Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 2. Hamburg, 1827.

Bild:
<< vorherige Seite

einem einsamen Stern sich schlafen gelegt, und
selbst nicht weiß, daß er alles das auch erschafft
was er träumt -- und die Traumgebilde gestal¬
ten sich oft buntscheckig toll, oft auch harmonisch
vernünftig -- die Ilias, Plato, die Schlacht bey
Marathon, Moses, die medizäische Venus, der
straßburger Münster, die französische Revoluzion,
Hegel, die Dampfschiffe u. s. w. sind einzelne
gute Gedanken in diesem schaffenden Gottes¬
traum -- aber es wird nicht lange dauern, und
der Gott erwacht, und reibt sich die verschlafenen
Augen, und lächelt -- und unsre Welt ist zer¬
ronnen in Nichts, ja, sie hat nie existirt.

Gleichviel! ich lebe. Bin ich auch nur das
Schattenbild in einem Traum, so ist auch dieses
besser als das kalte, schwarze, leere Nichtseyn des
Todes. Das Leben ist der Güter höchstes, und
das schlimmste Uebel ist der Tod. Mögen berlini¬
sche Gardelieutnants immerhin spötteln und es Feig¬
heit nennen, daß der Prinz von Homburg zurück¬

einem einſamen Stern ſich ſchlafen gelegt, und
ſelbſt nicht weiß, daß er alles das auch erſchafft
was er traͤumt — und die Traumgebilde geſtal¬
ten ſich oft buntſcheckig toll, oft auch harmoniſch
vernuͤnftig — die Ilias, Plato, die Schlacht bey
Marathon, Moſes, die medizaͤiſche Venus, der
ſtraßburger Muͤnſter, die franzoͤſiſche Revoluzion,
Hegel, die Dampfſchiffe u. ſ. w. ſind einzelne
gute Gedanken in dieſem ſchaffenden Gottes¬
traum — aber es wird nicht lange dauern, und
der Gott erwacht, und reibt ſich die verſchlafenen
Augen, und laͤchelt — und unſre Welt iſt zer¬
ronnen in Nichts, ja, ſie hat nie exiſtirt.

Gleichviel! ich lebe. Bin ich auch nur das
Schattenbild in einem Traum, ſo iſt auch dieſes
beſſer als das kalte, ſchwarze, leere Nichtſeyn des
Todes. Das Leben iſt der Guͤter hoͤchſtes, und
das ſchlimmſte Uebel iſt der Tod. Moͤgen berlini¬
ſche Gardelieutnants immerhin ſpoͤtteln und es Feig¬
heit nennen, daß der Prinz von Homburg zuruͤck¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0155" n="147"/>
einem ein&#x017F;amen Stern &#x017F;ich &#x017F;chlafen gelegt, und<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t nicht weiß, daß er alles das auch er&#x017F;chafft<lb/>
was er tra&#x0364;umt &#x2014; und die Traumgebilde ge&#x017F;tal¬<lb/>
ten &#x017F;ich oft bunt&#x017F;checkig toll, oft auch harmoni&#x017F;ch<lb/>
vernu&#x0364;nftig &#x2014; die Ilias, Plato, die Schlacht bey<lb/>
Marathon, Mo&#x017F;es, die mediza&#x0364;i&#x017F;che Venus, der<lb/>
&#x017F;traßburger Mu&#x0364;n&#x017F;ter, die franzo&#x0364;&#x017F;i&#x017F;che Revoluzion,<lb/>
Hegel, die Dampf&#x017F;chiffe u. &#x017F;. w. &#x017F;ind einzelne<lb/>
gute Gedanken in die&#x017F;em &#x017F;chaffenden Gottes¬<lb/>
traum &#x2014; aber es wird nicht lange dauern, und<lb/>
der Gott erwacht, und reibt &#x017F;ich die ver&#x017F;chlafenen<lb/>
Augen, und la&#x0364;chelt &#x2014; und un&#x017F;re Welt i&#x017F;t zer¬<lb/>
ronnen in Nichts, ja, &#x017F;ie hat nie exi&#x017F;tirt.</p><lb/>
          <p>Gleichviel! ich lebe. Bin ich auch nur das<lb/>
Schattenbild in einem Traum, &#x017F;o i&#x017F;t auch die&#x017F;es<lb/>
be&#x017F;&#x017F;er als das kalte, &#x017F;chwarze, leere Nicht&#x017F;eyn des<lb/>
Todes. Das Leben i&#x017F;t der Gu&#x0364;ter ho&#x0364;ch&#x017F;tes, und<lb/>
das &#x017F;chlimm&#x017F;te Uebel i&#x017F;t der Tod. Mo&#x0364;gen berlini¬<lb/>
&#x017F;che Gardelieutnants immerhin &#x017F;po&#x0364;tteln und es Feig¬<lb/>
heit nennen, daß der Prinz von Homburg zuru&#x0364;ck¬<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[147/0155] einem einſamen Stern ſich ſchlafen gelegt, und ſelbſt nicht weiß, daß er alles das auch erſchafft was er traͤumt — und die Traumgebilde geſtal¬ ten ſich oft buntſcheckig toll, oft auch harmoniſch vernuͤnftig — die Ilias, Plato, die Schlacht bey Marathon, Moſes, die medizaͤiſche Venus, der ſtraßburger Muͤnſter, die franzoͤſiſche Revoluzion, Hegel, die Dampfſchiffe u. ſ. w. ſind einzelne gute Gedanken in dieſem ſchaffenden Gottes¬ traum — aber es wird nicht lange dauern, und der Gott erwacht, und reibt ſich die verſchlafenen Augen, und laͤchelt — und unſre Welt iſt zer¬ ronnen in Nichts, ja, ſie hat nie exiſtirt. Gleichviel! ich lebe. Bin ich auch nur das Schattenbild in einem Traum, ſo iſt auch dieſes beſſer als das kalte, ſchwarze, leere Nichtſeyn des Todes. Das Leben iſt der Guͤter hoͤchſtes, und das ſchlimmſte Uebel iſt der Tod. Moͤgen berlini¬ ſche Gardelieutnants immerhin ſpoͤtteln und es Feig¬ heit nennen, daß der Prinz von Homburg zuruͤck¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder02_1827
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder02_1827/155
Zitationshilfe: Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 2. Hamburg, 1827, S. 147. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder02_1827/155>, abgerufen am 22.11.2024.