich, als all- gemeines, dessen Sehen weder ein Sehen des Baums noch dieses Hauses, sondern ein einfaches Sehen ist, das durch die Negation dieses Hauses und so fort vermittelt, darin eben so einfach und gleichgültig gegen das, was noch beyher spielt, gegen das Haus, den Baum ist. Ich ist nur allgemeines, wie Itzt, Hier oder Dieses überhaupt; ich meyne wohl einen einzelnen Ich, aber so wenig ich das, was ich bey Itzt, Hier meyne, sagen kann, so wenig bey Ich. Indem ich sage, dieses Hier, Itzt oder ein einzelnes, sage ich alle diese, alle Hier, Itzt, einzelne; ebenso indem ich sage, Ich, dieser einzelne Ich, sage ich überhaupt, alle Ich; jeder ist das was ich sage; Ich, dieser, einzelne, Ich. Wenn der Wissenschafft diese Forderung, als ihr Probierstein, auf dem sie schlecht- hin nicht aushalten könnte, vorgelegt wird, ein so- genanntes dieses Ding, oder einen diesen Menschen, zu deduciren, construiren, à priori zu finden oder wie man diſs ausdrücken will, so ist billig, daſs die Forde- rung sage, welches dieses Ding oder welchen diesen Ich, sie meyne; aber diſs zu sagen ist unmöglich. Die sinnliche Gewiſsheit erfährt also, daſs ihr Wesen, weder in dem Gegenstande, noch in dem Ich, und die Unmittelbarkeit weder eine Unmittel- barkeit des einen noch des andern ist, denn an bey- den ist das was Ich meyne, vielmehr ein unwesent-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_phaenomenologie_1807
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_phaenomenologie_1807/138
Zitationshilfe: Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: System der Wissenschaft. Erster Theil: Die Phänomenologie des Geistes. Bamberg u. a., 1807, S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_phaenomenologie_1807/138>, abgerufen am 21.11.2024.