Heine, Heinrich: Buch der Lieder. Hamburg, 1827.Da lachten die Geister im lustigen Chor; Ein Zweiter trat still und ernst hervor: Den Rinaldo Rinaldini, Schinderhanno, Orlandini, Und besonders Carlo Moor Nahm ich mir als Muster vor. Auch verliebt -- mit Ehr' zu melden -- Hab' ich mich, wie jene Helden, Und das schönste Frauenbild Spukte mir im Kopfe wild. Und ich seufzte auch und girrte; Und wenn Liebe mich verwirrte, Steckt' ich meine Finger rasch In des Herren Nachbars Tasch'. Doch der Gassenvogt mir grollte, Daß ich Sehnsuchtsthränen wollte Trocknen mit dem Taschentuch, Das mein Nachbar bei sich trug. Und nach frommer Häschersitte
Nahm man still mich in die Mitte, Und das Zuchthaus, heilig groß, Schloß mir auf den Mutterschooß. Da lachten die Geiſter im luſtigen Chor; Ein Zweiter trat ſtill und ernſt hervor: Den Rinaldo Rinaldini, Schinderhanno, Orlandini, Und beſonders Carlo Moor Nahm ich mir als Muſter vor. Auch verliebt — mit Ehr' zu melden — Hab' ich mich, wie jene Helden, Und das ſchönſte Frauenbild Spukte mir im Kopfe wild. Und ich ſeufzte auch und girrte; Und wenn Liebe mich verwirrte, Steckt' ich meine Finger raſch In des Herren Nachbars Taſch'. Doch der Gaſſenvogt mir grollte, Daß ich Sehnſuchtsthränen wollte Trocknen mit dem Taſchentuch, Das mein Nachbar bei ſich trug. Und nach frommer Häſcherſitte
Nahm man ſtill mich in die Mitte, Und das Zuchthaus, heilig groß, Schloß mir auf den Mutterſchooß. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0036" n="28"/> <lg n="13"> <l>Da lachten die Geiſter im luſtigen Chor;</l><lb/> <l>Ein Zweiter trat ſtill und ernſt hervor:</l><lb/> </lg> <lg n="14"> <l>Den Rinaldo Rinaldini,</l><lb/> <l>Schinderhanno, Orlandini,</l><lb/> <l>Und beſonders Carlo Moor</l><lb/> <l>Nahm ich mir als Muſter vor.</l><lb/> </lg> <lg n="15"> <l>Auch verliebt — mit Ehr' zu melden —</l><lb/> <l>Hab' ich mich, wie jene Helden,</l><lb/> <l>Und das ſchönſte Frauenbild</l><lb/> <l>Spukte mir im Kopfe wild.</l><lb/> </lg> <lg n="16"> <l>Und ich ſeufzte auch und girrte;</l><lb/> <l>Und wenn Liebe mich verwirrte,</l><lb/> <l>Steckt' ich meine Finger raſch</l><lb/> <l>In des Herren Nachbars Taſch'.</l><lb/> </lg> <lg n="17"> <l>Doch der Gaſſenvogt mir grollte,</l><lb/> <l>Daß ich Sehnſuchtsthränen wollte</l><lb/> <l>Trocknen mit dem Taſchentuch,</l><lb/> <l>Das mein Nachbar bei ſich trug.</l><lb/> </lg> <lg n="18"> <l>Und nach frommer Häſcherſitte</l><lb/> <l>Nahm man ſtill mich in die Mitte,</l><lb/> <l>Und das Zuchthaus, heilig groß,</l><lb/> <l>Schloß mir auf den Mutterſchooß.</l><lb/> </lg> </lg> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [28/0036]
Da lachten die Geiſter im luſtigen Chor;
Ein Zweiter trat ſtill und ernſt hervor:
Den Rinaldo Rinaldini,
Schinderhanno, Orlandini,
Und beſonders Carlo Moor
Nahm ich mir als Muſter vor.
Auch verliebt — mit Ehr' zu melden —
Hab' ich mich, wie jene Helden,
Und das ſchönſte Frauenbild
Spukte mir im Kopfe wild.
Und ich ſeufzte auch und girrte;
Und wenn Liebe mich verwirrte,
Steckt' ich meine Finger raſch
In des Herren Nachbars Taſch'.
Doch der Gaſſenvogt mir grollte,
Daß ich Sehnſuchtsthränen wollte
Trocknen mit dem Taſchentuch,
Das mein Nachbar bei ſich trug.
Und nach frommer Häſcherſitte
Nahm man ſtill mich in die Mitte,
Und das Zuchthaus, heilig groß,
Schloß mir auf den Mutterſchooß.
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