Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 1. Hamburg, 1826.

Bild:
<< vorherige Seite

Spukgeschichten, die hübsch klingen konnten, wenn
sie nicht alle darauf hinaus liefen, daß es doch kein
wirklicher Spuk gewesen, sondern, daß die weiße
Gestalt ein Wilddieb war, und daß die wimmern¬
den Stimmen von den eben geworfenen Jungen
einer Bache (wilden Sau), und das Geräusch auf
dem Boden von der Hauskatze herrührte. Nur
wenn der Mensch krank ist, setzte er hinzu, glaubt
er Gespenster zu sehen; was aber seine Wenigkeit
anbelange, so sey er selten krank, nur zuweilen
leide er an Hautübeln, und dann kurire er sich
jedesmal mit nüchternem Speichel. Er machte
mich auch aufmerksam auf die Zweckmäßigkeit und
Nützlichkeit in der Natur. Die Bäume sind grün,
weil grün gut für die Augen ist. Ich gab ihm
Recht, und fügte hinzu: daß Gott das Rindvieh
erschaffen, weil Fleischsuppen den Menschen stärken,
daß er die Esel erschaffen, damit sie dem Menschen
zu Vergleichungen dienen können, und daß er den
Menschen selbst erschaffen, damit er Fleischsuppen
essen und kein Esel seyn soll. Mein Begleiter war

Spukgeſchichten, die huͤbſch klingen konnten, wenn
ſie nicht alle darauf hinaus liefen, daß es doch kein
wirklicher Spuk geweſen, ſondern, daß die weiße
Geſtalt ein Wilddieb war, und daß die wimmern¬
den Stimmen von den eben geworfenen Jungen
einer Bache (wilden Sau), und das Geraͤuſch auf
dem Boden von der Hauskatze herruͤhrte. Nur
wenn der Menſch krank iſt, ſetzte er hinzu, glaubt
er Geſpenſter zu ſehen; was aber ſeine Wenigkeit
anbelange, ſo ſey er ſelten krank, nur zuweilen
leide er an Hautuͤbeln, und dann kurire er ſich
jedesmal mit nuͤchternem Speichel. Er machte
mich auch aufmerkſam auf die Zweckmaͤßigkeit und
Nuͤtzlichkeit in der Natur. Die Baͤume ſind gruͤn,
weil gruͤn gut fuͤr die Augen iſt. Ich gab ihm
Recht, und fuͤgte hinzu: daß Gott das Rindvieh
erſchaffen, weil Fleiſchſuppen den Menſchen ſtaͤrken,
daß er die Eſel erſchaffen, damit ſie dem Menſchen
zu Vergleichungen dienen koͤnnen, und daß er den
Menſchen ſelbſt erſchaffen, damit er Fleiſchſuppen
eſſen und kein Eſel ſeyn ſoll. Mein Begleiter war

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="poem" n="1">
        <p><pb facs="#f0192" n="180"/>
Spukge&#x017F;chichten, die hu&#x0364;b&#x017F;ch klingen konnten, wenn<lb/>
&#x017F;ie nicht alle darauf hinaus liefen, daß es doch kein<lb/>
wirklicher Spuk gewe&#x017F;en, &#x017F;ondern, daß die weiße<lb/>
Ge&#x017F;talt ein Wilddieb war, und daß die wimmern¬<lb/>
den Stimmen von den eben geworfenen Jungen<lb/>
einer Bache (wilden Sau), und das Gera&#x0364;u&#x017F;ch auf<lb/>
dem Boden von der Hauskatze herru&#x0364;hrte. Nur<lb/>
wenn der Men&#x017F;ch krank i&#x017F;t, &#x017F;etzte er hinzu, glaubt<lb/>
er Ge&#x017F;pen&#x017F;ter zu &#x017F;ehen; was aber &#x017F;eine Wenigkeit<lb/>
anbelange, &#x017F;o &#x017F;ey er &#x017F;elten krank, nur zuweilen<lb/>
leide er an Hautu&#x0364;beln, und dann kurire er &#x017F;ich<lb/>
jedesmal mit nu&#x0364;chternem Speichel. Er machte<lb/>
mich auch aufmerk&#x017F;am auf die Zweckma&#x0364;ßigkeit und<lb/>
Nu&#x0364;tzlichkeit in der Natur. Die Ba&#x0364;ume &#x017F;ind gru&#x0364;n,<lb/>
weil gru&#x0364;n gut fu&#x0364;r die Augen i&#x017F;t. Ich gab ihm<lb/>
Recht, und fu&#x0364;gte hinzu: daß Gott das Rindvieh<lb/>
er&#x017F;chaffen, weil Flei&#x017F;ch&#x017F;uppen den Men&#x017F;chen &#x017F;ta&#x0364;rken,<lb/>
daß er die E&#x017F;el er&#x017F;chaffen, damit &#x017F;ie dem Men&#x017F;chen<lb/>
zu Vergleichungen dienen ko&#x0364;nnen, und daß er den<lb/>
Men&#x017F;chen &#x017F;elb&#x017F;t er&#x017F;chaffen, damit er Flei&#x017F;ch&#x017F;uppen<lb/>
e&#x017F;&#x017F;en und kein E&#x017F;el &#x017F;eyn &#x017F;oll. Mein Begleiter war<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[180/0192] Spukgeſchichten, die huͤbſch klingen konnten, wenn ſie nicht alle darauf hinaus liefen, daß es doch kein wirklicher Spuk geweſen, ſondern, daß die weiße Geſtalt ein Wilddieb war, und daß die wimmern¬ den Stimmen von den eben geworfenen Jungen einer Bache (wilden Sau), und das Geraͤuſch auf dem Boden von der Hauskatze herruͤhrte. Nur wenn der Menſch krank iſt, ſetzte er hinzu, glaubt er Geſpenſter zu ſehen; was aber ſeine Wenigkeit anbelange, ſo ſey er ſelten krank, nur zuweilen leide er an Hautuͤbeln, und dann kurire er ſich jedesmal mit nuͤchternem Speichel. Er machte mich auch aufmerkſam auf die Zweckmaͤßigkeit und Nuͤtzlichkeit in der Natur. Die Baͤume ſind gruͤn, weil gruͤn gut fuͤr die Augen iſt. Ich gab ihm Recht, und fuͤgte hinzu: daß Gott das Rindvieh erſchaffen, weil Fleiſchſuppen den Menſchen ſtaͤrken, daß er die Eſel erſchaffen, damit ſie dem Menſchen zu Vergleichungen dienen koͤnnen, und daß er den Menſchen ſelbſt erſchaffen, damit er Fleiſchſuppen eſſen und kein Eſel ſeyn ſoll. Mein Begleiter war

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder01_1826
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder01_1826/192
Zitationshilfe: Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 1. Hamburg, 1826, S. 180. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder01_1826/192>, abgerufen am 04.12.2024.