Abstraction ist das Bewusstseyn der Dialectik, wel- che diese Maximen und Gesetze an ihnen haben, und hiedurch des Verschwindens der absoluten Gül- tigkeit, in der sie vorher erschienen. Indem die zu- fällige Bestimmung und oberflächliche Individualität, welche die Vorstellung den göttlichen Wesenheiten lieh, verschwindet, haben sie nach ihrer natürlichen Seite nur noch die Naktheit ihres unmittelbaren Da- seyns, sie sind Wolken, ein verschwindender Dunst, wie jene Vorstellungen. Nach ihrer gedachten We- sentlichkeit zu den einfachen Gedanken des Schönen und Guten geworden, vertragen diese es. mit jedem beliebigen Inhalt erfüllt zu werden. Die Krafft des dialektischen Wissens gibt die bestimmten Gesetze und Maximen des Handelns, der Lust und dem Leicht- sinne der -- hiemit -- verführten Jugend Preis, und der Aengstlichkeit und Sorge des auf die Einzelnheit des Lebens beschränkten Alters Waffen zum Betrug an die Hand. Die reinen Gedanken des Schönen und Guten zeigen also das komische Schauspiel, durch die Befreyung von der Meynung, welche sowohl ih- re Bestimmtheit als Inhalt, wie ihre absolute Be- stimmtheit, das Festhalten des Bewusstseyns enthält, leer, und ebendadurch das Spiel der Meynung und der Willkühr der zufälligen Individualität zu wer- den.
Hier ist also das vorher bewusstlose Schicksal, das in der leeren Ruhe und Vergessenheit besteht,
Abſtraction iſt das Bewuſstseyn der Dialectik, wel- che diese Maximen und Gesetze an ihnen haben, und hiedurch des Verschwindens der absoluten Gül- tigkeit, in der sie vorher erschienen. Indem die zu- fällige Beſtimmung und oberflächliche Individualität, welche die Vorſtellung den göttlichen Wesenheiten lieh, verschwindet, haben sie nach ihrer natürlichen Seite nur noch die Naktheit ihres unmittelbaren Da- seyns, sie sind Wolken, ein verschwindender Dunſt, wie jene Vorſtellungen. Nach ihrer gedachten We- sentlichkeit zu den einfachen Gedanken des Schönen und Guten geworden, vertragen diese es. mit jedem beliebigen Inhalt erfüllt zu werden. Die Krafft des dialektischen Wiſſens gibt die beſtimmten Gesetze und Maximen des Handelns, der Luſt und dem Leicht- sinne der — hiemit — verführten Jugend Preis, und der Aengſtlichkeit und Sorge des auf die Einzelnheit des Lebens beschränkten Alters Waffen zum Betrug an die Hand. Die reinen Gedanken des Schönen und Guten zeigen also das komische Schauspiel, durch die Befreyung von der Meynung, welche sowohl ih- re Beſtimmtheit als Inhalt, wie ihre absolute Be- ſtimmtheit, das Feſthalten des Bewuſstseyns enthält, leer, und ebendadurch das Spiel der Meynung und der Willkühr der zufälligen Individualität zu wer- den.
Hier iſt also das vorher bewuſstlose Schicksal, das in der leeren Ruhe und Vergeſſenheit beſteht,
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Abſtraction iſt das Bewuſstseyn der Dialectik, wel-
che diese Maximen und Gesetze an ihnen haben,
und hiedurch des Verschwindens der absoluten Gül-
tigkeit, in der sie vorher erschienen. Indem die zu-
fällige Beſtimmung und oberflächliche Individualität,
welche die Vorſtellung den göttlichen Wesenheiten
lieh, verschwindet, haben sie nach ihrer natürlichen
Seite nur noch die Naktheit ihres unmittelbaren Da-
seyns, sie sind Wolken, ein verschwindender Dunſt,
wie jene Vorſtellungen. Nach ihrer gedachten We-
sentlichkeit zu den einfachen Gedanken des Schönen
und Guten geworden, vertragen diese es. mit jedem
beliebigen Inhalt erfüllt zu werden. Die Krafft des
dialektischen Wiſſens gibt die beſtimmten Gesetze
und Maximen des Handelns, der Luſt und dem Leicht-
sinne der — hiemit — verführten Jugend Preis, und der
Aengſtlichkeit und Sorge des auf die Einzelnheit des
Lebens beschränkten Alters Waffen zum Betrug an
die Hand. Die reinen Gedanken des Schönen und
Guten zeigen also das komische Schauspiel, durch
die Befreyung von der Meynung, welche sowohl ih-
re Beſtimmtheit als Inhalt, wie ihre absolute Be-
ſtimmtheit, das Feſthalten des Bewuſstseyns enthält,
leer, und ebendadurch das Spiel der Meynung und
der Willkühr der zufälligen Individualität zu wer-
den.
Hier iſt also das vorher bewuſstlose Schicksal,
das in der leeren Ruhe und Vergeſſenheit beſteht,
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Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: System der Wissenschaft. Erster Theil: Die Phänomenologie des Geistes. Bamberg u. a., 1807, S. 696. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_phaenomenologie_1807/805>, abgerufen am 22.11.2024.
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