Und der Schiffer im Wellengeräusch es hört Wie der Alte sein Weib ausschilt: "Runde Metze des Weltalls! Strahlenbuhlende! Den ganzen Tag glühst du für Andre, Und Nachts, für Mich, bist du frostig und müde!" Nach solcher Gardienenpredigt, Versteht sich! bricht dann aus in Thränen Die stolze Sonne und klagt ihr Elend, Und klagt so jammerlang, daß der Meergott Plötzlich verzweiflungsvoll aus dem Bett springt, Und schnell nach der Meeresfläche heraufschwimmt, Um Luft und Besinnung zu schöpfen.
So sah ich ihn selbst, verflossene Nacht, Bis an die Brust dem Meer' enttauchen. Er trug eine Jacke von gelbem Flanell, Und eine liljenweiße Schlafmütz, Und ein abgewelktes Gesicht.
Und der Schiffer im Wellengeraͤuſch es hoͤrt Wie der Alte ſein Weib ausſchilt: „Runde Metze des Weltalls! Strahlenbuhlende! Den ganzen Tag gluͤhſt du fuͤr Andre, Und Nachts, fuͤr Mich, biſt du froſtig und muͤde!“ Nach ſolcher Gardienenpredigt, Verſteht ſich! bricht dann aus in Thraͤnen Die ſtolze Sonne und klagt ihr Elend, Und klagt ſo jammerlang, daß der Meergott Ploͤtzlich verzweiflungsvoll aus dem Bett ſpringt, Und ſchnell nach der Meeresflaͤche heraufſchwimmt, Um Luft und Beſinnung zu ſchoͤpfen.
So ſah ich ihn ſelbſt, verfloſſene Nacht, Bis an die Bruſt dem Meer' enttauchen. Er trug eine Jacke von gelbem Flanell, Und eine liljenweiße Schlafmuͤtz, Und ein abgewelktes Geſicht.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><lgtype="poem"><lgn="3"><pbfacs="#f0022"n="14"/><l>Und der Schiffer im Wellengeraͤuſch es hoͤrt</l><lb/><l>Wie der Alte ſein Weib ausſchilt:</l><lb/><l>„Runde Metze des Weltalls!</l><lb/><l>Strahlenbuhlende!</l><lb/><l>Den ganzen Tag gluͤhſt du fuͤr Andre,</l><lb/><l>Und Nachts, fuͤr Mich, biſt du froſtig und muͤde!“</l><lb/><l>Nach ſolcher Gardienenpredigt,</l><lb/><l>Verſteht ſich! bricht dann aus in Thraͤnen</l><lb/><l>Die ſtolze Sonne und klagt ihr Elend,</l><lb/><l>Und klagt ſo jammerlang, daß der Meergott</l><lb/><l>Ploͤtzlich verzweiflungsvoll aus dem Bett ſpringt,</l><lb/><l>Und ſchnell nach der Meeresflaͤche heraufſchwimmt,</l><lb/><l>Um Luft und Beſinnung zu ſchoͤpfen.</l><lb/></lg><lgn="4"><l>So ſah ich ihn ſelbſt, verfloſſene Nacht,</l><lb/><l>Bis an die Bruſt dem Meer' enttauchen.</l><lb/><l>Er trug eine Jacke von gelbem Flanell,</l><lb/><l>Und eine liljenweiße Schlafmuͤtz,</l><lb/><l>Und ein abgewelktes Geſicht.</l><lb/></lg></lg><milestonerendition="#hr"unit="section"/></div></div></div></body></text></TEI>
[14/0022]
Und der Schiffer im Wellengeraͤuſch es hoͤrt
Wie der Alte ſein Weib ausſchilt:
„Runde Metze des Weltalls!
Strahlenbuhlende!
Den ganzen Tag gluͤhſt du fuͤr Andre,
Und Nachts, fuͤr Mich, biſt du froſtig und muͤde!“
Nach ſolcher Gardienenpredigt,
Verſteht ſich! bricht dann aus in Thraͤnen
Die ſtolze Sonne und klagt ihr Elend,
Und klagt ſo jammerlang, daß der Meergott
Ploͤtzlich verzweiflungsvoll aus dem Bett ſpringt,
Und ſchnell nach der Meeresflaͤche heraufſchwimmt,
Um Luft und Beſinnung zu ſchoͤpfen.
So ſah ich ihn ſelbſt, verfloſſene Nacht,
Bis an die Bruſt dem Meer' enttauchen.
Er trug eine Jacke von gelbem Flanell,
Und eine liljenweiße Schlafmuͤtz,
Und ein abgewelktes Geſicht.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 2. Hamburg, 1827, S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder02_1827/22>, abgerufen am 03.05.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.