seyn will. Das Aufspreitzen der allgemeinen We- senheit ist an das Selbst verrathen; es zeigt sich in ei- ner Wirklichkeit gefangen und lässt die Maske fallen, eben indem es etwas rechtes seyn will. Das Selbst hier in seiner Bedeutung als Wirkliches auftretend, spielt es mit der Maske, die es einmal anlegt, um seine Person zu seyn, -- aber aus diesem Scheine thut es sich ebenso bald wieder in seiner eignen Nacktheit und Gewöhnlichkeit hervor, die es von dem eigentlichen Selbst, dem Schauspieler so wie von dem Zuschauer, nicht unterschieden zu seyn zeigt.
Diese allgemeine Auflösung der gestalteten We- senheit überhaupt in ihrer Individualität wird in ih- rem Inhalte ernsthafter und dadurch muthwilliger und bittrer, insofern er seine ernstere und nothwen- digere Bedeutung hat. Die göttliche Substanz ver- einigt in ihr die Bedeutung der natürlichen und sitt- lichen Wesenheit. In Ansehung des Natürlichen zeigt das wirkliche Selbstbewusstseyn schon in der Verwendung desselben zu seinem Putze, Wohnung u. s. f. und im Schmausse seines Opfers sich als das Schicksal, dem das Geheimniss verrathen ist, wel- che Bewandniss es mit der Selbstwesenheit der Na- tur hat; in dem Mysterium des Brodes und Weines macht es dieselbe zusammen mit der Bedeutung des innern Wesens sich zu eigen, und in der Komödie ist es sich der Ironie dieser Bedeutung überhaupt be- wusst. -- Insofern nun diese Bedeutung die sittliche Wesenheit enthält, ist sie theils das Volk, in seinen
seyn will. Das Aufspreitzen der allgemeinen We- senheit iſt an das Selbſt verrathen; es zeigt sich in ei- ner Wirklichkeit gefangen und läſst die Maske fallen, eben indem es etwas rechtes seyn will. Das Selbſt hier in seiner Bedeutung als Wirkliches auftretend, spielt es mit der Maske, die es einmal anlegt, um seine Person zu seyn, — aber aus diesem Scheine thut es sich ebenso bald wieder in seiner eignen Nacktheit und Gewöhnlichkeit hervor, die es von dem eigentlichen Selbſt, dem Schauspieler so wie von dem Zuschauer, nicht unterschieden zu seyn zeigt.
Diese allgemeine Auflösung der geſtalteten We- senheit überhaupt in ihrer Individualität wird in ih- rem Inhalte ernſthafter und dadurch muthwilliger und bittrer, insofern er seine ernſtere und nothwen- digere Bedeutung hat. Die göttliche Subſtanz ver- einigt in ihr die Bedeutung der natürlichen und sitt- lichen Wesenheit. In Ansehung des Natürlichen zeigt das wirkliche Selbſtbewuſstseyn schon in der Verwendung deſſelben zu seinem Putze, Wohnung u. s. f. und im Schmauſſe seines Opfers sich als das Schicksal, dem das Geheimniſs verrathen iſt, wel- che Bewandniſs es mit der Selbſtwesenheit der Na- tur hat; in dem Myſterium des Brodes und Weines macht es dieselbe zusammen mit der Bedeutung des innern Wesens sich zu eigen, und in der Komödie iſt es sich der Ironie dieser Bedeutung überhaupt be- wuſst. — Insofern nun diese Bedeutung die sittliche Wesenheit enthält, iſt sie theils das Volk, in seinen
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0803"n="694"/>
seyn will. Das Aufspreitzen der allgemeinen We-<lb/>
senheit iſt an das Selbſt verrathen; es zeigt sich in ei-<lb/>
ner Wirklichkeit <choice><sic>geſangen</sic><corr>gefangen</corr></choice> und läſst die Maske fallen,<lb/>
eben indem es etwas rechtes seyn will. Das Selbſt<lb/>
hier in seiner Bedeutung als Wirkliches auftretend,<lb/>
spielt es mit der Maske, die es einmal anlegt, um<lb/>
seine Person zu seyn, — aber aus diesem Scheine<lb/>
thut es sich ebenso bald wieder in seiner eignen<lb/>
Nacktheit und Gewöhnlichkeit hervor, die es von dem<lb/>
eigentlichen Selbſt, dem Schauspieler so wie von dem<lb/>
Zuschauer, nicht unterschieden zu seyn zeigt.</p><lb/><p>Diese allgemeine Auflösung der geſtalteten We-<lb/>
senheit überhaupt in ihrer Individualität wird in ih-<lb/>
rem Inhalte ernſthafter und dadurch muthwilliger<lb/>
und bittrer, insofern er seine ernſtere und nothwen-<lb/>
digere Bedeutung hat. Die göttliche Subſtanz ver-<lb/>
einigt in ihr die Bedeutung der natürlichen und sitt-<lb/>
lichen Wesenheit. In Ansehung des Natürlichen<lb/>
zeigt das wirkliche Selbſtbewuſstseyn schon in der<lb/>
Verwendung deſſelben zu seinem Putze, Wohnung<lb/>
u. s. f. und im Schmauſſe seines Opfers sich als das<lb/>
Schicksal, dem das Geheimniſs verrathen iſt, wel-<lb/>
che Bewandniſs es mit der Selbſtwesenheit der Na-<lb/>
tur hat; in dem Myſterium des Brodes und Weines<lb/>
macht es dieselbe zusammen mit der Bedeutung des<lb/>
innern Wesens sich zu eigen, und in der Komödie<lb/>
iſt es sich der Ironie dieser Bedeutung überhaupt be-<lb/>
wuſst. — Insofern nun diese Bedeutung die sittliche<lb/>
Wesenheit enthält, iſt sie theils das Volk, in seinen<lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[694/0803]
seyn will. Das Aufspreitzen der allgemeinen We-
senheit iſt an das Selbſt verrathen; es zeigt sich in ei-
ner Wirklichkeit gefangen und läſst die Maske fallen,
eben indem es etwas rechtes seyn will. Das Selbſt
hier in seiner Bedeutung als Wirkliches auftretend,
spielt es mit der Maske, die es einmal anlegt, um
seine Person zu seyn, — aber aus diesem Scheine
thut es sich ebenso bald wieder in seiner eignen
Nacktheit und Gewöhnlichkeit hervor, die es von dem
eigentlichen Selbſt, dem Schauspieler so wie von dem
Zuschauer, nicht unterschieden zu seyn zeigt.
Diese allgemeine Auflösung der geſtalteten We-
senheit überhaupt in ihrer Individualität wird in ih-
rem Inhalte ernſthafter und dadurch muthwilliger
und bittrer, insofern er seine ernſtere und nothwen-
digere Bedeutung hat. Die göttliche Subſtanz ver-
einigt in ihr die Bedeutung der natürlichen und sitt-
lichen Wesenheit. In Ansehung des Natürlichen
zeigt das wirkliche Selbſtbewuſstseyn schon in der
Verwendung deſſelben zu seinem Putze, Wohnung
u. s. f. und im Schmauſſe seines Opfers sich als das
Schicksal, dem das Geheimniſs verrathen iſt, wel-
che Bewandniſs es mit der Selbſtwesenheit der Na-
tur hat; in dem Myſterium des Brodes und Weines
macht es dieselbe zusammen mit der Bedeutung des
innern Wesens sich zu eigen, und in der Komödie
iſt es sich der Ironie dieser Bedeutung überhaupt be-
wuſst. — Insofern nun diese Bedeutung die sittliche
Wesenheit enthält, iſt sie theils das Volk, in seinen
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: System der Wissenschaft. Erster Theil: Die Phänomenologie des Geistes. Bamberg u. a., 1807, S. 694. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_phaenomenologie_1807/803>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.