Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 1. Hamburg, 1826.

Bild:
<< vorherige Seite

erglänzen und das Meer seine schäumenden Wogen
rolle in Licht!"

Ein wohlbekannter, nicht sehr magerer Freund,
der mehr getrunken als gegessen hatte, obgleich er
auch heute Abend, wie gewöhnlich, eine Porzion
Rindfleisch verschlungen, wovon sechs Gardelieute¬
nants und ein unschuldiges Kind satt geworden
wären, dieser kam jetzt in allzugutem Humor, d.
h. ganz en Schwein, vorbeygerannt, schob die bey¬
den elegischen Freunde etwas unsanft in den
Schrank hinein, polterte nach der Hausthüre, und
wirthschaftete draußen ganz mörderlich. Der Lärm
im Saal wurde auch immer verworrener und dum¬
pfer. Die beyden Jünglinge im Schranke jammer¬
ten und wimmerten, sie lägen zerschmettert am Fuße
des Berges; aus dem Hals strömte ihnen der edle
Rothwein, sie überschwemmten sich wechselseitig,
und der Eine sprach zum Andern: "Lebe wohl! Ich
fühle, daß ich verblute. Warum weckst du mich,
Frühlingsluft? Du buhlst und sprichst: ich bethaue
dich mit Tropfen des Himmels. Doch die Zeit

erglaͤnzen und das Meer ſeine ſchaͤumenden Wogen
rolle in Licht!“

Ein wohlbekannter, nicht ſehr magerer Freund,
der mehr getrunken als gegeſſen hatte, obgleich er
auch heute Abend, wie gewoͤhnlich, eine Porzion
Rindfleiſch verſchlungen, wovon ſechs Gardelieute¬
nants und ein unſchuldiges Kind ſatt geworden
waͤren, dieſer kam jetzt in allzugutem Humor, d.
h. ganz en Schwein, vorbeygerannt, ſchob die bey¬
den elegiſchen Freunde etwas unſanft in den
Schrank hinein, polterte nach der Hausthuͤre, und
wirthſchaftete draußen ganz moͤrderlich. Der Laͤrm
im Saal wurde auch immer verworrener und dum¬
pfer. Die beyden Juͤnglinge im Schranke jammer¬
ten und wimmerten, ſie laͤgen zerſchmettert am Fuße
des Berges; aus dem Hals ſtroͤmte ihnen der edle
Rothwein, ſie uͤberſchwemmten ſich wechſelſeitig,
und der Eine ſprach zum Andern: „Lebe wohl! Ich
fuͤhle, daß ich verblute. Warum weckſt du mich,
Fruͤhlingsluft? Du buhlſt und ſprichſt: ich bethaue
dich mit Tropfen des Himmels. Doch die Zeit

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="poem" n="1">
        <p><pb facs="#f0241" n="229"/>
ergla&#x0364;nzen und das Meer &#x017F;eine &#x017F;cha&#x0364;umenden Wogen<lb/>
rolle in Licht!&#x201C;</p><lb/>
        <p>Ein wohlbekannter, nicht &#x017F;ehr magerer Freund,<lb/>
der mehr getrunken als gege&#x017F;&#x017F;en hatte, obgleich er<lb/>
auch heute Abend, wie gewo&#x0364;hnlich, eine Porzion<lb/>
Rindflei&#x017F;ch ver&#x017F;chlungen, wovon &#x017F;echs Gardelieute¬<lb/>
nants und ein un&#x017F;chuldiges Kind &#x017F;att geworden<lb/>
wa&#x0364;ren, die&#x017F;er kam jetzt in allzugutem Humor, d.<lb/>
h. ganz <hi rendition="#aq">en</hi> Schwein, vorbeygerannt, &#x017F;chob die bey¬<lb/>
den elegi&#x017F;chen Freunde etwas un&#x017F;anft in den<lb/>
Schrank hinein, polterte nach der Hausthu&#x0364;re, und<lb/>
wirth&#x017F;chaftete draußen ganz mo&#x0364;rderlich. Der La&#x0364;rm<lb/>
im Saal wurde auch immer verworrener und dum¬<lb/>
pfer. Die beyden Ju&#x0364;nglinge im Schranke jammer¬<lb/>
ten und wimmerten, &#x017F;ie la&#x0364;gen zer&#x017F;chmettert am Fuße<lb/>
des Berges; aus dem Hals &#x017F;tro&#x0364;mte ihnen der edle<lb/>
Rothwein, &#x017F;ie u&#x0364;ber&#x017F;chwemmten &#x017F;ich wech&#x017F;el&#x017F;eitig,<lb/>
und der Eine &#x017F;prach zum Andern: &#x201E;Lebe wohl! Ich<lb/>
fu&#x0364;hle, daß ich verblute. Warum weck&#x017F;t du mich,<lb/>
Fru&#x0364;hlingsluft? Du buhl&#x017F;t und &#x017F;prich&#x017F;t: ich bethaue<lb/>
dich mit Tropfen des Himmels. Doch die Zeit<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[229/0241] erglaͤnzen und das Meer ſeine ſchaͤumenden Wogen rolle in Licht!“ Ein wohlbekannter, nicht ſehr magerer Freund, der mehr getrunken als gegeſſen hatte, obgleich er auch heute Abend, wie gewoͤhnlich, eine Porzion Rindfleiſch verſchlungen, wovon ſechs Gardelieute¬ nants und ein unſchuldiges Kind ſatt geworden waͤren, dieſer kam jetzt in allzugutem Humor, d. h. ganz en Schwein, vorbeygerannt, ſchob die bey¬ den elegiſchen Freunde etwas unſanft in den Schrank hinein, polterte nach der Hausthuͤre, und wirthſchaftete draußen ganz moͤrderlich. Der Laͤrm im Saal wurde auch immer verworrener und dum¬ pfer. Die beyden Juͤnglinge im Schranke jammer¬ ten und wimmerten, ſie laͤgen zerſchmettert am Fuße des Berges; aus dem Hals ſtroͤmte ihnen der edle Rothwein, ſie uͤberſchwemmten ſich wechſelſeitig, und der Eine ſprach zum Andern: „Lebe wohl! Ich fuͤhle, daß ich verblute. Warum weckſt du mich, Fruͤhlingsluft? Du buhlſt und ſprichſt: ich bethaue dich mit Tropfen des Himmels. Doch die Zeit

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder01_1826
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder01_1826/241
Zitationshilfe: Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 1. Hamburg, 1826, S. 229. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder01_1826/241>, abgerufen am 04.12.2024.