dern, im Gegentheil, ich meyne Schriftsteller -- und doch ist das Citiren alter und neuer Bü¬ cher das Hauptvergnügen eines jungen Autors, und so ein paar grundgelehrte Citate zieren den ganzen Menschen. Glauben Sie nur nicht, Madame, es fehle mir an Bekanntschaft mit Büchertiteln. Außerdem kenne ich den Kunst¬ griff großer Geister, die es verstehen, die Co¬ rinthen aus den Semmeln und die Citate aus den Collegienheften herauszupicken; ich weiß auch woher Bartels den Most holt. Im Nothfall könnte ich bey meinen gelehrten Freunden eine Anleihe von Citaten machen. Mein Freund G. in Berlin ist so zu sagen ein kleiner Rothschild an Citaten, und leiht mir gern einige Millio¬ nen, und hat er sie nicht selbst vorräthig, so kann er sie leicht bey einigen andern kosmopo¬ litischen Geistesbanquiers zusammenbringen -- Apropos, Madame, die dreyprocentigen Böckhs sind flau, aber die fünfprocentigen Hegels sind gestiegen -- Doch, ich brauche jetzt noch keine
dern, im Gegentheil, ich meyne Schriftſteller — und doch iſt das Citiren alter und neuer Buͤ¬ cher das Hauptvergnuͤgen eines jungen Autors, und ſo ein paar grundgelehrte Citate zieren den ganzen Menſchen. Glauben Sie nur nicht, Madame, es fehle mir an Bekanntſchaft mit Buͤchertiteln. Außerdem kenne ich den Kunſt¬ griff großer Geiſter, die es verſtehen, die Co¬ rinthen aus den Semmeln und die Citate aus den Collegienheften herauszupicken; ich weiß auch woher Bartels den Moſt holt. Im Nothfall koͤnnte ich bey meinen gelehrten Freunden eine Anleihe von Citaten machen. Mein Freund G. in Berlin iſt ſo zu ſagen ein kleiner Rothſchild an Citaten, und leiht mir gern einige Millio¬ nen, und hat er ſie nicht ſelbſt vorraͤthig, ſo kann er ſie leicht bey einigen andern kosmopo¬ litiſchen Geiſtesbanquiers zuſammenbringen — Apropos, Madame, die dreyprocentigen Boͤckhs ſind flau, aber die fuͤnfprocentigen Hegels ſind geſtiegen — Doch, ich brauche jetzt noch keine
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dern, im Gegentheil, ich meyne Schriftſteller —
und doch iſt das Citiren alter und neuer Buͤ¬
cher das Hauptvergnuͤgen eines jungen Autors,
und ſo ein paar grundgelehrte Citate zieren den
ganzen Menſchen. Glauben Sie nur nicht,
Madame, es fehle mir an Bekanntſchaft mit
Buͤchertiteln. Außerdem kenne ich den Kunſt¬
griff großer Geiſter, die es verſtehen, die Co¬
rinthen aus den Semmeln und die Citate aus
den Collegienheften herauszupicken; ich weiß auch
woher Bartels den Moſt holt. Im Nothfall
koͤnnte ich bey meinen gelehrten Freunden eine
Anleihe von Citaten machen. Mein Freund G.
in Berlin iſt ſo zu ſagen ein kleiner Rothſchild
an Citaten, und leiht mir gern einige Millio¬
nen, und hat er ſie nicht ſelbſt vorraͤthig, ſo
kann er ſie leicht bey einigen andern kosmopo¬
litiſchen Geiſtesbanquiers zuſammenbringen —
Apropos, Madame, die dreyprocentigen Boͤckhs
ſind flau, aber die fuͤnfprocentigen Hegels ſind
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Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 2. Hamburg, 1827, S. 230. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder02_1827/238>, abgerufen am 24.11.2024.
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