nisch, eine tiefherabhängende Alongeperücke -- Als Knabe hörte ich die Sage, der Künstler, der diese Statue gegossen, habe während des Gießens mit Schrecken bemerkt, daß sein Me¬ tall nicht dazu ausreiche, und da wären die Bürger der Stadt herbeygelaufen, und hätten ihm ihre silbernen Löffel gebracht, um den Guß zu vollenden -- und nun stand ich stundenlang vor dem Reuterbilde, und zerbrach mir den Kopf: wie viel silberne Löffel wohl darin stecken mögen, und wie viel Apfeltörtchen man wohl für all das Silber bekommen könnte? Apfeltört¬ chen waren nämlich damals meine Passion -- jetzt ist es Liebe, Wahrheit, Freyheit und Krebssuppe -- und eben unweit des Kurfür¬ stenbildes, an der Theaterecke, stand gewöhn¬ lich der wunderlich gebackene, säbelbeinige Kerl, mit der weißen Schürze und dem umgehäng¬ ten Korbe voll lieblich dampfender Apfeltört¬ chen, die er mit einer unwiderstehlichen Dis¬ kantstimme anzupreisen wußte -- "Die Apfel¬
niſch, eine tiefherabhaͤngende Alongeperuͤcke — Als Knabe hoͤrte ich die Sage, der Kuͤnſtler, der dieſe Statue gegoſſen, habe waͤhrend des Gießens mit Schrecken bemerkt, daß ſein Me¬ tall nicht dazu ausreiche, und da waͤren die Buͤrger der Stadt herbeygelaufen, und haͤtten ihm ihre ſilbernen Loͤffel gebracht, um den Guß zu vollenden — und nun ſtand ich ſtundenlang vor dem Reuterbilde, und zerbrach mir den Kopf: wie viel ſilberne Loͤffel wohl darin ſtecken moͤgen, und wie viel Apfeltoͤrtchen man wohl fuͤr all das Silber bekommen koͤnnte? Apfeltoͤrt¬ chen waren naͤmlich damals meine Paſſion — jetzt iſt es Liebe, Wahrheit, Freyheit und Krebsſuppe — und eben unweit des Kurfuͤr¬ ſtenbildes, an der Theaterecke, ſtand gewoͤhn¬ lich der wunderlich gebackene, ſaͤbelbeinige Kerl, mit der weißen Schuͤrze und dem umgehaͤng¬ ten Korbe voll lieblich dampfender Apfeltoͤrt¬ chen, die er mit einer unwiderſtehlichen Dis¬ kantſtimme anzupreiſen wußte — “Die Apfel¬
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0178"n="170"/>
niſch, eine tiefherabhaͤngende Alongeperuͤcke —<lb/>
Als Knabe hoͤrte ich die Sage, der Kuͤnſtler,<lb/>
der dieſe Statue gegoſſen, habe waͤhrend des<lb/>
Gießens mit Schrecken bemerkt, daß ſein Me¬<lb/>
tall nicht dazu ausreiche, und da waͤren die<lb/>
Buͤrger der Stadt herbeygelaufen, und haͤtten<lb/>
ihm ihre ſilbernen Loͤffel gebracht, um den Guß<lb/>
zu vollenden — und nun ſtand ich ſtundenlang<lb/>
vor dem Reuterbilde, und zerbrach mir den<lb/>
Kopf: wie viel ſilberne Loͤffel wohl darin ſtecken<lb/>
moͤgen, und wie viel Apfeltoͤrtchen man wohl<lb/>
fuͤr all das Silber bekommen koͤnnte? Apfeltoͤrt¬<lb/>
chen waren naͤmlich damals meine Paſſion —<lb/>
jetzt iſt es Liebe, Wahrheit, Freyheit und<lb/>
Krebsſuppe — und eben unweit des Kurfuͤr¬<lb/>ſtenbildes, an der Theaterecke, ſtand gewoͤhn¬<lb/>
lich der wunderlich gebackene, ſaͤbelbeinige Kerl,<lb/>
mit der weißen Schuͤrze und dem umgehaͤng¬<lb/>
ten Korbe voll lieblich dampfender Apfeltoͤrt¬<lb/>
chen, die er mit einer unwiderſtehlichen Dis¬<lb/>
kantſtimme anzupreiſen wußte —“Die Apfel¬<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[170/0178]
niſch, eine tiefherabhaͤngende Alongeperuͤcke —
Als Knabe hoͤrte ich die Sage, der Kuͤnſtler,
der dieſe Statue gegoſſen, habe waͤhrend des
Gießens mit Schrecken bemerkt, daß ſein Me¬
tall nicht dazu ausreiche, und da waͤren die
Buͤrger der Stadt herbeygelaufen, und haͤtten
ihm ihre ſilbernen Loͤffel gebracht, um den Guß
zu vollenden — und nun ſtand ich ſtundenlang
vor dem Reuterbilde, und zerbrach mir den
Kopf: wie viel ſilberne Loͤffel wohl darin ſtecken
moͤgen, und wie viel Apfeltoͤrtchen man wohl
fuͤr all das Silber bekommen koͤnnte? Apfeltoͤrt¬
chen waren naͤmlich damals meine Paſſion —
jetzt iſt es Liebe, Wahrheit, Freyheit und
Krebsſuppe — und eben unweit des Kurfuͤr¬
ſtenbildes, an der Theaterecke, ſtand gewoͤhn¬
lich der wunderlich gebackene, ſaͤbelbeinige Kerl,
mit der weißen Schuͤrze und dem umgehaͤng¬
ten Korbe voll lieblich dampfender Apfeltoͤrt¬
chen, die er mit einer unwiderſtehlichen Dis¬
kantſtimme anzupreiſen wußte — “Die Apfel¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 2. Hamburg, 1827, S. 170. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder02_1827/178>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.