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Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 1. Hamburg, 1826.

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verloren haben, und die englischen Waaren 25
Prozent unter dem Fabrikpreise verkaufen. Es
ergriff mich die Lust, ihn etwas zu mystifiziren;
deshalb sagte ich ihm: ich sey ein Nachtwandler,
und müsse im Voraus um Entschuldigung bitten,
für den Fall, daß ich ihn etwa im Schlafe stören
möchte. Der arme Mensch hat deshalb, wie er
mir den andern Tag gestand, die ganze Nacht
nicht geschlafen, da er die Besorgniß hegte, ich
könnte mit meinen Pistolen, die vor meinem Bette
lagen, im Nachtwandler-Zustande ein Malheur
anrichten. Im Grunde war es mir nicht viel bes¬
ser als ihm gegangen, ich hatte sehr schlecht geschla¬
fen. Wüste, beängstigende Phantasie-Gebilde. Ein
Clavier-Auszug aus Dante's "Hölle." Am Ende
träumte mir gar, ich sähe die Aufführung einer juri¬
stischen Oper, die Falcidia geheißen, erbrechtlicher
Text von Gans, und Musik von Spontini. Ein tol¬
ler Traum. Das römische Forum leuchtete prächtig,
Serv. Asinius Göschenus als Prätor auf seinem
Stuhle, die Toga in stolze Falten werfend, ergoß

verloren haben, und die engliſchen Waaren 25
Prozent unter dem Fabrikpreiſe verkaufen. Es
ergriff mich die Luſt, ihn etwas zu myſtifiziren;
deshalb ſagte ich ihm: ich ſey ein Nachtwandler,
und muͤſſe im Voraus um Entſchuldigung bitten,
fuͤr den Fall, daß ich ihn etwa im Schlafe ſtoͤren
moͤchte. Der arme Menſch hat deshalb, wie er
mir den andern Tag geſtand, die ganze Nacht
nicht geſchlafen, da er die Beſorgniß hegte, ich
koͤnnte mit meinen Piſtolen, die vor meinem Bette
lagen, im Nachtwandler-Zuſtande ein Malheur
anrichten. Im Grunde war es mir nicht viel beſ¬
ſer als ihm gegangen, ich hatte ſehr ſchlecht geſchla¬
fen. Wuͤſte, beaͤngſtigende Phantaſie-Gebilde. Ein
Clavier-Auszug aus Dante's “Hoͤlle.” Am Ende
traͤumte mir gar, ich ſaͤhe die Auffuͤhrung einer juri¬
ſtiſchen Oper, die Falcidia geheißen, erbrechtlicher
Text von Gans, und Muſik von Spontini. Ein tol¬
ler Traum. Das roͤmiſche Forum leuchtete praͤchtig,
Serv. Aſinius Goͤſchenus als Praͤtor auf ſeinem
Stuhle, die Toga in ſtolze Falten werfend, ergoß

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[231/0243] verloren haben, und die engliſchen Waaren 25 Prozent unter dem Fabrikpreiſe verkaufen. Es ergriff mich die Luſt, ihn etwas zu myſtifiziren; deshalb ſagte ich ihm: ich ſey ein Nachtwandler, und muͤſſe im Voraus um Entſchuldigung bitten, fuͤr den Fall, daß ich ihn etwa im Schlafe ſtoͤren moͤchte. Der arme Menſch hat deshalb, wie er mir den andern Tag geſtand, die ganze Nacht nicht geſchlafen, da er die Beſorgniß hegte, ich koͤnnte mit meinen Piſtolen, die vor meinem Bette lagen, im Nachtwandler-Zuſtande ein Malheur anrichten. Im Grunde war es mir nicht viel beſ¬ ſer als ihm gegangen, ich hatte ſehr ſchlecht geſchla¬ fen. Wuͤſte, beaͤngſtigende Phantaſie-Gebilde. Ein Clavier-Auszug aus Dante's “Hoͤlle.” Am Ende traͤumte mir gar, ich ſaͤhe die Auffuͤhrung einer juri¬ ſtiſchen Oper, die Falcidia geheißen, erbrechtlicher Text von Gans, und Muſik von Spontini. Ein tol¬ ler Traum. Das roͤmiſche Forum leuchtete praͤchtig, Serv. Aſinius Goͤſchenus als Praͤtor auf ſeinem Stuhle, die Toga in ſtolze Falten werfend, ergoß

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Zitationshilfe: Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 1. Hamburg, 1826, S. 231. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder01_1826/243>, abgerufen am 04.12.2024.