Heine, Heinrich: Buch der Lieder. Hamburg, 1827.An meine Mutter, B. Heine, geborne v. Geldern. I. Ich bin's gewohnt den Kopf recht hoch zu tragen, Mein Sinn ist auch ein bischen starr und zähe; Wenn selbst der König mir in's Antlitz sähe, Ich würde nicht die Augen niederschlagen. Doch, liebe Mutter, offen will ich's sagen: Wie mächtig auch mein stolzer Muth sich blähe, In deiner selig süßen, trauten Nähe Ergreift mich oft ein demuthvolles Zagen. Ist es dein Geist, der heimlich mich bezwinget, Dein hoher Geist, der Alles kühn durchdringet, Und blitzend sich zum Himmelslichte schwinget? Quält mich Erinnerung, daß ich verübet So manche That, die dir das Herz betrübet, Das schöne Herz, das mich so sehr geliebet? An meine Mutter, B. Heine, geborne v. Geldern. I. Ich bin's gewohnt den Kopf recht hoch zu tragen, Mein Sinn iſt auch ein bischen ſtarr und zähe; Wenn ſelbſt der König mir in's Antlitz ſähe, Ich würde nicht die Augen niederſchlagen. Doch, liebe Mutter, offen will ich's ſagen: Wie mächtig auch mein ſtolzer Muth ſich blähe, In deiner ſelig ſüßen, trauten Nähe Ergreift mich oft ein demuthvolles Zagen. Iſt es dein Geiſt, der heimlich mich bezwinget, Dein hoher Geiſt, der Alles kühn durchdringet, Und blitzend ſich zum Himmelslichte ſchwinget? Quält mich Erinnerung, daß ich verübet So manche That, die dir das Herz betrübet, Das ſchöne Herz, das mich ſo ſehr geliebet? <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0100" n="92"/> </div> <div n="3"> <head><hi rendition="#g">An meine Mutter, B. Heine</hi>,<lb/> geborne v. Geldern.<lb/></head> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <div n="4"> <head> <hi rendition="#aq">I.</hi><lb/> </head> <lg type="poem"> <l>Ich bin's gewohnt den Kopf recht hoch zu tragen,</l><lb/> <l>Mein Sinn iſt auch ein bischen ſtarr und zähe;</l><lb/> <l>Wenn ſelbſt der König mir in's Antlitz ſähe,</l><lb/> <l>Ich würde nicht die Augen niederſchlagen.</l><lb/> <l>Doch, liebe Mutter, offen will ich's ſagen:</l><lb/> <l>Wie mächtig auch mein ſtolzer Muth ſich blähe,</l><lb/> <l>In deiner ſelig ſüßen, trauten Nähe</l><lb/> <l>Ergreift mich oft ein demuthvolles Zagen.</l><lb/> <l>Iſt es dein Geiſt, der heimlich mich bezwinget,</l><lb/> <l>Dein hoher Geiſt, der Alles kühn durchdringet,</l><lb/> <l>Und blitzend ſich zum Himmelslichte ſchwinget?</l><lb/> <l>Quält mich Erinnerung, daß ich verübet</l><lb/> <l>So manche That, die dir das Herz betrübet,</l><lb/> <l>Das ſchöne Herz, das mich ſo ſehr geliebet?</l><lb/> </lg> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [92/0100]
An meine Mutter, B. Heine,
geborne v. Geldern.
I.
Ich bin's gewohnt den Kopf recht hoch zu tragen,
Mein Sinn iſt auch ein bischen ſtarr und zähe;
Wenn ſelbſt der König mir in's Antlitz ſähe,
Ich würde nicht die Augen niederſchlagen.
Doch, liebe Mutter, offen will ich's ſagen:
Wie mächtig auch mein ſtolzer Muth ſich blähe,
In deiner ſelig ſüßen, trauten Nähe
Ergreift mich oft ein demuthvolles Zagen.
Iſt es dein Geiſt, der heimlich mich bezwinget,
Dein hoher Geiſt, der Alles kühn durchdringet,
Und blitzend ſich zum Himmelslichte ſchwinget?
Quält mich Erinnerung, daß ich verübet
So manche That, die dir das Herz betrübet,
Das ſchöne Herz, das mich ſo ſehr geliebet?
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