Hauptsache aber, den Begriff selbst oder die Bedeutung der sinnlichen Vorstellung auszuspre- chen erspart, -- es mag hierüber die Uner- fahrenheit in ein bewunderndes Staunen gera- then, darin eine tiefe Genialität verehren; so wie an der Heiterkeit solcher Bestimmungen, da sie den abstracten Begriff durch Anschauli- ches ersetzen und erfreulicher machen, sich er- götzen, und sich selbst zu der geahndeten See- lenverwandschafft mit solchem herrlichem Thun glückwünschen. Der Pfiff einer solchen Weis- heit ist sobald erlernt, als es leicht ist, ihn auszuüben; seine Wiederhohlung wird, wenn er bekannt ist, so unerträglich als die Wiederhoh- lung einer eingesehenen Taschenspielerkunst. Das Instrument dieses gleichtönigen Formalis- mus ist nicht schwerer zu handhaben, als die Palette eines Mahlers, auf der sich nur zwey Farben befinden würden, etwa Roth und Grün, um mit jener eine Fläche anzufärben, wenn ein historisches Stück, mit dieser, wenn eine Land- schaft verlangt wäre. -- Es würde schwer zu entscheiden seyn, was dabey grösser ist, die Behaglichkeit, mit der alles, was im Himmel, auf Erden und unter der Erden ist, mit sol- cher Farbenbrühe angetüncht wird, oder die Einbildung auf die Vortrefflichkeit dieses Uni-
Hauptſache aber, den Begriff ſelbſt oder die Bedeutung der ſinnlichen Vorſtellung auszuſpre- chen erſpart, — es mag hierüber die Uner- fahrenheit in ein bewunderndes Staunen gera- then, darin eine tiefe Genialität verehren; ſo wie an der Heiterkeit ſolcher Beſtimmungen, da ſie den abſtracten Begriff durch Anſchauli- ches erſetzen und erfreulicher machen, ſich er- götzen, und ſich ſelbſt zu der geahndeten See- lenverwandſchafft mit ſolchem herrlichem Thun glückwünſchen. Der Pfiff einer ſolchen Weis- heit iſt ſobald erlernt, als es leicht iſt, ihn auszuüben; ſeine Wiederhohlung wird, wenn er bekannt iſt, ſo unerträglich als die Wiederhoh- lung einer eingeſehenen Taſchenſpielerkunſt. Das Inſtrument dieſes gleichtönigen Formalis- mus iſt nicht ſchwerer zu handhaben, als die Palette eines Mahlers, auf der ſich nur zwey Farben befinden würden, etwa Roth und Grün, um mit jener eine Fläche anzufärben, wenn ein hiſtoriſches Stück, mit dieſer, wenn eine Land- ſchaft verlangt wäre. — Es würde ſchwer zu entſcheiden ſeyn, was dabey gröſſer iſt, die Behaglichkeit, mit der alles, was im Himmel, auf Erden und unter der Erden iſt, mit ſol- cher Farbenbrühe angetüncht wird, oder die Einbildung auf die Vortrefflichkeit dieſes Uni-
<TEI><text><front><divn="1"><p><pbfacs="#f0077"n="LXII"/>
Hauptſache aber, den Begriff ſelbſt oder die<lb/>
Bedeutung der ſinnlichen Vorſtellung auszuſpre-<lb/>
chen erſpart, — es mag hierüber die Uner-<lb/>
fahrenheit in ein bewunderndes Staunen gera-<lb/>
then, darin eine tiefe Genialität verehren; ſo<lb/>
wie an der Heiterkeit ſolcher Beſtimmungen,<lb/>
da ſie den abſtracten Begriff durch Anſchauli-<lb/>
ches erſetzen und erfreulicher machen, ſich er-<lb/>
götzen, und ſich ſelbſt zu der geahndeten See-<lb/>
lenverwandſchafft mit ſolchem herrlichem Thun<lb/>
glückwünſchen. Der Pfiff einer ſolchen Weis-<lb/>
heit iſt ſobald erlernt, als es leicht iſt, ihn<lb/>
auszuüben; ſeine Wiederhohlung wird, wenn er<lb/>
bekannt iſt, ſo unerträglich als die Wiederhoh-<lb/>
lung einer eingeſehenen Taſchenſpielerkunſt.<lb/>
Das Inſtrument dieſes gleichtönigen Formalis-<lb/>
mus iſt nicht ſchwerer zu handhaben, als die<lb/>
Palette eines Mahlers, auf der ſich nur zwey<lb/>
Farben befinden würden, etwa Roth und Grün,<lb/>
um mit jener eine Fläche anzufärben, wenn ein<lb/>
hiſtoriſches Stück, mit dieſer, wenn eine Land-<lb/>ſchaft verlangt wäre. — Es würde ſchwer zu<lb/>
entſcheiden ſeyn, was dabey gröſſer iſt, die<lb/>
Behaglichkeit, mit der alles, was im Himmel,<lb/>
auf Erden und unter der Erden iſt, mit ſol-<lb/>
cher Farbenbrühe angetüncht wird, oder die<lb/>
Einbildung auf die Vortrefflichkeit dieſes Uni-<lb/></p></div></front></text></TEI>
[LXII/0077]
Hauptſache aber, den Begriff ſelbſt oder die
Bedeutung der ſinnlichen Vorſtellung auszuſpre-
chen erſpart, — es mag hierüber die Uner-
fahrenheit in ein bewunderndes Staunen gera-
then, darin eine tiefe Genialität verehren; ſo
wie an der Heiterkeit ſolcher Beſtimmungen,
da ſie den abſtracten Begriff durch Anſchauli-
ches erſetzen und erfreulicher machen, ſich er-
götzen, und ſich ſelbſt zu der geahndeten See-
lenverwandſchafft mit ſolchem herrlichem Thun
glückwünſchen. Der Pfiff einer ſolchen Weis-
heit iſt ſobald erlernt, als es leicht iſt, ihn
auszuüben; ſeine Wiederhohlung wird, wenn er
bekannt iſt, ſo unerträglich als die Wiederhoh-
lung einer eingeſehenen Taſchenſpielerkunſt.
Das Inſtrument dieſes gleichtönigen Formalis-
mus iſt nicht ſchwerer zu handhaben, als die
Palette eines Mahlers, auf der ſich nur zwey
Farben befinden würden, etwa Roth und Grün,
um mit jener eine Fläche anzufärben, wenn ein
hiſtoriſches Stück, mit dieſer, wenn eine Land-
ſchaft verlangt wäre. — Es würde ſchwer zu
entſcheiden ſeyn, was dabey gröſſer iſt, die
Behaglichkeit, mit der alles, was im Himmel,
auf Erden und unter der Erden iſt, mit ſol-
cher Farbenbrühe angetüncht wird, oder die
Einbildung auf die Vortrefflichkeit dieſes Uni-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: System der Wissenschaft. Erster Theil: Die Phänomenologie des Geistes. Bamberg u. a., 1807, S. LXII. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_phaenomenologie_1807/77>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.