wenn sie nicht gar von einem dunklen Wintersturme gewaltsam zerstört worden. Jetzt aber regt und drängt es sich wieder in meiner Brust, und hörst du plötzlich den Schuß -- Mädchen! erschrick nicht! ich hab' mich nicht todt geschossen, sondern meine Liebe sprengt ihre Knospe, und schießt empor in strahlenden Liedern, in ewigen Dithyramben, in freu¬ digster Sangesfülle.
Ist dir aber diese hohe Liebe zu hoch, Mäd¬ chen, so mach' es dir bequem, und besteige die höl¬ zerne Treppe, und schaue von dieser hinab in mein blühendes Herz.
Es ist noch früh am Tage, die Sonne hat kaum die Hälfte ihres Weges zurückgelegt, und mein Herz duftet schon so stark, daß es mir betäu¬ bend zu Kopfe steigt, daß ich nicht mehr weiß wo die Ironie aufhört und der Himmel anfängt, daß ich die Luft mit meinen Seufzern bevölkere, und daß ich selbst wieder zerrinnen möchte in süße Atome, in die unerschaffene Gottheit; -- wie soll das erst gehen, wenn es Nacht wird, und die Sterne
wenn ſie nicht gar von einem dunklen Winterſturme gewaltſam zerſtoͤrt worden. Jetzt aber regt und draͤngt es ſich wieder in meiner Bruſt, und hoͤrſt du ploͤtzlich den Schuß — Maͤdchen! erſchrick nicht! ich hab' mich nicht todt geſchoſſen, ſondern meine Liebe ſprengt ihre Knospe, und ſchießt empor in ſtrahlenden Liedern, in ewigen Dithyramben, in freu¬ digſter Sangesfuͤlle.
Iſt dir aber dieſe hohe Liebe zu hoch, Maͤd¬ chen, ſo mach' es dir bequem, und beſteige die hoͤl¬ zerne Treppe, und ſchaue von dieſer hinab in mein bluͤhendes Herz.
Es iſt noch fruͤh am Tage, die Sonne hat kaum die Haͤlfte ihres Weges zuruͤckgelegt, und mein Herz duftet ſchon ſo ſtark, daß es mir betaͤu¬ bend zu Kopfe ſteigt, daß ich nicht mehr weiß wo die Ironie aufhoͤrt und der Himmel anfaͤngt, daß ich die Luft mit meinen Seufzern bevoͤlkere, und daß ich ſelbſt wieder zerrinnen moͤchte in ſuͤße Atome, in die unerſchaffene Gottheit; — wie ſoll das erſt gehen, wenn es Nacht wird, und die Sterne
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wenn ſie nicht gar von einem dunklen Winterſturme
gewaltſam zerſtoͤrt worden. Jetzt aber regt und
draͤngt es ſich wieder in meiner Bruſt, und hoͤrſt
du ploͤtzlich den Schuß — Maͤdchen! erſchrick nicht!
ich hab' mich nicht todt geſchoſſen, ſondern meine
Liebe ſprengt ihre Knospe, und ſchießt empor in
ſtrahlenden Liedern, in ewigen Dithyramben, in freu¬
digſter Sangesfuͤlle.
Iſt dir aber dieſe hohe Liebe zu hoch, Maͤd¬
chen, ſo mach' es dir bequem, und beſteige die hoͤl¬
zerne Treppe, und ſchaue von dieſer hinab in mein
bluͤhendes Herz.
Es iſt noch fruͤh am Tage, die Sonne hat
kaum die Haͤlfte ihres Weges zuruͤckgelegt, und
mein Herz duftet ſchon ſo ſtark, daß es mir betaͤu¬
bend zu Kopfe ſteigt, daß ich nicht mehr weiß
wo die Ironie aufhoͤrt und der Himmel anfaͤngt,
daß ich die Luft mit meinen Seufzern bevoͤlkere,
und daß ich ſelbſt wieder zerrinnen moͤchte in ſuͤße
Atome, in die unerſchaffene Gottheit; — wie ſoll
das erſt gehen, wenn es Nacht wird, und die Sterne
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Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 1. Hamburg, 1826, S. 259. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder01_1826/271>, abgerufen am 21.11.2024.
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