Heine, Heinrich: Buch der Lieder. Hamburg, 1827.LV. Ich wollte bei dir weilen, Und an deiner Seite ruhn; Du mußtest von mir eilen, Du hattest viel zu thun. Ich sagte, daß meine Seele Dir gänzlich ergeben sey; Du lachtest aus voller Kehle, Und machtest 'nen Knix dabei. Du hast noch mehr gesteigert Mir meinen Liebesverdruß, Und hast mir sogar verweigert Am Ende den Abschiedskuß. Glaub' nicht, daß ich mich erschieße, Wie schlimm auch die Sachen stehn! Das Alles, meine Süße, Ist mir schon einmal geschehn. LV. Ich wollte bei dir weilen, Und an deiner Seite ruhn; Du mußteſt von mir eilen, Du hatteſt viel zu thun. Ich ſagte, daß meine Seele Dir gänzlich ergeben ſey; Du lachteſt aus voller Kehle, Und machteſt 'nen Knix dabei. Du haſt noch mehr geſteigert Mir meinen Liebesverdruß, Und haſt mir ſogar verweigert Am Ende den Abſchiedskuß. Glaub' nicht, daß ich mich erſchieße, Wie ſchlimm auch die Sachen ſtehn! Das Alles, meine Süße, Iſt mir ſchon einmal geſchehn. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0236" n="228"/> </div> <div n="2"> <head> <hi rendition="#aq">LV.</hi><lb/> </head> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Ich wollte bei dir weilen,</l><lb/> <l>Und an deiner Seite ruhn;</l><lb/> <l>Du mußteſt von mir eilen,</l><lb/> <l>Du hatteſt viel zu thun.</l><lb/> </lg> <lg n="2"> <l>Ich ſagte, daß meine Seele</l><lb/> <l>Dir gänzlich ergeben ſey;</l><lb/> <l>Du lachteſt aus voller Kehle,</l><lb/> <l>Und machteſt 'nen Knix dabei.</l><lb/> </lg> <lg n="3"> <l>Du haſt noch mehr geſteigert</l><lb/> <l>Mir meinen Liebesverdruß,</l><lb/> <l>Und haſt mir ſogar verweigert</l><lb/> <l>Am Ende den Abſchiedskuß.</l><lb/> </lg> <lg n="4"> <l>Glaub' nicht, daß ich mich erſchieße,</l><lb/> <l>Wie ſchlimm auch die Sachen ſtehn!</l><lb/> <l>Das Alles, meine Süße,</l><lb/> <l>Iſt mir ſchon einmal geſchehn.</l><lb/> </lg> </lg> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [228/0236]
LV.
Ich wollte bei dir weilen,
Und an deiner Seite ruhn;
Du mußteſt von mir eilen,
Du hatteſt viel zu thun.
Ich ſagte, daß meine Seele
Dir gänzlich ergeben ſey;
Du lachteſt aus voller Kehle,
Und machteſt 'nen Knix dabei.
Du haſt noch mehr geſteigert
Mir meinen Liebesverdruß,
Und haſt mir ſogar verweigert
Am Ende den Abſchiedskuß.
Glaub' nicht, daß ich mich erſchieße,
Wie ſchlimm auch die Sachen ſtehn!
Das Alles, meine Süße,
Iſt mir ſchon einmal geſchehn.
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