Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: System der Wissenschaft. Erster Theil: Die Phänomenologie des Geistes. Bamberg u. a., 1807.

Bild:
<< vorherige Seite

gehend enthalten ist, und den Herrn seiner Wirk-
lichkeit auschaut, -- noch ist sie das rastlose Ver-
zehren sich hassender Völker, -- noch die Unterjo-
chung derselben zu Kasten, die zusammen den Schein
der Organisation eines vollendeten Ganzen ausma-
chen, dem aber die allgemeine Freyheit der In-
dividuen fehlt. Sondern er ist das freye Volk, wo-
rin die Sitte die Substanz aller ausmacht, deren Wirk-
lichkeit und Daseyn alle und jeder einzelne als sei-
nen Willen und That weiss.

Die Religion des sittlichen Geistes ist aber seine
Erhebung über seine Wirklichkeit, das Zurückge-
hen aus seiner Wahrheit in das reine Wissen seiner
selbst
. Indem das sittliche Volk in der unmittel-
baren Einheit mit seiner Substanz lebt, und das Prin-
cip der reinen Einzelnheit des Selbstbewusstseyns
nicht an ihm hat, so tritt seine Religion in ihrer Vol-
lendung erst im Scheiden von seinem Bestehen auf.
Denn die Wirklichkeit der sittlichen Substanz beruht
theils auf ihrer ruhigen Unwandelbarkeit gegen die
absolute Bewegung des Selbstbewusstseyns, und hie-
mit darauf dass dieses noch nicht aus seiner ruhigen
Sitte und seinem festen Vertrauen in sich gegangen
ist; -- theils auf seiner Organisation in eine Vielheit
von Rechten und Pflichten, so wie in die Verthei-
lung in die Massen der Stände und ihres besondern
Thuns, das zum Ganzen zusammenwirkt; -- hiemit
darauf dass der Einzelne mit der Beschrankung sei-
nes Daseyns zufrieden ist, und den schrankenlosen

gehend enthalten ist, und den Herrn seiner Wirk-
lichkeit auschaut, — noch ist sie das rastlose Ver-
zehren sich haſſender Völker, — noch die Unterjo-
chung derselben zu Kasten, die zusammen den Schein
der Organisation eines vollendeten Ganzen ausma-
chen, dem aber die allgemeine Freyheit der In-
dividuen fehlt. Sondern er ist das freye Volk, wo-
rin die Sitte die Substanz aller ausmacht, deren Wirk-
lichkeit und Daseyn alle und jeder einzelne als sei-
nen Willen und That weiſs.

Die Religion des sittlichen Geistes ist aber seine
Erhebung über seine Wirklichkeit, das Zurückge-
hen aus seiner Wahrheit in das reine Wiſſen seiner
selbſt
. Indem das sittliche Volk in der unmittel-
baren Einheit mit seiner Substanz lebt, und das Prin-
cip der reinen Einzelnheit des Selbstbewuſstseyns
nicht an ihm hat, so tritt seine Religion in ihrer Vol-
lendung erst im Scheiden von seinem Bestehen auf.
Denn die Wirklichkeit der sittlichen Substanz beruht
theils auf ihrer ruhigen Unwandelbarkeit gegen die
absolute Bewegung des Selbstbewuſstseyns, und hie-
mit darauf daſs dieses noch nicht aus seiner ruhigen
Sitte und seinem festen Vertrauen in sich gegangen
ist; — theils auf seiner Organisation in eine Vielheit
von Rechten und Pflichten, so wie in die Verthei-
lung in die Maſſen der Stände und ihres besondern
Thuns, das zum Ganzen zusammenwirkt; — hiemit
darauf daſs der Einzelne mit der Beschrankung sei-
nes Daseyns zufrieden ist, und den schrankenlosen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0761" n="652"/>
gehend enthalten ist, und den Herrn seiner Wirk-<lb/>
lichkeit auschaut, &#x2014; noch ist sie das rastlose Ver-<lb/>
zehren sich ha&#x017F;&#x017F;ender Völker, &#x2014; noch die Unterjo-<lb/>
chung derselben zu Kasten, die zusammen den Schein<lb/>
der Organisation eines vollendeten Ganzen ausma-<lb/>
chen, dem aber die allgemeine Freyheit der In-<lb/>
dividuen fehlt. Sondern er ist das freye Volk, wo-<lb/>
rin die Sitte die Substanz aller ausmacht, deren Wirk-<lb/>
lichkeit und Daseyn alle und jeder einzelne als sei-<lb/>
nen Willen und That wei&#x017F;s.</p><lb/>
            <p>Die Religion des sittlichen Geistes ist aber seine<lb/>
Erhebung über seine Wirklichkeit, das Zurückge-<lb/>
hen <hi rendition="#i">aus seiner Wahrheit</hi> in das reine <hi rendition="#i">Wi&#x017F;&#x017F;en seiner<lb/>
selb&#x017F;t</hi>. Indem das sittliche Volk in der unmittel-<lb/>
baren Einheit mit seiner Substanz lebt, und das Prin-<lb/>
cip der reinen Einzelnheit des Selbstbewu&#x017F;stseyns<lb/>
nicht an ihm hat, so tritt seine Religion in ihrer Vol-<lb/>
lendung erst im <hi rendition="#i">Scheiden</hi> von seinem <hi rendition="#i">Bestehen</hi> auf.<lb/>
Denn die <hi rendition="#i">Wirklichkeit</hi> der sittlichen Substanz beruht<lb/>
theils auf ihrer ruhigen <hi rendition="#i">Unwandelbarkeit</hi> gegen die<lb/>
absolute Bewegung des Selbstbewu&#x017F;stseyns, und hie-<lb/>
mit darauf da&#x017F;s dieses noch nicht aus seiner ruhigen<lb/>
Sitte und seinem festen Vertrauen in sich gegangen<lb/>
ist; &#x2014; theils auf seiner Organisation in eine Vielheit<lb/>
von Rechten und Pflichten, so wie in die Verthei-<lb/>
lung in die Ma&#x017F;&#x017F;en der Stände und ihres besondern<lb/>
Thuns, das zum Ganzen zusammenwirkt; &#x2014; hiemit<lb/>
darauf da&#x017F;s der Einzelne mit der Beschrankung sei-<lb/>
nes Daseyns zufrieden ist, und den schrankenlosen<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[652/0761] gehend enthalten ist, und den Herrn seiner Wirk- lichkeit auschaut, — noch ist sie das rastlose Ver- zehren sich haſſender Völker, — noch die Unterjo- chung derselben zu Kasten, die zusammen den Schein der Organisation eines vollendeten Ganzen ausma- chen, dem aber die allgemeine Freyheit der In- dividuen fehlt. Sondern er ist das freye Volk, wo- rin die Sitte die Substanz aller ausmacht, deren Wirk- lichkeit und Daseyn alle und jeder einzelne als sei- nen Willen und That weiſs. Die Religion des sittlichen Geistes ist aber seine Erhebung über seine Wirklichkeit, das Zurückge- hen aus seiner Wahrheit in das reine Wiſſen seiner selbſt. Indem das sittliche Volk in der unmittel- baren Einheit mit seiner Substanz lebt, und das Prin- cip der reinen Einzelnheit des Selbstbewuſstseyns nicht an ihm hat, so tritt seine Religion in ihrer Vol- lendung erst im Scheiden von seinem Bestehen auf. Denn die Wirklichkeit der sittlichen Substanz beruht theils auf ihrer ruhigen Unwandelbarkeit gegen die absolute Bewegung des Selbstbewuſstseyns, und hie- mit darauf daſs dieses noch nicht aus seiner ruhigen Sitte und seinem festen Vertrauen in sich gegangen ist; — theils auf seiner Organisation in eine Vielheit von Rechten und Pflichten, so wie in die Verthei- lung in die Maſſen der Stände und ihres besondern Thuns, das zum Ganzen zusammenwirkt; — hiemit darauf daſs der Einzelne mit der Beschrankung sei- nes Daseyns zufrieden ist, und den schrankenlosen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_phaenomenologie_1807
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_phaenomenologie_1807/761
Zitationshilfe: Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: System der Wissenschaft. Erster Theil: Die Phänomenologie des Geistes. Bamberg u. a., 1807, S. 652. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_phaenomenologie_1807/761>, abgerufen am 22.11.2024.