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Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 1. Hamburg, 1826.

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cendentalgrauen Leibrock, und mit seinem schroffen,
frierend kalten Gesichte, das einem Lehrbuche der
Geometrie als Kupfertafel dienen konnte. Dieser
Mann, tief in den Funfzigern, war eine personifi¬
zirte grade Linie, und bildete dadurch einen Gegen¬
satz zu mir, der ich damals nur in der Hogarth¬
schen Wellenlinie lebte. In seinem Streben nach
dem Positiven, hatte der arme Mann sich alles Herr¬
liche aus dem Leben heraus philosophirt, alle Son¬
nenstrahlen, allen Glauben und alle Blumen, und
es blieb ihm nichts übrig, als das kalte, positive
Grab. Auf den Apoll vom Belvedere und auf das
Christenthum hatte er eine spezielle Malice. Ge¬
gen letzteres schrieb er sogar eine Broschüre, worin
er dessen Unvernünftigkeit und Unhaltbarkeit bewies.
Er hat überhaupt eine ganze Menge Bücher ge¬
schrieben
, worin immer die Vernunft von ihrer eige¬
nen Vortrefflichkeit renommirt, und wobey es der
arme Doctor gewiß ernsthaft genug meinte, und
also in dieser Hinsicht alle Achtung verdiente. Da¬
rin aber bestand ja eben der Hauptspaß, daß er ein

cendentalgrauen Leibrock, und mit ſeinem ſchroffen,
frierend kalten Geſichte, das einem Lehrbuche der
Geometrie als Kupfertafel dienen konnte. Dieſer
Mann, tief in den Funfzigern, war eine perſonifi¬
zirte grade Linie, und bildete dadurch einen Gegen¬
ſatz zu mir, der ich damals nur in der Hogarth¬
ſchen Wellenlinie lebte. In ſeinem Streben nach
dem Poſitiven, hatte der arme Mann ſich alles Herr¬
liche aus dem Leben heraus philoſophirt, alle Son¬
nenſtrahlen, allen Glauben und alle Blumen, und
es blieb ihm nichts uͤbrig, als das kalte, poſitive
Grab. Auf den Apoll vom Belvedere und auf das
Chriſtenthum hatte er eine ſpezielle Malice. Ge¬
gen letzteres ſchrieb er ſogar eine Broſchuͤre, worin
er deſſen Unvernuͤnftigkeit und Unhaltbarkeit bewies.
Er hat uͤberhaupt eine ganze Menge Buͤcher ge¬
ſchrieben
, worin immer die Vernunft von ihrer eige¬
nen Vortrefflichkeit renommirt, und wobey es der
arme Doctor gewiß ernſthaft genug meinte, und
alſo in dieſer Hinſicht alle Achtung verdiente. Da¬
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[173/0185] cendentalgrauen Leibrock, und mit ſeinem ſchroffen, frierend kalten Geſichte, das einem Lehrbuche der Geometrie als Kupfertafel dienen konnte. Dieſer Mann, tief in den Funfzigern, war eine perſonifi¬ zirte grade Linie, und bildete dadurch einen Gegen¬ ſatz zu mir, der ich damals nur in der Hogarth¬ ſchen Wellenlinie lebte. In ſeinem Streben nach dem Poſitiven, hatte der arme Mann ſich alles Herr¬ liche aus dem Leben heraus philoſophirt, alle Son¬ nenſtrahlen, allen Glauben und alle Blumen, und es blieb ihm nichts uͤbrig, als das kalte, poſitive Grab. Auf den Apoll vom Belvedere und auf das Chriſtenthum hatte er eine ſpezielle Malice. Ge¬ gen letzteres ſchrieb er ſogar eine Broſchuͤre, worin er deſſen Unvernuͤnftigkeit und Unhaltbarkeit bewies. Er hat uͤberhaupt eine ganze Menge Buͤcher ge¬ ſchrieben, worin immer die Vernunft von ihrer eige¬ nen Vortrefflichkeit renommirt, und wobey es der arme Doctor gewiß ernſthaft genug meinte, und alſo in dieſer Hinſicht alle Achtung verdiente. Da¬ rin aber beſtand ja eben der Hauptſpaß, daß er ein

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Zitationshilfe: Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 1. Hamburg, 1826, S. 173. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder01_1826/185>, abgerufen am 04.12.2024.