noch einen überaus künstlichen Einschachtelungs¬ becher von Holz, den er selbst in seinen Frey¬ stunden -- er hatte deren täglich vier und zwanzig -- geschnitzelt hat.
Damals waren die Fürsten noch keine ge¬ plagte Leute wie jetzt, und die Krone war ihnen am Kopfe festgewachsen, und des Nachts zogen sie noch eine Schlafmütze darüber, und schliefen ruhig, und die Völker schliefen ruhig zu ihren Füßen, und wenn diese des Morgens erwachten, so sagten sie: "guten Morgen, Va¬ ter!" -- und jene antworteten: "guten Mor¬ gen, liebe Kinder!"
Aber es wurde plötzlich anders; als wir eines Morgens zu Düsseldorf erwachten, und "guten Morgen, Vater!" sagen wollten, da war der Vater abgereist, und in der ganzen Stadt war nichts als stumpfe Beklemmung, es war überall eine Art Begräbnißstimmung, und
noch einen uͤberaus kuͤnſtlichen Einſchachtelungs¬ becher von Holz, den er ſelbſt in ſeinen Frey¬ ſtunden — er hatte deren taͤglich vier und zwanzig — geſchnitzelt hat.
Damals waren die Fuͤrſten noch keine ge¬ plagte Leute wie jetzt, und die Krone war ihnen am Kopfe feſtgewachſen, und des Nachts zogen ſie noch eine Schlafmuͤtze daruͤber, und ſchliefen ruhig, und die Voͤlker ſchliefen ruhig zu ihren Fuͤßen, und wenn dieſe des Morgens erwachten, ſo ſagten ſie: “guten Morgen, Va¬ ter!” — und jene antworteten: “guten Mor¬ gen, liebe Kinder!”
Aber es wurde ploͤtzlich anders; als wir eines Morgens zu Duͤſſeldorf erwachten, und “guten Morgen, Vater!” ſagen wollten, da war der Vater abgereiſt, und in der ganzen Stadt war nichts als ſtumpfe Beklemmung, es war uͤberall eine Art Begraͤbnißſtimmung, und
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noch einen uͤberaus kuͤnſtlichen Einſchachtelungs¬
becher von Holz, den er ſelbſt in ſeinen Frey¬
ſtunden — er hatte deren taͤglich vier und
zwanzig — geſchnitzelt hat.
Damals waren die Fuͤrſten noch keine ge¬
plagte Leute wie jetzt, und die Krone war
ihnen am Kopfe feſtgewachſen, und des Nachts
zogen ſie noch eine Schlafmuͤtze daruͤber, und
ſchliefen ruhig, und die Voͤlker ſchliefen ruhig
zu ihren Fuͤßen, und wenn dieſe des Morgens
erwachten, ſo ſagten ſie: “guten Morgen, Va¬
ter!” — und jene antworteten: “guten Mor¬
gen, liebe Kinder!”
Aber es wurde ploͤtzlich anders; als wir
eines Morgens zu Duͤſſeldorf erwachten, und
“guten Morgen, Vater!” ſagen wollten, da
war der Vater abgereiſt, und in der ganzen
Stadt war nichts als ſtumpfe Beklemmung, es
war uͤberall eine Art Begraͤbnißſtimmung, und
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Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 2. Hamburg, 1827, S. 172. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder02_1827/180>, abgerufen am 22.11.2024.
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