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Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: System der Wissenschaft. Erster Theil: Die Phänomenologie des Geistes. Bamberg u. a., 1807.

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gemeinheit sich vereinen, in ihr das, was es ent-
hält, auseinanderschlagen und so sich klar werden
muss. Dieses Reich des Glaubens aber sahen wir nur
im Elemente des Denkens seinen Inhalt ohne den Be-
griff entfalten, und es darum in seinem Schicksale,
nemlich in der Religion der Aufklärung, untergehen.
In dieser stellt sich das übersinnliche Jenseits des
Verstandes wieder her, aber so dass das Selbstbe-
wusstseyn disseits befriedigt steht, und das übersinn-
liche, das leere nicht zu erkennende noch zu fürch-
tende Jenseits weder als Selbst noch als Macht weiss.

In der Religion der Moralität ist endlich diss
wiederhergestellt, dass das absolute Wesen ein posi-
tiver Inhalt ist, aber er ist mit der Negativität der
Aufklärung vereinigt. Er ist ein Seyn, das ebenso ins
Selbst zurückgenommen und darin eingeschlossen
bleibt, und ein unterschiedner Inhalt, dessen Theile
ebenso unmittelbar negirt, als sie aufgestellt sind.
Das Schicksal aber, worin diese widersprechende Be-
wegung versinkt, ist das seiner, als des Schicksals der
Wesenheit und Wirklichkeit, bewusste Selbst.

Der sich selbst wissende Geist ist in der Religion
unmittelbar sein eignes reines Selbstbewusstseyn. Die-
jenigen Gestalten desselben, die betrachtet worden, --
der wahre, der sich entfremdete, und der seiner selbst
gewisse Geist, -- machen zusammen ihn in seinem
Bewusstseyn aus, das seiner Welt gegenübertretend
in ihr sich nicht erkennt. Aber im Gewissen unter-
wirft er sich wie seine gegenständliche Welt über-

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gemeinheit sich vereinen, in ihr das, was es ent-
hält, auseinanderſchlagen und ſo ſich klar werden
muſs. Dieſes Reich des Glaubens aber ſahen wir nur
im Elemente des Denkens ſeinen Inhalt ohne den Be-
griff entfalten, und es darum in ſeinem Schickſale,
nemlich in der Religion der Aufklärung, untergehen.
In dieſer ſtellt sich das übersinnliche Jenſeits des
Verſtandes wieder her, aber ſo daſs das Selbſtbe-
wuſstſeyn diſſeits befriedigt ſteht, und das übersinn-
liche, das leere nicht zu erkennende noch zu fürch-
tende Jenſeits weder als Selbſt noch als Macht weiſs.

In der Religion der Moralität ist endlich diſs
wiederhergeſtellt, daſs das abſolute Weſen ein poſi-
tiver Inhalt ist, aber er ist mit der Negativität der
Aufklärung vereinigt. Er iſt ein Seyn, das ebenſo ins
Selbſt zurückgenommen und darin eingeſchloſſen
bleibt, und ein unterſchiedner Inhalt, deſſen Theile
ebenſo unmittelbar negirt, als sie aufgeſtellt ſind.
Das Schickſal aber, worin dieſe widerſprechende Be-
wegung verſinkt, ist das ſeiner, als des Schickſals der
Weſenheit und Wirklichkeit, bewuſste Selbſt.

Der sich selbſt wiſſende Geiſt iſt in der Religion
unmittelbar sein eignes reines Selbſtbewuſstseyn. Die-
jenigen Geſtalten deſſelben, die betrachtet worden, —
der wahre, der ſich entfremdete, und der ſeiner ſelbſt
gewiſſe Geiſt, — machen zuſammen ihn in seinem
Bewuſstseyn aus, das seiner Welt gegenübertretend
in ihr ſich nicht erkennt. Aber im Gewiſſen unter-
wirft er ſich wie seine gegenſtändliche Welt über-

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[627/0736] gemeinheit sich vereinen, in ihr das, was es ent- hält, auseinanderſchlagen und ſo ſich klar werden muſs. Dieſes Reich des Glaubens aber ſahen wir nur im Elemente des Denkens ſeinen Inhalt ohne den Be- griff entfalten, und es darum in ſeinem Schickſale, nemlich in der Religion der Aufklärung, untergehen. In dieſer ſtellt sich das übersinnliche Jenſeits des Verſtandes wieder her, aber ſo daſs das Selbſtbe- wuſstſeyn diſſeits befriedigt ſteht, und das übersinn- liche, das leere nicht zu erkennende noch zu fürch- tende Jenſeits weder als Selbſt noch als Macht weiſs. In der Religion der Moralität ist endlich diſs wiederhergeſtellt, daſs das abſolute Weſen ein poſi- tiver Inhalt ist, aber er ist mit der Negativität der Aufklärung vereinigt. Er iſt ein Seyn, das ebenſo ins Selbſt zurückgenommen und darin eingeſchloſſen bleibt, und ein unterſchiedner Inhalt, deſſen Theile ebenſo unmittelbar negirt, als sie aufgeſtellt ſind. Das Schickſal aber, worin dieſe widerſprechende Be- wegung verſinkt, ist das ſeiner, als des Schickſals der Weſenheit und Wirklichkeit, bewuſste Selbſt. Der sich selbſt wiſſende Geiſt iſt in der Religion unmittelbar sein eignes reines Selbſtbewuſstseyn. Die- jenigen Geſtalten deſſelben, die betrachtet worden, — der wahre, der ſich entfremdete, und der ſeiner ſelbſt gewiſſe Geiſt, — machen zuſammen ihn in seinem Bewuſstseyn aus, das seiner Welt gegenübertretend in ihr ſich nicht erkennt. Aber im Gewiſſen unter- wirft er ſich wie seine gegenſtändliche Welt über- R r 2

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Zitationshilfe: Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: System der Wissenschaft. Erster Theil: Die Phänomenologie des Geistes. Bamberg u. a., 1807, S. 627. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_phaenomenologie_1807/736>, abgerufen am 22.11.2024.