In den bisherigen Weisen der Gewissheit ist dem Bewusstseyn das Wahre, etwas anderes, als es selbst. Der Begriff dieses Wahren verschwindet aber in der Erfahrung von ihm; wie der Gegen- stand unmittelbar an sich war, das Seyende der sinn- lichen Gewissheit, das concrete Ding der Wahrneh- mung, die Krafft des Verstandes, so erweist er sich vielmehr nicht in Wahrheit zu seyn, sondern diss Ansich ergibt sich als eine Weise, wie er nur für ein anderes ist; der Begriff von ihm hebt sich an dem wirklichen Gegenstande auf, oder die erste unmit- telbare Vorstellung in der Erfahrung, und die Ge- wissheit ging in der Wahrheit verloren. Nunmehr aber ist diss entstanden, was in diesen frühern Ver- hältnissen nicht zu Stande kam, nemlich eine Gewiss- heit, welche ihrer Wahrheit gleich ist, denn die Ge- wissheit ist sich selbst ihr Gegenstand, und das Be- wusstseyn ist sich selbst das Wahre. Es ist darin zwar auch ein Andersseyn; das Bewusstseyn unter- scheidet nemlich, aber ein solches, das für es zu-
IV. Die Wahrheit der Gewiſsheit seiner selbst.
In den bisherigen Weisen der Gewiſsheit ist dem Bewuſstseyn das Wahre, etwas anderes, als es selbst. Der Begriff dieses Wahren verschwindet aber in der Erfahrung von ihm; wie der Gegen- stand unmittelbar an sich war, das Seyende der sinn- lichen Gewiſsheit, das concrete Ding der Wahrneh- mung, die Krafft des Verstandes, so erweist er sich vielmehr nicht in Wahrheit zu seyn, sondern diſs Ansich ergibt sich als eine Weise, wie er nur für ein anderes ist; der Begriff von ihm hebt sich an dem wirklichen Gegenstande auf, oder die erste unmit- telbare Vorstellung in der Erfahrung, und die Ge- wiſsheit ging in der Wahrheit verloren. Nunmehr aber ist diſs entstanden, was in diesen frühern Ver- hältnissen nicht zu Stande kam, nemlich eine Gewiſs- heit, welche ihrer Wahrheit gleich ist, denn die Ge- wiſsheit ist sich selbst ihr Gegenstand, und das Be- wuſstseyn ist sich selbst das Wahre. Es ist darin zwar auch ein Andersseyn; das Bewuſstseyn unter- scheidet nemlich, aber ein solches, das für es zu-
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IV.
Die Wahrheit
der Gewiſsheit seiner selbst.
In den bisherigen Weisen der Gewiſsheit ist dem
Bewuſstseyn das Wahre, etwas anderes, als es
selbst. Der Begriff dieses Wahren verschwindet
aber in der Erfahrung von ihm; wie der Gegen-
stand unmittelbar an sich war, das Seyende der sinn-
lichen Gewiſsheit, das concrete Ding der Wahrneh-
mung, die Krafft des Verstandes, so erweist er sich
vielmehr nicht in Wahrheit zu seyn, sondern diſs
Ansich ergibt sich als eine Weise, wie er nur für
ein anderes ist; der Begriff von ihm hebt sich an dem
wirklichen Gegenstande auf, oder die erste unmit-
telbare Vorstellung in der Erfahrung, und die Ge-
wiſsheit ging in der Wahrheit verloren. Nunmehr
aber ist diſs entstanden, was in diesen frühern Ver-
hältnissen nicht zu Stande kam, nemlich eine Gewiſs-
heit, welche ihrer Wahrheit gleich ist, denn die Ge-
wiſsheit ist sich selbst ihr Gegenstand, und das Be-
wuſstseyn ist sich selbst das Wahre. Es ist darin
zwar auch ein Andersseyn; das Bewuſstseyn unter-
scheidet nemlich, aber ein solches, das für es zu-
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Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: System der Wissenschaft. Erster Theil: Die Phänomenologie des Geistes. Bamberg u. a., 1807, S. 101. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_phaenomenologie_1807/210>, abgerufen am 27.11.2024.
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