Heine, Heinrich: Buch der Lieder. Hamburg, 1827.Auf dem glänzenden Butterbrodte, Sieht sie mein lächelndes Antlitz, Und sie frißt es auf vor Liebe -- wahrhaftig! Also prahlt er und prahlt er, Und zwischendrein schrillen die Möven, Wie kaltes, ironisches Kichern; Die Dämm'rungsnebel steigen herauf; Aus violettem Gewölk, unheimlich, Schaut hervor der grasgelbe Mond; Hochauf rauschen die Meereswogen, Und tief aus Hochauf rauschendem Meer, Wehmüthig wie flüsternder Windzug, Tönt der Gesang der Okeaniden, Der schönen, mitleidigen Wasserfrau'n, Vor allen vernehmbar die liebliche Stimme Der silberfüßigen Peleus-Gattin, Und sie seufzen und singen: O Thor, du Thor! du prahlender Thor!
Du kummergequälter! Dahingemordet sind all deine Hoffnungen, Die tändelnden Kinder des Herzens, Und ach! dein Herz, dein Niobe-Herz Versteinert vor Gram! Auf dem glänzenden Butterbrodte, Sieht ſie mein lächelndes Antlitz, Und ſie frißt es auf vor Liebe — wahrhaftig! Alſo prahlt er und prahlt er, Und zwiſchendrein ſchrillen die Möven, Wie kaltes, ironiſches Kichern; Die Dämm'rungsnebel ſteigen herauf; Aus violettem Gewölk, unheimlich, Schaut hervor der grasgelbe Mond; Hochauf rauſchen die Meereswogen, Und tief aus Hochauf rauſchendem Meer, Wehmüthig wie flüſternder Windzug, Tönt der Geſang der Okeaniden, Der ſchönen, mitleidigen Waſſerfrau'n, Vor allen vernehmbar die liebliche Stimme Der ſilberfüßigen Peleus-Gattin, Und ſie ſeufzen und ſingen: O Thor, du Thor! du prahlender Thor!
Du kummergequälter! Dahingemordet ſind all deine Hoffnungen, Die tändelnden Kinder des Herzens, Und ach! dein Herz, dein Niobe-Herz Verſteinert vor Gram! <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0364" n="356"/> <lg n="4"> <l>Auf dem glänzenden Butterbrodte,</l><lb/> <l>Sieht ſie mein lächelndes Antlitz,</l><lb/> <l>Und ſie frißt es auf vor Liebe — wahrhaftig!</l><lb/> </lg> <lg n="5"> <l>Alſo prahlt er und prahlt er,</l><lb/> <l>Und zwiſchendrein ſchrillen die Möven,</l><lb/> <l>Wie kaltes, ironiſches Kichern;</l><lb/> <l>Die Dämm'rungsnebel ſteigen herauf;</l><lb/> <l>Aus violettem Gewölk, unheimlich,</l><lb/> <l>Schaut hervor der grasgelbe Mond;</l><lb/> <l>Hochauf rauſchen die Meereswogen,</l><lb/> <l>Und tief aus Hochauf rauſchendem Meer,</l><lb/> <l>Wehmüthig wie flüſternder Windzug,</l><lb/> <l>Tönt der Geſang der Okeaniden,</l><lb/> <l>Der ſchönen, mitleidigen Waſſerfrau'n,</l><lb/> <l>Vor allen vernehmbar die liebliche Stimme</l><lb/> <l>Der ſilberfüßigen Peleus-Gattin,</l><lb/> <l>Und ſie ſeufzen und ſingen:</l><lb/> </lg> <lg n="6"> <l>O Thor, du Thor! du prahlender Thor!</l><lb/> <l>Du kummergequälter!</l><lb/> <l>Dahingemordet ſind all deine Hoffnungen,</l><lb/> <l>Die tändelnden Kinder des Herzens,</l><lb/> <l>Und ach! dein Herz, dein Niobe-Herz</l><lb/> <l>Verſteinert vor Gram!</l><lb/> </lg> </lg> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [356/0364]
Auf dem glänzenden Butterbrodte,
Sieht ſie mein lächelndes Antlitz,
Und ſie frißt es auf vor Liebe — wahrhaftig!
Alſo prahlt er und prahlt er,
Und zwiſchendrein ſchrillen die Möven,
Wie kaltes, ironiſches Kichern;
Die Dämm'rungsnebel ſteigen herauf;
Aus violettem Gewölk, unheimlich,
Schaut hervor der grasgelbe Mond;
Hochauf rauſchen die Meereswogen,
Und tief aus Hochauf rauſchendem Meer,
Wehmüthig wie flüſternder Windzug,
Tönt der Geſang der Okeaniden,
Der ſchönen, mitleidigen Waſſerfrau'n,
Vor allen vernehmbar die liebliche Stimme
Der ſilberfüßigen Peleus-Gattin,
Und ſie ſeufzen und ſingen:
O Thor, du Thor! du prahlender Thor!
Du kummergequälter!
Dahingemordet ſind all deine Hoffnungen,
Die tändelnden Kinder des Herzens,
Und ach! dein Herz, dein Niobe-Herz
Verſteinert vor Gram!
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