Versicherungen über das Wahre -- kann nicht für die Art und Weise gelten, in der die philo- sophische Wahrheit darzustellen sey. -- Auch weil die Philosophie wesentlich im Elemente der Allgemeinheit ist, die das Besondere in sich schliesst, so findet bey ihr mehr als bey andern Wissenschafften der Schein statt, als ob in dem Zwecke oder den letzten Resultaten, die Sache selbst und sogar in ihrem vollkommenen Wesen ausgedrückt wäre, gegen welches die Ausfüh- rung eigentlich das unwesentliche sey. In der allgemeinen Vorstellung hingegen, zum Beyspiel was Anatomie sey, etwa die Kenntniss der Thei- le des Körpers nach ihrem unlebendigen Da- seyn betrachtet, ist man überzeugt, die Sache selbst, den Inhalt dieser Wissenschafft, noch nicht zu besitzen, sondern ausserdem um das Beson- dere sich bemühen zu müssen. -- Ferner ist bey einem solchen Aggregate von Kenntnissen, das den Nahmen Wissenschafft nicht mit Recht führt, eine Conversation über Zweck und dergleichen Allgemeinheiten nicht von der historischen und begrifflosen Weise verschieden, worin von dem Inhalte selbst, diesen Nerven, Muskeln und so fort, gesprochen wird. Bey der Philosophie hingegen würde die Ungleichheit entstehen, dass von einer solchen Weise Gebrauch gemacht,
Verſicherungen über das Wahre — kann nicht für die Art und Weiſe gelten, in der die philo- ſophiſche Wahrheit darzuſtellen ſey. — Auch weil die Philoſophie weſentlich im Elemente der Allgemeinheit iſt, die das Beſondere in ſich ſchlieſst, ſo findet bey ihr mehr als bey andern Wiſſenſchafften der Schein ſtatt, als ob in dem Zwecke oder den letzten Reſultaten, die Sache ſelbſt und ſogar in ihrem vollkommenen Weſen ausgedrückt wäre, gegen welches die Ausfüh- rung eigentlich das unweſentliche ſey. In der allgemeinen Vorſtellung hingegen, zum Beyſpiel was Anatomie ſey, etwa die Kenntniſs der Thei- le des Körpers nach ihrem unlebendigen Da- ſeyn betrachtet, iſt man überzeugt, die Sache ſelbſt, den Inhalt dieſer Wiſſenſchafft, noch nicht zu beſitzen, ſondern auſserdem um das Beſon- dere ſich bemühen zu müſſen. — Ferner iſt bey einem ſolchen Aggregate von Kenntniſſen, das den Nahmen Wiſſenſchafft nicht mit Recht führt, eine Converſation über Zweck und dergleichen Allgemeinheiten nicht von der hiſtoriſchen und begriffloſen Weiſe verſchieden, worin von dem Inhalte ſelbſt, dieſen Nerven, Muskeln und ſo fort, geſprochen wird. Bey der Philoſophie hingegen würde die Ungleichheit entſtehen, daſs von einer ſolchen Weiſe Gebrauch gemacht,
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[II/0017]
Verſicherungen über das Wahre — kann nicht
für die Art und Weiſe gelten, in der die philo-
ſophiſche Wahrheit darzuſtellen ſey. — Auch
weil die Philoſophie weſentlich im Elemente der
Allgemeinheit iſt, die das Beſondere in ſich
ſchlieſst, ſo findet bey ihr mehr als bey andern
Wiſſenſchafften der Schein ſtatt, als ob in dem
Zwecke oder den letzten Reſultaten, die Sache
ſelbſt und ſogar in ihrem vollkommenen Weſen
ausgedrückt wäre, gegen welches die Ausfüh-
rung eigentlich das unweſentliche ſey. In der
allgemeinen Vorſtellung hingegen, zum Beyſpiel
was Anatomie ſey, etwa die Kenntniſs der Thei-
le des Körpers nach ihrem unlebendigen Da-
ſeyn betrachtet, iſt man überzeugt, die Sache
ſelbſt, den Inhalt dieſer Wiſſenſchafft, noch nicht
zu beſitzen, ſondern auſserdem um das Beſon-
dere ſich bemühen zu müſſen. — Ferner iſt bey
einem ſolchen Aggregate von Kenntniſſen, das
den Nahmen Wiſſenſchafft nicht mit Recht führt,
eine Converſation über Zweck und dergleichen
Allgemeinheiten nicht von der hiſtoriſchen und
begriffloſen Weiſe verſchieden, worin von dem
Inhalte ſelbſt, dieſen Nerven, Muskeln und ſo
fort, geſprochen wird. Bey der Philoſophie
hingegen würde die Ungleichheit entſtehen,
daſs von einer ſolchen Weiſe Gebrauch gemacht,
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Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: System der Wissenschaft. Erster Theil: Die Phänomenologie des Geistes. Bamberg u. a., 1807, S. II. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_phaenomenologie_1807/17>, abgerufen am 03.12.2024.
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