widerlegen, nicht die Form ist, in der die Wahrheit auftreten kann. Die Wahrheit ist die Bewegung ihrer an ihr selbst, jene Metho- de aber ist das Erkennen, das dem Stoffe äus- serlich ist. Darum ist sie der Mathematik, die, wie bemerkt, das begriffslose Verhältniss der Grösse zu ihrem Princip, und den todten Raum, wie das ebenso todte Eins, zu ihrem Stoffe hat, eigenthümlich und muss ihr gelassen werden. Auch mag sie in freyerer Manier, das heisst, mehr mit Willkühr und Zusälligkeit ge- mischt, im gemeinem Leben, in einer Conver- sation oder historischen Belehrung mehr der Neugierde, als der Erkenntniss, wie ungefähr auch eine Vorrede ist, bleiben. Im gemeinen Leben hat das Bewusstseyn Kenntnisse, Er- fahrungen, sinnliche Concretionen, auch Ge- danken, Grundsätze, überhaupt solches zu sei- nem Inhalte, das als ein Vorhandenes oder als ein festes ruhendes Seyn oder Wesen gilt. Es läufft theils daran fort, theils unterbricht es den Zusammenhang durch die freye Willkühr über solchen Inhalt, und verhält sich als ein äusserliches Bestimmen und Handhaben dessel- ben. Es führt ihn auf irgend etwas gewisses, sey es auch nur die Empfindung des Augen- blicks, zurück, und die Ueberzeugung ist be-
widerlegen, nicht die Form iſt, in der die Wahrheit auftreten kann. Die Wahrheit iſt die Bewegung ihrer an ihr ſelbſt, jene Metho- de aber iſt das Erkennen, das dem Stoffe äuſ- ſerlich iſt. Darum iſt ſie der Mathematik, die, wie bemerkt, das begriffsloſe Verhältniſs der Gröſse zu ihrem Princip, und den todten Raum, wie das ebenſo todte Eins, zu ihrem Stoffe hat, eigenthümlich und muſs ihr gelaſſen werden. Auch mag ſie in freyerer Manier, das heiſst, mehr mit Willkühr und Zuſälligkeit ge- miſcht, im gemeinem Leben, in einer Conver- ſation oder hiſtoriſchen Belehrung mehr der Neugierde, als der Erkenntniſs, wie ungefähr auch eine Vorrede iſt, bleiben. Im gemeinen Leben hat das Bewuſstſeyn Kenntniſſe, Er- fahrungen, ſinnliche Concretionen, auch Ge- danken, Grundsätze, überhaupt ſolches zu ſei- nem Inhalte, das als ein Vorhandenes oder als ein feſtes ruhendes Seyn oder Weſen gilt. Es läufft theils daran fort, theils unterbricht es den Zuſammenhang durch die freye Willkühr über ſolchen Inhalt, und verhält ſich als ein äuſſerliches Beſtimmen und Handhaben deſſel- ben. Es führt ihn auf irgend etwas gewiſſes, ſey es auch nur die Empfindung des Augen- blicks, zurück, und die Ueberzeugung iſt be-
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[LVIII/0073]
widerlegen, nicht die Form iſt, in der die
Wahrheit auftreten kann. Die Wahrheit iſt
die Bewegung ihrer an ihr ſelbſt, jene Metho-
de aber iſt das Erkennen, das dem Stoffe äuſ-
ſerlich iſt. Darum iſt ſie der Mathematik,
die, wie bemerkt, das begriffsloſe Verhältniſs
der Gröſse zu ihrem Princip, und den todten
Raum, wie das ebenſo todte Eins, zu ihrem
Stoffe hat, eigenthümlich und muſs ihr gelaſſen
werden. Auch mag ſie in freyerer Manier, das
heiſst, mehr mit Willkühr und Zuſälligkeit ge-
miſcht, im gemeinem Leben, in einer Conver-
ſation oder hiſtoriſchen Belehrung mehr der
Neugierde, als der Erkenntniſs, wie ungefähr
auch eine Vorrede iſt, bleiben. Im gemeinen
Leben hat das Bewuſstſeyn Kenntniſſe, Er-
fahrungen, ſinnliche Concretionen, auch Ge-
danken, Grundsätze, überhaupt ſolches zu ſei-
nem Inhalte, das als ein Vorhandenes oder als
ein feſtes ruhendes Seyn oder Weſen gilt. Es
läufft theils daran fort, theils unterbricht es
den Zuſammenhang durch die freye Willkühr
über ſolchen Inhalt, und verhält ſich als ein
äuſſerliches Beſtimmen und Handhaben deſſel-
ben. Es führt ihn auf irgend etwas gewiſſes,
ſey es auch nur die Empfindung des Augen-
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Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: System der Wissenschaft. Erster Theil: Die Phänomenologie des Geistes. Bamberg u. a., 1807, S. LVIII. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_phaenomenologie_1807/73>, abgerufen am 21.11.2024.
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