trübten Herzens, ein deutsches Blatt zur Hand, und suche darin die Momente eines Volkslebens, und finde nichts als literarische Fraubasereyen und Theatergeklätsche.
Und doch ist es nicht anders zu erwarten. Ist in einem Volke alles öffentliche Leben unter¬ drückt, so sucht es dennoch Gegenstände für ge¬ meinsame Besprechung, und dazu dienen ihm in Deutschland seine Schriftsteller und Comödianten. Statt Pferderennen haben wir ein Bücherrennen nach der Leipziger Messe. Statt Boxen haben wir Mystiker und Rationalisten, die sich in ihren Pamphlets herumbalgen, bis die Einen zur Ver¬ nunft kommen, und den Anderen Hören und Sehen vergeht und der Glauben bey ihnen Ein¬ gang findet. Statt Hahnenkämpfe haben wir Journale, worin arme Teufel, die man dafür füttert, sich einander den guten Namen zerreißen, während die Philister freudig ausrufen: sieh! das ist ein Haupthahn! dem dort schwillt der Kamm! der hat einen scharfen Schnabel! das junge Hähnchen
truͤbten Herzens, ein deutſches Blatt zur Hand, und ſuche darin die Momente eines Volkslebens, und finde nichts als literariſche Fraubaſereyen und Theatergeklaͤtſche.
Und doch iſt es nicht anders zu erwarten. Iſt in einem Volke alles oͤffentliche Leben unter¬ druͤckt, ſo ſucht es dennoch Gegenſtaͤnde fuͤr ge¬ meinſame Beſprechung, und dazu dienen ihm in Deutſchland ſeine Schriftſteller und Comoͤdianten. Statt Pferderennen haben wir ein Buͤcherrennen nach der Leipziger Meſſe. Statt Boxen haben wir Myſtiker und Rationaliſten, die ſich in ihren Pamphlets herumbalgen, bis die Einen zur Ver¬ nunft kommen, und den Anderen Hoͤren und Sehen vergeht und der Glauben bey ihnen Ein¬ gang findet. Statt Hahnenkaͤmpfe haben wir Journale, worin arme Teufel, die man dafuͤr fuͤttert, ſich einander den guten Namen zerreißen, waͤhrend die Philiſter freudig ausrufen: ſieh! das iſt ein Haupthahn! dem dort ſchwillt der Kamm! der hat einen ſcharfen Schnabel! das junge Haͤhnchen
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0120"n="112"/>
truͤbten Herzens, ein deutſches Blatt zur Hand,<lb/>
und ſuche darin die Momente eines Volkslebens,<lb/>
und finde nichts als literariſche Fraubaſereyen<lb/>
und Theatergeklaͤtſche.</p><lb/><p>Und doch iſt es nicht anders zu erwarten.<lb/>
Iſt in einem Volke alles oͤffentliche Leben unter¬<lb/>
druͤckt, ſo ſucht es dennoch Gegenſtaͤnde fuͤr ge¬<lb/>
meinſame Beſprechung, und dazu dienen ihm in<lb/>
Deutſchland ſeine Schriftſteller und Comoͤdianten.<lb/>
Statt Pferderennen haben wir ein Buͤcherrennen<lb/>
nach der Leipziger Meſſe. Statt Boxen haben<lb/>
wir Myſtiker und Rationaliſten, die ſich in ihren<lb/>
Pamphlets herumbalgen, bis die Einen zur Ver¬<lb/>
nunft kommen, und den Anderen Hoͤren und<lb/>
Sehen vergeht und der Glauben bey ihnen Ein¬<lb/>
gang findet. Statt Hahnenkaͤmpfe haben wir<lb/>
Journale, worin arme Teufel, die man dafuͤr<lb/>
fuͤttert, ſich einander den guten Namen zerreißen,<lb/>
waͤhrend die Philiſter freudig ausrufen: ſieh! das iſt<lb/>
ein Haupthahn! dem dort ſchwillt der Kamm! der<lb/>
hat einen ſcharfen Schnabel! das junge Haͤhnchen<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[112/0120]
truͤbten Herzens, ein deutſches Blatt zur Hand,
und ſuche darin die Momente eines Volkslebens,
und finde nichts als literariſche Fraubaſereyen
und Theatergeklaͤtſche.
Und doch iſt es nicht anders zu erwarten.
Iſt in einem Volke alles oͤffentliche Leben unter¬
druͤckt, ſo ſucht es dennoch Gegenſtaͤnde fuͤr ge¬
meinſame Beſprechung, und dazu dienen ihm in
Deutſchland ſeine Schriftſteller und Comoͤdianten.
Statt Pferderennen haben wir ein Buͤcherrennen
nach der Leipziger Meſſe. Statt Boxen haben
wir Myſtiker und Rationaliſten, die ſich in ihren
Pamphlets herumbalgen, bis die Einen zur Ver¬
nunft kommen, und den Anderen Hoͤren und
Sehen vergeht und der Glauben bey ihnen Ein¬
gang findet. Statt Hahnenkaͤmpfe haben wir
Journale, worin arme Teufel, die man dafuͤr
fuͤttert, ſich einander den guten Namen zerreißen,
waͤhrend die Philiſter freudig ausrufen: ſieh! das iſt
ein Haupthahn! dem dort ſchwillt der Kamm! der
hat einen ſcharfen Schnabel! das junge Haͤhnchen
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 2. Hamburg, 1827, S. 112. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder02_1827/120>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.