zelnheit ist. Sie ist also einerseits ein Gesetz, von dem die einzelne Individualität gedrückt wird, eine gewaltthätige Ordnung der Welt, welche dem Ge- setze des Herzens widerspricht; -- und andererseits eine unter ihr leidende Menschheit, welche nicht dem Gesetze des Herzens folgt, sondern einer fremden Nothwendigkeit unterthan ist. -- Diese Wirklich- keit, die der itzigen Gestalt des Bewusstseyns ge- genüber erscheint, ist, wie erhellt, nichts anders als das vorhergehende entzweyte Verhältniss der Indi- vidualität und ihrer Wahrheit, das Verhältniss ei- ner grausamen Nothwendigkeit, von welcher jene erdrückt wird. Für uns tritt die vorhergehende Bewegung darum der neuen Gestalt gegenüber, weil diese an sich aus ihr entsprungen, das Moment, woraus sie herkommt, also nothwendig für sie ist; ihr aber erscheint es als ein vorgefundenes, indem sie kein Bewusstseyn über ihren Ursprung hat, und ihr das Wesen ist, vielmehr für sich selbst oder das negative gegen diss positive Ansich zu seyn.
Diese dem Gesetze des Herzens widersprechen- de Nothwendigkeit, so wie das durch sie vorhan- dene Leiden, aufzuheben, darauf ist also diese In- dividualität gerichtet. Sie ist hiemit nicht mehr der Leichtsinn der vorigen Gestalt, die nur die einzel- ne Lust wollte, sondern die Ernsthaftigkeit eines hohen Zwecks, die ihre Lust in der Darstellung ihres vortrefflichen eigenen Wesens und in der Her- vorbringung des Wohls der Menschheit sucht. Was
zelnheit ist. Sie ist also einerseits ein Gesetz, von dem die einzelne Individualität gedrückt wird, eine gewaltthätige Ordnung der Welt, welche dem Ge- setze des Herzens widerspricht; — und andererseits eine unter ihr leidende Menschheit, welche nicht dem Gesetze des Herzens folgt, sondern einer fremden Nothwendigkeit unterthan ist. — Diese Wirklich- keit, die der itzigen Gestalt des Bewuſstseyns ge- genüber erscheint, ist, wie erhellt, nichts anders als das vorhergehende entzweyte Verhältniſs der Indi- vidualität und ihrer Wahrheit, das Verhältniſs ei- ner grausamen Nothwendigkeit, von welcher jene erdrückt wird. Für uns tritt die vorhergehende Bewegung darum der neuen Gestalt gegenüber, weil diese an sich aus ihr entsprungen, das Moment, woraus sie herkommt, also nothwendig für sie ist; ihr aber erscheint es als ein vorgefundenes, indem sie kein Bewuſstseyn über ihren Ursprung hat, und ihr das Wesen ist, vielmehr für sich selbst oder das negative gegen diſs positive Ansich zu seyn.
Diese dem Gesetze des Herzens widersprechen- de Nothwendigkeit, so wie das durch sie vorhan- dene Leiden, aufzuheben, darauf ist also diese In- dividualität gerichtet. Sie ist hiemit nicht mehr der Leichtsinn der vorigen Gestalt, die nur die einzel- ne Lust wollte, sondern die Ernsthaftigkeit eines hohen Zwecks, die ihre Lust in der Darstellung ihres vortrefflichen eigenen Wesens und in der Her- vorbringung des Wohls der Menschheit sucht. Was
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zelnheit ist. Sie ist also einerseits ein Gesetz, von
dem die einzelne Individualität gedrückt wird, eine
gewaltthätige Ordnung der Welt, welche dem Ge-
setze des Herzens widerspricht; — und andererseits
eine unter ihr leidende Menschheit, welche nicht dem
Gesetze des Herzens folgt, sondern einer fremden
Nothwendigkeit unterthan ist. — Diese Wirklich-
keit, die der itzigen Gestalt des Bewuſstseyns ge-
genüber erscheint, ist, wie erhellt, nichts anders als
das vorhergehende entzweyte Verhältniſs der Indi-
vidualität und ihrer Wahrheit, das Verhältniſs ei-
ner grausamen Nothwendigkeit, von welcher jene
erdrückt wird. Für uns tritt die vorhergehende
Bewegung darum der neuen Gestalt gegenüber, weil
diese an sich aus ihr entsprungen, das Moment,
woraus sie herkommt, also nothwendig für sie ist;
ihr aber erscheint es als ein vorgefundenes, indem
sie kein Bewuſstseyn über ihren Ursprung hat, und
ihr das Wesen ist, vielmehr für sich selbst oder das
negative gegen diſs positive Ansich zu seyn.
Diese dem Gesetze des Herzens widersprechen-
de Nothwendigkeit, so wie das durch sie vorhan-
dene Leiden, aufzuheben, darauf ist also diese In-
dividualität gerichtet. Sie ist hiemit nicht mehr der
Leichtsinn der vorigen Gestalt, die nur die einzel-
ne Lust wollte, sondern die Ernsthaftigkeit eines
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Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: System der Wissenschaft. Erster Theil: Die Phänomenologie des Geistes. Bamberg u. a., 1807, S. 306. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_phaenomenologie_1807/415>, abgerufen am 22.11.2024.
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