göttlichen Wesens überhaupt nur angedeutet ist, tritt hier seiner Realisirung für das Vorstellen näher; sie besteht ihm in der Selbsterniedrigung des göttlichen Wesens, das auf seine Abstraction und Unwirklich- keit Verzicht thut. -- Die andere Seite, das Böse, nimmt das Vorstellen als ein dem göttlichen Wesen fremdes Geschehen; es in demselben selbst, als seinen Zorn zu fassen, ist die höchste, härteste Anstrengung des mit sich selbst ringenden Vorstellens, die, da sie des Begriffs entbehrt, fruchtlos bleibt.
Die Entfremdung des göttlichen Wesens ist al- so auf ihre gedoppelte Weise gesetzt; das Selbst des Geistes und sein einfacher Gedanke sind die beyden Momente, deren absolute Einheit der Geist selbst ist; seine Entfremdung besteht darin, dass sie auseinan- dertreten und das eine einen ungleichen Werth ge- gen das andre hat. Diese Ungleichheit ist darum die gedoppelte, und es entstehen zwey Verbindungen, deren gemeinschaftliche Momente die angegebnen sind. In der einen gilt das göttliche Wesen als das Wesentliche, das natürliche Daseyn aber und das Selbst als das unwesentliche und aufzuhebende; in der andern gilt dagegen das Fürsichseyn als das Wesentli- che, und das einfache Göttliche als das unwesentli- che. Ihre noch leere Mitte ist das Daseyn überhaupt, die blosse Gemeinschafftlichkeit der beyden Momente derselben.
Die Auflösung dieses Gegensatzes geschieht nicht sowohl durch den Kampf der beyden, die als getrenn-
göttlichen Weſens überhaupt nur angedeutet iſt, tritt hier ſeiner Realiſirung für das Vorſtellen näher; ſie beſteht ihm in der Selbſterniedrigung des göttlichen Weſens, das auf ſeine Abſtraction und Unwirklich- keit Verzicht thut. — Die andere Seite, das Böſe, nimmt das Vorſtellen als ein dem göttlichen Wesen fremdes Geſchehen; es in demſelben ſelbſt, als ſeinen Zorn zu faſſen, iſt die höchſte, härteſte Anſtrengung des mit ſich ſelbſt ringenden Vorſtellens, die, da ſie des Begriffs entbehrt, fruchtlos bleibt.
Die Entfremdung des göttlichen Weſens ist al- ſo auf ihre gedoppelte Weiſe geſetzt; das Selbſt des Geiſtes und ſein einfacher Gedanke ſind die beyden Momente, deren abſolute Einheit der Geist ſelbſt iſt; ſeine Entfremdung beſteht darin, daſs ſie auseinan- dertreten und das eine einen ungleichen Werth ge- gen das andre hat. Dieſe Ungleichheit iſt darum die gedoppelte, und es entſtehen zwey Verbindungen, deren gemeinſchaftliche Momente die angegebnen ſind. In der einen gilt das göttliche Weſen als das Weſentliche, das natürliche Daſeyn aber und das Selbſt als das unweſentliche und aufzuhebende; in der andern gilt dagegen das Fürſichſeyn als das Weſentli- che, und das einfache Göttliche als das unweſentli- che. Ihre noch leere Mitte ist das Daſeyn überhaupt, die bloſſe Gemeinſchafftlichkeit der beyden Momente derſelben.
Die Auflöſung dieſes Gegenſatzes geſchieht nicht ſowohl durch den Kampf der beyden, die als getrenn-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0836"n="727"/>
göttlichen Weſens überhaupt nur angedeutet iſt, tritt<lb/>
hier ſeiner Realiſirung für das Vorſtellen näher; ſie<lb/>
beſteht ihm in der Selbſterniedrigung des göttlichen<lb/>
Weſens, das auf ſeine Abſtraction und Unwirklich-<lb/>
keit Verzicht thut. — Die andere Seite, das Böſe,<lb/>
nimmt das Vorſtellen als ein dem göttlichen Wesen<lb/>
fremdes Geſchehen; es in demſelben ſelbſt, <hirendition="#i">als ſeinen<lb/>
Zorn</hi> zu faſſen, iſt die höchſte, härteſte Anſtrengung<lb/>
des mit ſich ſelbſt ringenden Vorſtellens, die, da ſie<lb/>
des Begriffs entbehrt, fruchtlos bleibt.</p><lb/><p>Die Entfremdung des göttlichen Weſens ist al-<lb/>ſo auf ihre gedoppelte Weiſe geſetzt; das Selbſt des<lb/>
Geiſtes und ſein einfacher Gedanke ſind die beyden<lb/>
Momente, deren abſolute Einheit der Geist ſelbſt iſt;<lb/>ſeine Entfremdung beſteht darin, daſs ſie auseinan-<lb/>
dertreten und das eine einen ungleichen Werth ge-<lb/>
gen das andre hat. Dieſe Ungleichheit iſt darum die<lb/>
gedoppelte, und es entſtehen zwey Verbindungen,<lb/>
deren gemeinſchaftliche Momente die angegebnen<lb/>ſind. In der einen gilt das <hirendition="#i">göttliche Weſen</hi> als das<lb/>
Weſentliche, das natürliche Daſeyn aber und das<lb/>
Selbſt als das unweſentliche und aufzuhebende; in der<lb/>
andern gilt dagegen das <hirendition="#i">Fürſichſeyn</hi> als das Weſentli-<lb/>
che, und das einfache Göttliche als das unweſentli-<lb/>
che. Ihre noch leere Mitte ist das <hirendition="#i">Daſeyn</hi> überhaupt,<lb/>
die bloſſe Gemeinſchafftlichkeit der beyden Momente<lb/>
derſelben.</p><lb/><p>Die Auflöſung dieſes Gegenſatzes geſchieht nicht<lb/>ſowohl durch den Kampf der beyden, die als getrenn-<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[727/0836]
göttlichen Weſens überhaupt nur angedeutet iſt, tritt
hier ſeiner Realiſirung für das Vorſtellen näher; ſie
beſteht ihm in der Selbſterniedrigung des göttlichen
Weſens, das auf ſeine Abſtraction und Unwirklich-
keit Verzicht thut. — Die andere Seite, das Böſe,
nimmt das Vorſtellen als ein dem göttlichen Wesen
fremdes Geſchehen; es in demſelben ſelbſt, als ſeinen
Zorn zu faſſen, iſt die höchſte, härteſte Anſtrengung
des mit ſich ſelbſt ringenden Vorſtellens, die, da ſie
des Begriffs entbehrt, fruchtlos bleibt.
Die Entfremdung des göttlichen Weſens ist al-
ſo auf ihre gedoppelte Weiſe geſetzt; das Selbſt des
Geiſtes und ſein einfacher Gedanke ſind die beyden
Momente, deren abſolute Einheit der Geist ſelbſt iſt;
ſeine Entfremdung beſteht darin, daſs ſie auseinan-
dertreten und das eine einen ungleichen Werth ge-
gen das andre hat. Dieſe Ungleichheit iſt darum die
gedoppelte, und es entſtehen zwey Verbindungen,
deren gemeinſchaftliche Momente die angegebnen
ſind. In der einen gilt das göttliche Weſen als das
Weſentliche, das natürliche Daſeyn aber und das
Selbſt als das unweſentliche und aufzuhebende; in der
andern gilt dagegen das Fürſichſeyn als das Weſentli-
che, und das einfache Göttliche als das unweſentli-
che. Ihre noch leere Mitte ist das Daſeyn überhaupt,
die bloſſe Gemeinſchafftlichkeit der beyden Momente
derſelben.
Die Auflöſung dieſes Gegenſatzes geſchieht nicht
ſowohl durch den Kampf der beyden, die als getrenn-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: System der Wissenschaft. Erster Theil: Die Phänomenologie des Geistes. Bamberg u. a., 1807, S. 727. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_phaenomenologie_1807/836>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.