Und heimlich scheue Angst. Seltsam verstört, Mit Beyleidsmienen fast, sahn sie mich an, Daß es mir selber durch die Seele schauert', Wie Ahnung eines unbekannten Unheils. Die alte Marg'reth' hab' ich gleich erkannt; Ich sah sie forschend an, jedoch sie sprach nicht. "Wo ist Maria?" fragt' ich, doch sie sprach nicht, Griff leise meine Hand, und führte mich Durch viele lange, leuchtende Gemächer, Wo Prunk und Pracht und Todtenstille herrschte, Und führt' mich endlich in ein dämmernd Zimmer, Und zeigt', mit abgewandtem Angesicht', Nach der Gestalt, die auf dem Sopha saß. "Sind Sie Maria?" fragt' ich. Innerlich Erstaunt' ich selber ob der Festigkeit, Womit ich sprach. Und steinern und metalllos Scholl eine Stimm': "So nennen mich die Leute." Ein schneidend Weh durchfröstelte mich da, Denn jener hohle, kalte Ton war doch -- Die einst so süße Stimme von Maria! Und jenes Weib im fahlen Lillakleid,
Und heimlich ſcheue Angſt. Seltſam verſtoͤrt, Mit Beyleidsmienen faſt, ſahn ſie mich an, Daß es mir ſelber durch die Seele ſchauert', Wie Ahnung eines unbekannten Unheils. Die alte Marg'reth' hab' ich gleich erkannt; Ich ſah ſie forſchend an, jedoch ſie ſprach nicht. “Wo iſt Maria?” fragt' ich, doch ſie ſprach nicht, Griff leiſe meine Hand, und fuͤhrte mich Durch viele lange, leuchtende Gemaͤcher, Wo Prunk und Pracht und Todtenſtille herrſchte, Und fuͤhrt' mich endlich in ein daͤmmernd Zimmer, Und zeigt', mit abgewandtem Angeſicht', Nach der Geſtalt, die auf dem Sopha ſaß. “Sind Sie Maria?” fragt' ich. Innerlich Erſtaunt' ich ſelber ob der Feſtigkeit, Womit ich ſprach. Und ſteinern und metalllos Scholl eine Stimm': “So nennen mich die Leute.” Ein ſchneidend Weh durchfroͤſtelte mich da, Denn jener hohle, kalte Ton war doch — Die einſt ſo ſuͤße Stimme von Maria! Und jenes Weib im fahlen Lillakleid,
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Und heimlich ſcheue Angſt. Seltſam verſtoͤrt,
Mit Beyleidsmienen faſt, ſahn ſie mich an,
Daß es mir ſelber durch die Seele ſchauert',
Wie Ahnung eines unbekannten Unheils.
Die alte Marg'reth' hab' ich gleich erkannt;
Ich ſah ſie forſchend an, jedoch ſie ſprach nicht.
“Wo iſt Maria?” fragt' ich, doch ſie ſprach nicht,
Griff leiſe meine Hand, und fuͤhrte mich
Durch viele lange, leuchtende Gemaͤcher,
Wo Prunk und Pracht und Todtenſtille herrſchte,
Und fuͤhrt' mich endlich in ein daͤmmernd Zimmer,
Und zeigt', mit abgewandtem Angeſicht',
Nach der Geſtalt, die auf dem Sopha ſaß.
“Sind Sie Maria?” fragt' ich. Innerlich
Erſtaunt' ich ſelber ob der Feſtigkeit,
Womit ich ſprach. Und ſteinern und metalllos
Scholl eine Stimm': “So nennen mich die Leute.”
Ein ſchneidend Weh durchfroͤſtelte mich da,
Denn jener hohle, kalte Ton war doch —
Die einſt ſo ſuͤße Stimme von Maria!
Und jenes Weib im fahlen Lillakleid,
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Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 1. Hamburg, 1826, S. 87. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder01_1826/99>, abgerufen am 23.11.2024.
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