Wir sehen hiemit hier das Selbstbewusstseyn in sein Innerstes zurückgegangen, dem alle Aeusserlichkeit also solche verschwindet, -- in die Anschauung des Ich = Ich, worin dieses Ich alle Wesenheit und Daseyn ist. Es versinkt in diesem Begriffe seiner selbst, denn es ist auf die Spitze seiner Extreme getrieben, und zwar so dass die unterschiednen Momente, wodurch es real oder nach Bewusstseyn ist, nicht für uns nur die- se reinen Extreme sind, sondern das, was es für sich, und was ihm an sich und was ihm Daseyn ist, zu Ab- stractionen verflüchtigt, die keinen Halt, keine Sub- stanz mehr für diss Bewusstseyn selbst haben; und al- les, was bisher für das Bewusstseyn Wesen war, ist in diese Abstractionen zurückgegangen. -- Zu dieser Reinheit geläutert, ist das Bewusstseyn seine ärmste Gestalt, und die Armuth, die seinen einzigen Besitz ausmacht, ist selbst ein Verschwinden; diese absolute Gewissheit, in welche sich die Substanz aufgelöst hat, ist die absolute Unwahrheit, die in sich zusammen- fallt; es ist das absolute Selbstbewusstseyn, in dem das Bewusstseyn versinkt.
Diss Versinken innerhalb seiner selbst betrachtet, so ist für das Bewusstseyn die ansichseyende Substanz das Wissen als sein Wissen. Als Bewusstseyn ist es in den Gegensatz seiner und des Gegenstandes, der für es das Wesen ist, getrennt; aber dieser Gegenstand eben ist das vollkommen durchsichtige, es ist sein Selbst, und sein Bewusstseyn ist nur das Wissen von sich. Alles Leben, und alle geistige Wesenheit ist in diss
Wir ſehen hiemit hier das Selbstbewuſstseyn in ſein Innerſtes zurückgegangen, dem alle Aeuſſerlichkeit also ſolche verschwindet, — in die Anschauung des Ich = Ich, worin dieſes Ich alle Wesenheit und Daseyn iſt. Es verſinkt in dieſem Begriffe seiner selbſt, denn es iſt auf die Spitze seiner Extreme getrieben, und zwar so daſs die unterschiednen Momente, wodurch es real oder nach Bewuſstſeyn iſt, nicht für uns nur die- se reinen Extreme ſind, sondern das, was es für sich, und was ihm an ſich und was ihm Daſeyn iſt, zu Ab- ſtractionen verflüchtigt, die keinen Halt, keine Sub- ſtanz mehr für diſs Bewuſstseyn selbſt haben; und al- les, was bisher für das Bewuſstseyn Wesen war, iſt in diese Abſtractionen zurückgegangen. — Zu dieser Reinheit geläutert, iſt das Bewuſstseyn seine ärmſte Geſtalt, und die Armuth, die seinen einzigen Beſitz ausmacht, iſt selbſt ein Verschwinden; diese abſolute Gewiſsheit, in welche ſich die Subſtanz aufgelöſt hat, iſt die absolute Unwahrheit, die in sich zusammen- fallt; es iſt das absolute Selbſtbewuſstseyn, in dem das Bewuſstseyn verſinkt.
Diſs Verſinken innerhalb ſeiner ſelbſt betrachtet, ſo iſt für das Bewuſstseyn die anſichſeyende Subſtanz das Wiſſen als ſein Wiſſen. Als Bewuſstseyn iſt es in den Gegenſatz ſeiner und des Gegenſtandes, der für es das Weſen iſt, getrennt; aber dieser Gegenſtand eben iſt das vollkommen durchſichtige, es iſt sein Selbſt, und sein Bewuſstſeyn iſt nur das Wiſſen von ſich. Alles Leben, und alle geiſtige Weſenheit iſt in diſs
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><pbfacs="#f0716"n="607"/><p>Wir ſehen hiemit hier das Selbstbewuſstseyn in ſein<lb/>
Innerſtes zurückgegangen, dem alle Aeuſſerlichkeit<lb/>
also ſolche verschwindet, — in die Anschauung des<lb/>
Ich = Ich, worin dieſes Ich alle Wesenheit und Daseyn<lb/>
iſt. Es verſinkt in dieſem Begriffe seiner selbſt, denn<lb/>
es iſt auf die Spitze seiner Extreme getrieben, und<lb/>
zwar so daſs die unterschiednen Momente, wodurch<lb/>
es real oder nach <hirendition="#i">Bewuſstſeyn</hi> iſt, nicht für uns nur die-<lb/>
se reinen Extreme ſind, sondern das, was es für sich,<lb/>
und was ihm <hirendition="#i">an ſich</hi> und was ihm <hirendition="#i">Daſeyn</hi> iſt, zu Ab-<lb/>ſtractionen verflüchtigt, die keinen Halt, keine Sub-<lb/>ſtanz mehr für diſs Bewuſstseyn selbſt haben; und al-<lb/>
les, was bisher für das Bewuſstseyn Wesen war, iſt<lb/>
in diese Abſtractionen zurückgegangen. — Zu dieser<lb/>
Reinheit geläutert, iſt das Bewuſstseyn seine ärmſte<lb/>
Geſtalt, und die Armuth, die seinen einzigen Beſitz<lb/>
ausmacht, iſt selbſt ein Verschwinden; diese abſolute<lb/><hirendition="#i">Gewiſsheit</hi>, in welche ſich die Subſtanz aufgelöſt hat,<lb/>
iſt die absolute <hirendition="#i">Unwahrheit</hi>, die in sich zusammen-<lb/>
fallt; es iſt das absolute <hirendition="#i">Selbſtbewuſstseyn</hi>, in dem das<lb/><hirendition="#i">Bewuſstseyn</hi> verſinkt.</p><lb/><p>Diſs Verſinken innerhalb ſeiner ſelbſt betrachtet,<lb/>ſo iſt für das Bewuſstseyn die <hirendition="#i">anſich</hi>ſeyende <hirendition="#i">Subſtanz</hi><lb/>
das <hirendition="#i">Wiſſen</hi> als <hirendition="#i">ſein</hi> Wiſſen. Als Bewuſstseyn iſt es<lb/>
in den Gegenſatz ſeiner und des Gegenſtandes, der für<lb/>
es das Weſen iſt, getrennt; aber dieser Gegenſtand<lb/>
eben iſt das vollkommen durchſichtige, es iſt <hirendition="#i">sein Selbſt</hi>,<lb/>
und sein Bewuſstſeyn iſt nur das Wiſſen von ſich.<lb/>
Alles Leben, und alle geiſtige Weſenheit iſt in diſs<lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[607/0716]
Wir ſehen hiemit hier das Selbstbewuſstseyn in ſein
Innerſtes zurückgegangen, dem alle Aeuſſerlichkeit
also ſolche verschwindet, — in die Anschauung des
Ich = Ich, worin dieſes Ich alle Wesenheit und Daseyn
iſt. Es verſinkt in dieſem Begriffe seiner selbſt, denn
es iſt auf die Spitze seiner Extreme getrieben, und
zwar so daſs die unterschiednen Momente, wodurch
es real oder nach Bewuſstſeyn iſt, nicht für uns nur die-
se reinen Extreme ſind, sondern das, was es für sich,
und was ihm an ſich und was ihm Daſeyn iſt, zu Ab-
ſtractionen verflüchtigt, die keinen Halt, keine Sub-
ſtanz mehr für diſs Bewuſstseyn selbſt haben; und al-
les, was bisher für das Bewuſstseyn Wesen war, iſt
in diese Abſtractionen zurückgegangen. — Zu dieser
Reinheit geläutert, iſt das Bewuſstseyn seine ärmſte
Geſtalt, und die Armuth, die seinen einzigen Beſitz
ausmacht, iſt selbſt ein Verschwinden; diese abſolute
Gewiſsheit, in welche ſich die Subſtanz aufgelöſt hat,
iſt die absolute Unwahrheit, die in sich zusammen-
fallt; es iſt das absolute Selbſtbewuſstseyn, in dem das
Bewuſstseyn verſinkt.
Diſs Verſinken innerhalb ſeiner ſelbſt betrachtet,
ſo iſt für das Bewuſstseyn die anſichſeyende Subſtanz
das Wiſſen als ſein Wiſſen. Als Bewuſstseyn iſt es
in den Gegenſatz ſeiner und des Gegenſtandes, der für
es das Weſen iſt, getrennt; aber dieser Gegenſtand
eben iſt das vollkommen durchſichtige, es iſt sein Selbſt,
und sein Bewuſstſeyn iſt nur das Wiſſen von ſich.
Alles Leben, und alle geiſtige Weſenheit iſt in diſs
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: System der Wissenschaft. Erster Theil: Die Phänomenologie des Geistes. Bamberg u. a., 1807, S. 607. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_phaenomenologie_1807/716>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.