auch andere äusserliche Wege, der Thätigkeit des Geistes beyzukommen, um sie zu erwecken oder zu- rückzuhalten, beliebt werden. -- Die Rückenwir- belsäule fällt also, wenn man will, mit Recht hin- weg; und es ist so gut, als viele andere naturphilo- sophische Lehren, construirt, dass der Schädel allein zwar nicht die Organe des Geistes enthalte. Denn diss wurde vorhin aus dem Begriffe dieses Verhältnisses ausgeschlossen, und desswegen der Schädel zur Seite des Daseyns genommen; oder wenn nicht an den Be- griff der Sache erinnert werden dürfte, so lehrt ja die Erfahrung, dass wie mit dem Auge als Organe gesehen, so nicht mit dem Schädel gemordet, ge- stohlen, gedichtet, u. s. w. wird. -- Es ist sich desswegen auch des Ausdrucks Organ für diejenige Bedeutung des Schädels zu enthalten, von welcher noch zu sprechen ist. Denn ob man gleich zu sagen pflegt, dass es vernünftigen Menschen nicht auf das Wort, sondern auf die Sache ankomme, so ist dar- aus doch nicht die Erlaubniss zu nehmen, eine Sa- che mit einem ihr nicht zugehörigen Worte zu be- zeichnen, denn diss ist Ungeschicklichkeit zugleich und Betrug, der nur das rechte Wort nicht zu ha- ben meynt und vorgibt, und es sich verbirgt, dass ihm in der That die Sache, d. h. der Begriff, fehlt; wenn dieser vorhanden wäre, würde er auch sein rechtes Wort haben. -- Zunächst hat sich hier nur diss bestimmt, dass wie das Gehirn der lebendige Kopf, der Schädel das caput mortuum ist.
auch andere äuſserliche Wege, der Thätigkeit des Geistes beyzukommen, um sie zu erwecken oder zu- rückzuhalten, beliebt werden. — Die Rückenwir- belsäule fällt also, wenn man will, mit Recht hin- weg; und es ist so gut, als viele andere naturphilo- sophische Lehren, construirt, daſs der Schädel allein zwar nicht die Organe des Geistes enthalte. Denn diſs wurde vorhin aus dem Begriffe dieses Verhältnisses ausgeschlossen, und deſswegen der Schädel zur Seite des Daseyns genommen; oder wenn nicht an den Be- griff der Sache erinnert werden dürfte, so lehrt ja die Erfahrung, daſs wie mit dem Auge als Organe gesehen, so nicht mit dem Schädel gemordet, ge- stohlen, gedichtet, u. s. w. wird. — Es ist sich deſswegen auch des Ausdrucks Organ für diejenige Bedeutung des Schädels zu enthalten, von welcher noch zu sprechen ist. Denn ob man gleich zu sagen pflegt, daſs es vernünftigen Menschen nicht auf das Wort, sondern auf die Sache ankomme, so ist dar- aus doch nicht die Erlaubniſs zu nehmen, eine Sa- che mit einem ihr nicht zugehörigen Worte zu be- zeichnen, denn diſs ist Ungeschicklichkeit zugleich und Betrug, der nur das rechte Wort nicht zu ha- ben meynt und vorgibt, und es sich verbirgt, daſs ihm in der That die Sache, d. h. der Begriff, fehlt; wenn dieser vorhanden wäre, würde er auch sein rechtes Wort haben. — Zunächst hat sich hier nur diſs bestimmt, daſs wie das Gehirn der lebendige Kopf, der Schädel das caput mortuum ist.
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auch andere äuſserliche Wege, der Thätigkeit des
Geistes beyzukommen, um sie zu erwecken oder zu-
rückzuhalten, beliebt werden. — Die Rückenwir-
belsäule fällt also, wenn man will, mit Recht hin-
weg; und es ist so gut, als viele andere naturphilo-
sophische Lehren, construirt, daſs der Schädel allein
zwar nicht die Organe des Geistes enthalte. Denn diſs
wurde vorhin aus dem Begriffe dieses Verhältnisses
ausgeschlossen, und deſswegen der Schädel zur Seite
des Daseyns genommen; oder wenn nicht an den Be-
griff der Sache erinnert werden dürfte, so lehrt ja
die Erfahrung, daſs wie mit dem Auge als Organe
gesehen, so nicht mit dem Schädel gemordet, ge-
stohlen, gedichtet, u. s. w. wird. — Es ist sich
deſswegen auch des Ausdrucks Organ für diejenige
Bedeutung des Schädels zu enthalten, von welcher
noch zu sprechen ist. Denn ob man gleich zu sagen
pflegt, daſs es vernünftigen Menschen nicht auf das
Wort, sondern auf die Sache ankomme, so ist dar-
aus doch nicht die Erlaubniſs zu nehmen, eine Sa-
che mit einem ihr nicht zugehörigen Worte zu be-
zeichnen, denn diſs ist Ungeschicklichkeit zugleich
und Betrug, der nur das rechte Wort nicht zu ha-
ben meynt und vorgibt, und es sich verbirgt, daſs
ihm in der That die Sache, d. h. der Begriff, fehlt;
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Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: System der Wissenschaft. Erster Theil: Die Phänomenologie des Geistes. Bamberg u. a., 1807, S. 264. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_phaenomenologie_1807/373>, abgerufen am 22.11.2024.
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