brennen müssen. Ich hörte, wie einer derselben, dem ein vierschrötiger Teufel neue Kohlen unter¬ legte, gar unwillig aus dem Topfe hervorrief: "Schone meiner, ich war Sokrates, der Weiseste der Sterblichen, ich habe Wahrheit und Gerech¬ tigkeit gelehrt und mein Leben geopfert für die Tugend." Aber der vierschrötige, dumme Teu¬ fel ließ sich in seinem Geschäfte nicht stören und brummte; "Ey was! alle Heiden müssen brennen, und wegen eines einzigen Menschen dürfen wir keine Ausnahme machen." -- -- Ich versichere Sie, Madame, es war eine fürchterliche Hitze, und ein Schreyen, Seufzen, Stöhnen, Quäken, Greinen, Quiriliren -- und durch all diese ent¬ setzlichen Töne drang vernehmbar jene fatale Melodie des Liedes von der ungeweinten Thräne.
brennen muͤſſen. Ich hoͤrte, wie einer derſelben, dem ein vierſchroͤtiger Teufel neue Kohlen unter¬ legte, gar unwillig aus dem Topfe hervorrief: “Schone meiner, ich war Sokrates, der Weiſeſte der Sterblichen, ich habe Wahrheit und Gerech¬ tigkeit gelehrt und mein Leben geopfert fuͤr die Tugend.” Aber der vierſchroͤtige, dumme Teu¬ fel ließ ſich in ſeinem Geſchaͤfte nicht ſtoͤren und brummte; “Ey was! alle Heiden muͤſſen brennen, und wegen eines einzigen Menſchen duͤrfen wir keine Ausnahme machen.” — — Ich verſichere Sie, Madame, es war eine fuͤrchterliche Hitze, und ein Schreyen, Seufzen, Stoͤhnen, Quaͤken, Greinen, Quiriliren — und durch all dieſe ent¬ ſetzlichen Toͤne drang vernehmbar jene fatale Melodie des Liedes von der ungeweinten Thraͤne.
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brennen muͤſſen. Ich hoͤrte, wie einer derſelben,
dem ein vierſchroͤtiger Teufel neue Kohlen unter¬
legte, gar unwillig aus dem Topfe hervorrief:
“Schone meiner, ich war Sokrates, der Weiſeſte
der Sterblichen, ich habe Wahrheit und Gerech¬
tigkeit gelehrt und mein Leben geopfert fuͤr die
Tugend.” Aber der vierſchroͤtige, dumme Teu¬
fel ließ ſich in ſeinem Geſchaͤfte nicht ſtoͤren und
brummte; “Ey was! alle Heiden muͤſſen brennen,
und wegen eines einzigen Menſchen duͤrfen wir
keine Ausnahme machen.” — — Ich verſichere
Sie, Madame, es war eine fuͤrchterliche Hitze,
und ein Schreyen, Seufzen, Stoͤhnen, Quaͤken,
Greinen, Quiriliren — und durch all dieſe ent¬
ſetzlichen Toͤne drang vernehmbar jene fatale
Melodie des Liedes von der ungeweinten Thraͤne.
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Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 2. Hamburg, 1827, S. 138. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder02_1827/146>, abgerufen am 23.11.2024.
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