denselben wieder hineinpaßt, und Beyde umarmen sich zärtlich, und die Trompeter blasen, und die Hochzeit wird gefeiert.
Es ist wirklich ein eigenes Mißgeschick, daß meine Liebesträume selten ein so schönes Ende nehmen.
Der Name Goslar klingt so erfreulich, und es knüpfen sich daran so viele uralte Kaiser-Erin¬ nerungen, daß ich eine imposante, stattliche Stadt erwartete. Aber so geht es, wenn man die Be¬ rühmten in der Nähe besieht! Ich fand ein Nest mit meistens schmalen, labyrinthisch krummen Straßen, allwo mittendurch ein kleines Wasser, wahrscheinlich die Gose, fließt, verfallen und dum¬ pfig, und ein Pflaster, so holprig wie Berliner Hexameter. Nur die Alterthümlichkeiten der Einfas¬ sung, nämlich Reste von Mauern, Thürmen und Zin¬ nen, geben der Stadt etwas Pikantes. Einer die¬ ser Thürme, der Zwinger genannt, hat so dicke Mauern, daß ganze Gemächer darin ausgehauen sind. Der Platz vor der Stadt, wo der weitbe¬
denſelben wieder hineinpaßt, und Beyde umarmen ſich zaͤrtlich, und die Trompeter blaſen, und die Hochzeit wird gefeiert.
Es iſt wirklich ein eigenes Mißgeſchick, daß meine Liebestraͤume ſelten ein ſo ſchoͤnes Ende nehmen.
Der Name Goslar klingt ſo erfreulich, und es knuͤpfen ſich daran ſo viele uralte Kaiſer-Erin¬ nerungen, daß ich eine impoſante, ſtattliche Stadt erwartete. Aber ſo geht es, wenn man die Be¬ ruͤhmten in der Naͤhe beſieht! Ich fand ein Neſt mit meiſtens ſchmalen, labyrinthiſch krummen Straßen, allwo mittendurch ein kleines Waſſer, wahrſcheinlich die Goſe, fließt, verfallen und dum¬ pfig, und ein Pflaſter, ſo holprig wie Berliner Hexameter. Nur die Alterthuͤmlichkeiten der Einfaſ¬ ſung, naͤmlich Reſte von Mauern, Thuͤrmen und Zin¬ nen, geben der Stadt etwas Pikantes. Einer die¬ ſer Thuͤrme, der Zwinger genannt, hat ſo dicke Mauern, daß ganze Gemaͤcher darin ausgehauen ſind. Der Platz vor der Stadt, wo der weitbe¬
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denſelben wieder hineinpaßt, und Beyde umarmen
ſich zaͤrtlich, und die Trompeter blaſen, und die
Hochzeit wird gefeiert.
Es iſt wirklich ein eigenes Mißgeſchick, daß
meine Liebestraͤume ſelten ein ſo ſchoͤnes Ende
nehmen.
Der Name Goslar klingt ſo erfreulich, und es
knuͤpfen ſich daran ſo viele uralte Kaiſer-Erin¬
nerungen, daß ich eine impoſante, ſtattliche Stadt
erwartete. Aber ſo geht es, wenn man die Be¬
ruͤhmten in der Naͤhe beſieht! Ich fand ein Neſt
mit meiſtens ſchmalen, labyrinthiſch krummen
Straßen, allwo mittendurch ein kleines Waſſer,
wahrſcheinlich die Goſe, fließt, verfallen und dum¬
pfig, und ein Pflaſter, ſo holprig wie Berliner
Hexameter. Nur die Alterthuͤmlichkeiten der Einfaſ¬
ſung, naͤmlich Reſte von Mauern, Thuͤrmen und Zin¬
nen, geben der Stadt etwas Pikantes. Einer die¬
ſer Thuͤrme, der Zwinger genannt, hat ſo dicke
Mauern, daß ganze Gemaͤcher darin ausgehauen
ſind. Der Platz vor der Stadt, wo der weitbe¬
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Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 1. Hamburg, 1826, S. 159. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder01_1826/171>, abgerufen am 04.12.2024.
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