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Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 2. Hamburg, 1827.

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Einem dürftigen Mann, ohn' Erbe und
eigenen Wohlstand,

Als die sämmtliche Schaar der geschwundenen
Todten beherrschen."

Ja, als der Major Düvent den großen
Israel Löwe auf Pistolen forderte und zu ihm
sagte: wenn Sie sich nicht stellen, Herr Löwe,
so sind Sie ein Hund! da antwortete dieser:
ich will lieber seyn ein lebendiger Hund als ein
todter Löwe! Und er hatte Recht -- Ich habe
mich oft genug geschlagen, Madame, um dieses
sagen zu dürfen -- Gottlob! ich lebe! In mei¬
nen Adern kocht das rothe Leben, unter meinen
Füßen zuckt die Erde, in Liebesgluth umschlinge
ich Bäume und Marmorbilder, und sie werden
lebendig in meiner Umarmung. Jedes Weib ist
mir eine geschenkte Welt, ich schwelge in den
Melodien ihres Antlitzes, und mit einem einzi¬
gen Blick meines Auges kann ich mehr genießen
als Andre, mit ihren sämmtlichen Gliedmaßen,

Einem duͤrftigen Mann, ohn' Erbe und
eigenen Wohlſtand,

Als die ſaͤmmtliche Schaar der geſchwundenen
Todten beherrſchen.“

Ja, als der Major Duͤvent den großen
Israel Loͤwe auf Piſtolen forderte und zu ihm
ſagte: wenn Sie ſich nicht ſtellen, Herr Loͤwe,
ſo ſind Sie ein Hund! da antwortete dieſer:
ich will lieber ſeyn ein lebendiger Hund als ein
todter Loͤwe! Und er hatte Recht — Ich habe
mich oft genug geſchlagen, Madame, um dieſes
ſagen zu duͤrfen — Gottlob! ich lebe! In mei¬
nen Adern kocht das rothe Leben, unter meinen
Fuͤßen zuckt die Erde, in Liebesgluth umſchlinge
ich Baͤume und Marmorbilder, und ſie werden
lebendig in meiner Umarmung. Jedes Weib iſt
mir eine geſchenkte Welt, ich ſchwelge in den
Melodien ihres Antlitzes, und mit einem einzi¬
gen Blick meines Auges kann ich mehr genießen
als Andre, mit ihren ſaͤmmtlichen Gliedmaßen,

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[149/0157] Einem duͤrftigen Mann, ohn' Erbe und eigenen Wohlſtand, Als die ſaͤmmtliche Schaar der geſchwundenen Todten beherrſchen.“ Ja, als der Major Duͤvent den großen Israel Loͤwe auf Piſtolen forderte und zu ihm ſagte: wenn Sie ſich nicht ſtellen, Herr Loͤwe, ſo ſind Sie ein Hund! da antwortete dieſer: ich will lieber ſeyn ein lebendiger Hund als ein todter Loͤwe! Und er hatte Recht — Ich habe mich oft genug geſchlagen, Madame, um dieſes ſagen zu duͤrfen — Gottlob! ich lebe! In mei¬ nen Adern kocht das rothe Leben, unter meinen Fuͤßen zuckt die Erde, in Liebesgluth umſchlinge ich Baͤume und Marmorbilder, und ſie werden lebendig in meiner Umarmung. Jedes Weib iſt mir eine geſchenkte Welt, ich ſchwelge in den Melodien ihres Antlitzes, und mit einem einzi¬ gen Blick meines Auges kann ich mehr genießen als Andre, mit ihren ſaͤmmtlichen Gliedmaßen,

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Zitationshilfe: Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 2. Hamburg, 1827, S. 149. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder02_1827/157>, abgerufen am 22.11.2024.