Genusse sich befreyt zu wissen und zu erweisen, für ungeschickt. Das glaubende Bewusstseyn selbst fasst das absolute Thun als ein allgemeines Thun; nicht nur das Handeln seines absoluten Wesens als seines Gegenstandes ist ihm ein allgemeines, sondern auch das einzelne Bewusstseyn soll sich ganz und allgemein von seinem sinnlichen Wesen be- freyt erweisen. Das Wegwerfen einer einzelnen Habe oder das Verzichtthun auf einen einzelnen Ge- nuss ist aber nicht diese allgemeine Handlung; und indem in der Handlung wesentlich der Zweck, der ein allgemeiner, und die Ausführung, die eine ein- zelne ist, vor dem Bewusstseyn in ihrer Unange- messenheit stehen müsste, so erweisst sie sich als ein solches Handeln, woran das Bewusstseyn keinen Antheil hat, und hiemit diss Handeln eigentlich als zu naiv, um eine Handlung zu seyn; es ist zu naiv zu fasten, um von der Lust der Mahlzeit sich be- freyt, -- zu naiv, sich, wie Origines, andere Lust vom Leibe wegzuschaffen, um sie abgethan zu er- weisen. Die Handlung selbst erweisst sich als ein äusserliches und einzelnes Thun; die Begierde aber ist innerlich eingewurzelt, und ein allgemeines; ihre Lust verschwindet weder mit dem Werkzeuge, noch durch einzelne Entbehrung.
Die Aufklärung aber isolirt ihrerseits hier das innerliche, unwirkliche gegen die Wirklichkeit, wie sie gegen die Innerlichkeit des Glaubens in seiner Anschauung und Andacht, die Aeusserlichkeit der
Genuſſe sich befreyt zu wiſſen und zu erweiſen, für ungeſchickt. Das glaubende Bewuſstseyn ſelbſt faſst das abſolute Thun als ein allgemeines Thun; nicht nur das Handeln ſeines abſoluten Weſens als seines Gegenſtandes ist ihm ein allgemeines, ſondern auch das einzelne Bewuſstseyn ſoll sich ganz und allgemein von seinem sinnlichen Wesen be- freyt erweiſen. Das Wegwerfen einer einzelnen Habe oder das Verzichtthun auf einen einzelnen Ge- nuſs ist aber nicht dieſe allgemeine Handlung; und indem in der Handlung weſentlich der Zweck, der ein allgemeiner, und die Ausführung, die eine ein- zelne ist, vor dem Bewuſstseyn in ihrer Unange- meſſenheit ſtehen müſste, so erweiſst sie sich als ein solches Handeln, woran das Bewuſstseyn keinen Antheil hat, und hiemit diſs Handeln eigentlich als zu naiv, um eine Handlung zu ſeyn; es ist zu naiv zu faſten, um von der Luſt der Mahlzeit sich be- freyt, — zu naiv, sich, wie Origines, andere Luſt vom Leibe wegzuſchaffen, um sie abgethan zu er- weiſen. Die Handlung ſelbſt erweiſst sich als ein äuſſerliches und einzelnes Thun; die Begierde aber ist innerlich eingewurzelt, und ein allgemeines; ihre Luſt verſchwindet weder mit dem Werkzeuge, noch durch einzelne Entbehrung.
Die Aufklärung aber iſolirt ihrerſeits hier das innerliche, unwirkliche gegen die Wirklichkeit, wie sie gegen die Innerlichkeit des Glaubens in seiner Anschauung und Andacht, die Aeuſſerlichkeit der
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Genuſſe sich befreyt zu wiſſen und zu erweiſen, für
ungeſchickt. Das glaubende Bewuſstseyn ſelbſt faſst
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Gegenſtandes ist ihm ein allgemeines, ſondern
auch das einzelne Bewuſstseyn ſoll sich ganz
und allgemein von seinem sinnlichen Wesen be-
freyt erweiſen. Das Wegwerfen einer einzelnen
Habe oder das Verzichtthun auf einen einzelnen Ge-
nuſs ist aber nicht dieſe allgemeine Handlung; und
indem in der Handlung weſentlich der Zweck, der
ein allgemeiner, und die Ausführung, die eine ein-
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meſſenheit ſtehen müſste, so erweiſst sie sich als
ein solches Handeln, woran das Bewuſstseyn keinen
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zu faſten, um von der Luſt der Mahlzeit sich be-
freyt, — zu naiv, sich, wie Origines, andere Luſt
vom Leibe wegzuſchaffen, um sie abgethan zu er-
weiſen. Die Handlung ſelbſt erweiſst sich als ein
äuſſerliches und einzelnes Thun; die Begierde aber ist
innerlich eingewurzelt, und ein allgemeines; ihre Luſt
verſchwindet weder mit dem Werkzeuge, noch durch
einzelne Entbehrung.
Die Aufklärung aber iſolirt ihrerſeits hier das
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Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: System der Wissenschaft. Erster Theil: Die Phänomenologie des Geistes. Bamberg u. a., 1807, S. 519. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_phaenomenologie_1807/628>, abgerufen am 22.11.2024.
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